Die neuen Landärzte: Erfahrung geht vor Note
Die Kandidaten für den ersten Studienjahrgang sind ausgewählt. Sie haben einen schlechteren Abiturschnitt, dafür meist Berufserfahrung.
DÜSSELDORF Der durchschnittliche Landarztstudent in NRW ist 24 Jahre alt, weiblich, kommt aus NRW, hat vor dem Studium schon als Krankenpfleger gearbeitet und ein um 1,2 Schulnoten schlechteres Abi, als es der sogenannte Numerus clausus für herkömmliche Medizinstudenten vorschreibt. Das ist das Ergebnis des soeben abgeschlossenen Bewerbungsprozesses für den ersten Jahrgang, der im Oktober an acht Universitäten in NRW mit dem neuen Landarztstudium beginnt.
Das NRW-Gesundheitsministerium hat das Bewerbungsverfahren ausgewertet. Die Statistik liegt unserer Redaktion vor. Demnach haben sich 1312 Kandidaten auf die 145 neuen Landarztstudienplätze beworben. Die meisten Bewerber (935) kamen aus NRW. Von den vier ausländischen Kandidaten bekam ein Österreicher den Zuschlag.
NRW vergibt als erstes Bundesland ab dem Wintersemester 2019 /2020 rund sieben Prozent der landesweit angebotenen Medizinstudienplätze nach dem neuen Landarztgesetz. Die 145 neuen Landarztstudenten dürfen auch ohne Spitzenabitur Medizin studieren. Für alle anderen Medizinstudenten bleibt ein Abiturnotendurchschnitt von 1,0 weiterhin wichtigste Zugangsvoraussetzung. Die 145 neuen Landarztstudenten haben Abiturdurchschnittsnoten zwischen 1,5 und 3,2. „Im Mittel aller ausgewählten Bewerbungen lag die Durchschnittsnote bei 2,2 und im gesamten Bewerbungsfeld nur wenig schlechter bei 2,3“, heißt es in der Auswertung des Ministeriums. Die Landarztstudenten mussten sich im Gegenzug für den Rabatt beim Numerus clausus verpflichten, nach ihrem Studium für mindestens zehn Jahre in einer medizinisch unterversorgten Region zu praktizieren. Andere Bundesländer wollen dieses Modell kopieren.
Ganz ohne Einfluss ist die Abiturnote aber auch bei der Auswahl für das Landarztstudium nicht. Das Auswahlverfahren ist zweistufig. Zunächst werden Notenschnitt und ein technischer Test zu je 30 Prozent gewichtet, eine Berufsausbildung oder andere Erfahrungen mit 40 Prozent. Wer es in die zweite Stufe schafft, muss in einem Jury-Gespräch soziale Kompetenzen wie etwa Empathie nachweisen.
Der Auswertung des Gesundheitsministeriums zufolge haben alle ausgewählten Bewerber Ausbildungsoder Berufserfahrung, vor allem als Krankenpfleger (43 Prozent) oder Rettungsassistent (18 Prozent). Das persönliche Auswahlgespräch, bei dem die Kandidaten jenseits der harten Fakten (Abiturnote, berufliche Erfahrung) mit ihrem Charakter überzeugen mussten, war laut NRW-Gesundheitsministerium bei über 20 Prozent der schließlich ausgewählten Bewerber ausschlaggebend. 63 Prozent der ausgewählten Kandidaten sind Frauen – von den 1312 insgesamt eingegangenen Landarztbewerbern waren es 61 Prozent. Fast alle erfolgreichen Bewerber sind zwischen 21 und 30 Jahre alt, die Altersspanne aller Bewerber lag zwischen 17 und 45 Jahren.
Die Ärztekammer Nordrhein kritisierte, dass es für Auswahlkriterien wie Empathie oder Sozialkompetenz keine zuverlässigen Prüfmöglichkeiten gebe. Andere Kritiker forderten mehr Studienplätze anstelle der Landarztquote. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte unserer Redaktion: „Wir haben mit der Landarztquote einen Meilenstein gesetzt, der sich als erfolgreich erwiesen hat. Das Interesse anderer Bundesländer zeigt darüber hinaus, dass unser Modell einen Vorbildcharakter für ganz Deutschland hat.“