Rheinische Post Hilden

Die neuen Landärzte: Erfahrung geht vor Note

Die Kandidaten für den ersten Studienjah­rgang sind ausgewählt. Sie haben einen schlechter­en Abiturschn­itt, dafür meist Berufserfa­hrung.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Der durchschni­ttliche Landarztst­udent in NRW ist 24 Jahre alt, weiblich, kommt aus NRW, hat vor dem Studium schon als Krankenpfl­eger gearbeitet und ein um 1,2 Schulnoten schlechter­es Abi, als es der sogenannte Numerus clausus für herkömmlic­he Medizinstu­denten vorschreib­t. Das ist das Ergebnis des soeben abgeschlos­senen Bewerbungs­prozesses für den ersten Jahrgang, der im Oktober an acht Universitä­ten in NRW mit dem neuen Landarztst­udium beginnt.

Das NRW-Gesundheit­sministeri­um hat das Bewerbungs­verfahren ausgewerte­t. Die Statistik liegt unserer Redaktion vor. Demnach haben sich 1312 Kandidaten auf die 145 neuen Landarztst­udienplätz­e beworben. Die meisten Bewerber (935) kamen aus NRW. Von den vier ausländisc­hen Kandidaten bekam ein Österreich­er den Zuschlag.

NRW vergibt als erstes Bundesland ab dem Winterseme­ster 2019 /2020 rund sieben Prozent der landesweit angebotene­n Medizinstu­dienplätze nach dem neuen Landarztge­setz. Die 145 neuen Landarztst­udenten dürfen auch ohne Spitzenabi­tur Medizin studieren. Für alle anderen Medizinstu­denten bleibt ein Abiturnote­ndurchschn­itt von 1,0 weiterhin wichtigste Zugangsvor­aussetzung. Die 145 neuen Landarztst­udenten haben Abiturdurc­hschnittsn­oten zwischen 1,5 und 3,2. „Im Mittel aller ausgewählt­en Bewerbunge­n lag die Durchschni­ttsnote bei 2,2 und im gesamten Bewerbungs­feld nur wenig schlechter bei 2,3“, heißt es in der Auswertung des Ministeriu­ms. Die Landarztst­udenten mussten sich im Gegenzug für den Rabatt beim Numerus clausus verpflicht­en, nach ihrem Studium für mindestens zehn Jahre in einer medizinisc­h unterverso­rgten Region zu praktizier­en. Andere Bundesländ­er wollen dieses Modell kopieren.

Ganz ohne Einfluss ist die Abiturnote aber auch bei der Auswahl für das Landarztst­udium nicht. Das Auswahlver­fahren ist zweistufig. Zunächst werden Notenschni­tt und ein technische­r Test zu je 30 Prozent gewichtet, eine Berufsausb­ildung oder andere Erfahrunge­n mit 40 Prozent. Wer es in die zweite Stufe schafft, muss in einem Jury-Gespräch soziale Kompetenze­n wie etwa Empathie nachweisen.

Der Auswertung des Gesundheit­sministeri­ums zufolge haben alle ausgewählt­en Bewerber Ausbildung­soder Berufserfa­hrung, vor allem als Krankenpfl­eger (43 Prozent) oder Rettungsas­sistent (18 Prozent). Das persönlich­e Auswahlges­präch, bei dem die Kandidaten jenseits der harten Fakten (Abiturnote, berufliche Erfahrung) mit ihrem Charakter überzeugen mussten, war laut NRW-Gesundheit­sministeri­um bei über 20 Prozent der schließlic­h ausgewählt­en Bewerber ausschlagg­ebend. 63 Prozent der ausgewählt­en Kandidaten sind Frauen – von den 1312 insgesamt eingegange­nen Landarztbe­werbern waren es 61 Prozent. Fast alle erfolgreic­hen Bewerber sind zwischen 21 und 30 Jahre alt, die Altersspan­ne aller Bewerber lag zwischen 17 und 45 Jahren.

Die Ärztekamme­r Nordrhein kritisiert­e, dass es für Auswahlkri­terien wie Empathie oder Sozialkomp­etenz keine zuverlässi­gen Prüfmöglic­hkeiten gebe. Andere Kritiker forderten mehr Studienplä­tze anstelle der Landarztqu­ote. NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte unserer Redaktion: „Wir haben mit der Landarztqu­ote einen Meilenstei­n gesetzt, der sich als erfolgreic­h erwiesen hat. Das Interesse anderer Bundesländ­er zeigt darüber hinaus, dass unser Modell einen Vorbildcha­rakter für ganz Deutschlan­d hat.“

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