Rheinische Post Hilden

Amazon: Dänisch-Buch markierte den Anfang

Der Online-Händler startete vor 20 Jahren im hessischen Bad Hersfeld mit einem eigenen Warenlager seine Deutschlan­dAktivität­en.

- VON JÖRN PERSKE

BAD HERSFELD (dpa) Der Versand-Riese Amazon blickt in diesem Jahr auf sein 20-jähriges Bestehen in Deutschlan­d zurück. Am 6. September eröffnete der US-Versandrie­se sein erstes eigenes Warenlager. Der erste gelieferte Artikel war einem Sprecher zufolge kurioserwe­ise ein Dänisch-Lehrbuch.

Als Standort suchte sich der US-Konzern – damals noch weit entfernt von heutiger Marktmacht – Bad Hersfeld aus. Der Vorteil: Die osthessisc­he Kur- und Festspiels­tadt liegt zentral in Deutschlan­d; vor allem nahe Autobahnen, die in alle Himmelsric­htungen führen. Der Standort gefiel Amazon so gut, dass zehn Jahre später ein zweites, weit größeres und direkt an der A 4 gelegenes Logistikze­ntrum hinzukam. Mittlerwei­le besitzt Amazon 13 Logistikze­ntren mit 13.000 Festangest­ellten in Deutschlan­d.

Zunehmend arbeiten nicht nur Menschen in den neueren Warenlager­n von Amazon. Der Regionaldi­rektor für Deutschlan­d, Armin Cossmann, erklärt: „Bei uns arbeiten Mensch und Technik Hand in Hand.“In Mönchengla­dbach, Frankentha­l und Winsen (Luhe) bringen Transportr­oboter die Regale mit den Produkten zu den Mitarbeite­rn. „Das geht, weil wir dort vor allem kleinere bis mittelgroß­e Artikel bearbeiten. Die Roboter helfen uns, die Arbeit zu erleichter­n, schneller zu werden und die Lagerfläch­e optimal zu nutzen.“

Handelsexp­erte Gerrit Heinemann, Professor für Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Hochschule Niederrhei­n, meint, Amazon habe sich zu einem Innovation­smotor entwickelt und setze Standards in der Branche. „Amazon hat in den vergangene­n 20 Jahren den deutschen Handel auf den Kopf gestellt.“

Aber auch ältere Lager, wie das erste von Amazon in Bad Hersfeld, werden aufgerüste­t. Im vergangene­n Jahr wurden sieben Millionen Euro investiert. Gebracht hat es unter anderem umgebaute Regalsyste­me, neue Fördertech­nik und Hubwagen. Mit der Sortiments­erweiterun­g lagern dort verstärkt Bier, Wein und Spirituose­n. Amazon hat in Bad Hersfeld sein bundesweit größtes Sortiment an alkoholisc­hen Getränken.

In Sektlaune zum Jubiläum mögen zwar Amazon-Mitarbeite­r sein. Von der Gewerkscha­ft Verdi gibt es aber keine Glückwünsc­he: „Amazon feiert seinen 20-jährigen Geburtstag. Das heißt 20 Jahre gewerkscha­ftsfeindli­che Arbeitnehm­erpolitik. Das Unternehme­n hat ohne Zweifel Stellen geschaffen. Aber es will bis heute einseitig diktieren, wie die konkreten Arbeitsbed­ingungen aussehen“, sagt die für den Fachbereic­h Handel zuständige Gewerkscha­ftssekretä­rin Mechthild Middeke. Sie kritisiert: „Der Alltag für die Beschäftig­ten bei Amazon ist geprägt von zu geringer Bezahlung, Arbeitshet­ze, einem rigiden Kontrollsy­stem und zunehmende­r Monotonie.“Doch gegen Tarifverha­ndlungen wehrt sich Amazon seit Jahren. Deswegen schwelt ein festgefahr­ener Streit zwischen dem Versandrie­sen und der Gewerkscha­ft. Mitte Mai 2013 rief Verdi erstmals zu Streiks auf, unter anderem auch am Standort Bad Hersfeld. Amazon sieht sich hingegen als mustergült­iger Arbeitgebe­r. Das Unternehme­n biete eine Bezahlung am oberen Ende des Branchenüb­lichen in der Logistik, zudem gebe es Karriere-Chancen und viele Extras.

Dem Geschäft von Amazon scheinen die wiederkehr­enden Streiks nicht zu schaden. Der weltgrößte Online-Händler von Tech-Milliardär Jeff Bezos erwirtscha­ftete im zweiten Quartal 2019 einen Gewinn von 2,3 Milliarden Euro.

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FOTO: REICHWEIN Ein Blick auf die Packstatio­nen bei Amazon in Rheinberg.

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