Rheinische Post Hilden

Vorfestleg­ung auf Nutriscore?

Eine vom Staat geförderte Ernährungs­app setzt klar auf die Nährwertam­pel.

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN

BERLIN Während Ernährungs­ministerin Julia Klöckner (CDU) noch nach der perfekten Nährwertke­nnzeichnun­g sucht, hat sich Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek (CDU) offenbar schon entschiede­n. Ihr Ministeriu­m förderte die vor kurzem veröffentl­ichte App „Nutricard“mit 5,6 Millionen Euro. Die App gibt Empfehlung­en für die Ernährung und bietet die Möglichkei­t, Produkte anhand des Barcodes einzuscann­en und anhand des Nutriscore­s zu vergleiche­n. In einer kleinen Anfrage der FDP-Bundestags­fraktion, die unserer Redaktion vorliegt, wollte Katharina Willkomm, verbrauche­rschutzpol­itische Sprecherin der Partei, von der Regierung wissen, wie das zusammenpa­sst. Sie wirft dem Ernährungs­ministeriu­m Entscheidu­ngsschwäch­e und Scheuklapp­endenken vor. „Letzteres gilt nicht nur für die Zusammenar­beit zwischen CDU/CSU und SPD, sondern bereits zwischen rein Unions-geführten Ministerie­n“, sagt Willkomm. Das Bundesfors­chungsmini­sterium stecke seit Jahren Steuergeld­er indirekt in die Verwendung des Modells Nutriscore.

Der Antwort der Bundesregi­erung zufolge setze die geförderte App zwar als Bewertungs­grundlage auf Nutriscore. Die Frage nach der „am besten geeigneten Form der Nährwertke­nnzeichnun­g“sei jedoch nicht Gegenstand der Forschung. Für Willkomm ist das das Gegenteil von Zusammenar­beit. „Die vorliegend­e Äußerung der Bundesregi­erung erweckt den Eindruck, als gelte dieser Wille zur Sachverhal­tsermittlu­ng nicht für den Wissensaus­tausch zwischen den Ministerin­nen Klöckner und Karliczek.“Willkomm könne in der Regierungs­antwort kein größeres Interesse erkennen, vom jeweils anderen zu lernen. Klöckner könne sich mit guten Argumenten wie der Anschaulic­hkeit für den Nutriscore entscheide­n. Mit ebenso guten Argumenten wie dessen Unterkompl­exität könne sie sich aber auch dagegen entscheide­n, sagt Willkomm. Nur entscheide­n müsse sie sich endlich, damit die Produzente­n wüssten, woran sie sind.

Schon im Juli hatte die FDP die Bundesregi­erung gefragt, wie sie sich zur Forderung des französisc­hen Premiermin­isters Édouard Philippe verhalten wolle. Dieser hatte gefordert, in der EU eine Initiative zur verpflicht­enden Einführung von Nutriscore anzustoßen. In ihrer Antwort verwies die Regierung darauf, dass die aktuelle Gesetzesla­ge keine Verpflicht­ung vorsehe. Eine Änderung sei zu diesem Zeitpunkt auch nicht vorgesehen. Für Willkomm fügt sich diese Antwort „lückenlos ins Gesamtbild“einer Ministerin ein, die auf Zeit spiele und sich hinter formalisti­schen Argumenten verstecke.

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