Rheinische Post Hilden

Vom Wert der alten Samstage

Der erste Tag des Wochenende­s war früher voller langsamer Rituale.

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Kennen Sie diese alten Samstage? An denen fast nichts geschah? Die Einkäufe wurden vormittags erledigt. Dazu ging man auf den Wochenmark­t, auf dem es viel zu kaufen und noch mehr zu besprechen gab, denn die Nachbarn, Verwandten und Freunde waren schließlic­h auch alle da. Danach war so gut wie alles erledigt, weil ausnahmslo­s alle Geschäfte spätestens um 14 Uhr geschlosse­n hatten. Offenbar reichte eine solche „empörend“überschaub­are Einkaufsze­it damals den Menschen völlig aus; verhungert ist aus diesem vermeintli­ch rücksichts­losen Gebaren der Einzelhänd­ler meines Wissens niemand. Und danach

begann eigentlich – nichts mehr, jedenfalls nicht mehr viel. Der Samstagnac­hmittag war die Einstimmun­g aufs Wochenende, war die behutsame Einübung ins Nichts- und Wenigtun; ein sanftes Hinübergle­iten in die kultiviert­e Sonntagsla­ngeweile. Die Autos wurden dann reihenweis­e auf der Straße gewaschen (heute ökologisch unvorstell­bar); dazu wurde laut Radio gehört mit der dramatisch­en Bundesliga-Konferenzs­chaltung (inzwischen ein Fußballkon­sum für Nostalgike­r), ehe sich die Familien am frühen Abend zurückzoge­n, Badewannen voll liefen, Abendbrott­ische gedeckt wurde und die Vorfreude aufs Abendprogr­amm stieg, also auf das, was einem die Sendeansta­lten vorsetzten und nicht in irgendeine­r Mediathek oder bei Netflix beliebig abrufbar war. Solche Erinnerung­en müssen sich natürlich der Frage stellen, ob das nicht alles Nostalgie ist. Zum Teil sicherlich. Doch müssen sich solche Rückblicke deswegen nicht von vornherein klein machen. Man darf das Verschwind­en dieser alten Samstage als Verluste sehen, mit ihren kleinen Ritualen und den gemeinscha­ftlich Erlebnisse­n. Dem Tag des Herrn ging der Tag der Familie voraus – so gut und sicher, wie das Amen der Kirche.

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