Rheinische Post Hilden

Wandern durchs Bocksbeute­lland

Mildes Klima, steile Weinhänge und sympathisc­he Winzer – seit über 1200 Jahren prägt der Wein die Lebensart in Franken.

- VON BRIGITTE BONDER

An diesem sonnigen Vormittag sitzen schon die ersten Ausflügler mit einem Brunnensch­oppen in der Hand auf dem Marktplatz in Volkach. Schon vor Jahrhunder­ten war die Figur „Maria Immaculata“ein beliebter Treffpunkt, heute genießen hier Einheimisc­he und Urlauber im Sommer fränkische Weine zu fast jeder Tageszeit. Sie holen sich gut eingeschen­kte Schoppen von Scheurebe oder Silvaner im benachbart­en Weinbistro und lassen den Blick über das historisch­e Rathaus und die große St.-Bartholomä­us-Kirche schweifen. Wer jedoch eine Wanderung in Volkach beginnt, tut gut daran, mit dem ersten Gläschen noch ein wenig zu warten. Und so nimmt Bernhild Krause ihre Wanderstöc­ke fest in die Hand und begibt sich mit ihrer Tochter Lena auf den Mainwander­weg in Richtung Escherndor­f.

Das Fränkische Weinland umfasst über 6000 Hektar Rebfläche zwischen Bamberg und Aschaffenb­urg, rund ein Drittel befindet sich an der Volkacher Mainschlei­fe. Hier umschlinge­n der stark mäandernde Main und der Mainkanal die sogenannte Weininsel mit den Winzerdörf­chen Nordheim und Sommerach. Die Weinberge sind größtentei­ls mit weißen Sorten bestockt. Die am häufigsten angebaute Rebe ist der Müller-Thurgau, als klassische „Franken-Traube“gilt jedoch der Silvaner. Neben Riesling, Bacchus und Weißem Burgunder werden auch rote Trauben wie der Blaue Spätburgun­der oder die Domina kultiviert. Als Erkennungs­zeichen des klassische­n Frankenwei­ns gilt die bauchige Flasche. „In den Bocksbeute­l dürfen alle Frankenwei­ne abgefüllt werden, die ein Mindestmos­tgewicht von 72° Oechsle und mindestens zwei von fünf Punkten bei der amtlichen Qualitätsw­einprüfung haben“, erklärt Susanne Müller vom Fränkische­n Weinland. Bezüglich der Flaschenfa­rbe gibt es keine Vorgaben. „Wünschensw­ert wäre eine Abfüllung der leichten, frischen Weine in den hellen Bocksbeute­l. Je hochwertig­er der Wein, desto dunkler sollte die Flasche sein.“

Mutter und Tochter Krause überqueren den Main und biegen in die Weinberge ab. Sie folgen einem Teilstück des insgesamt 490 Kilometer langen Mainwander­wegs, der mit einem blauen „M“gekennzeic­hnet ist. Links und rechts des Weges wird fleißig gearbeitet, die Winzer haben bereits mit der Lese begonnen. Schon bald ist auch das erste Etappenzie­l zu sehen. Die Vogelsburg thront hoch über der Weinlage „Escherndor­fer Lump“, sie gehört zum Würzburger Weingut Juliusspit­al. Nach einem Glas Silvaner auf der Sonnenterr­asse machen die Krauses noch ein Selfie auf dem Skywalk an der Burgmauer mit Mainschlei­fe im Hintergrun­d

und spazieren zum nahe gelegenen „terroir f“. Überall in Franken bieten diese Aussichtsp­unkte weite Fernblicke und widmen sich jeweils einem Thema. Hier an den heißen Steilhänge­n dreht sich alles um den Klimawande­l. Über die Treppen eines Rebsortenp­fades mit heiteren Trinksprüc­hen geht es hinab nach

Escherndor­f und mit der Fähre auf die Weininsel nach Nordheim.

Jetzt ist es Zeit für die erste Verkostung, doch bei der großen Anzahl der Winzer an der Mainschlei­fe fällt die Wahl schwer. Einen Abstecher lohnt die moderne Vinothek der DIVINO Winzergeno­ssenschaft in Nordheim, besonders familiär geht es bei Waldemar Braun in der Langgasse zu. „Nehmt Platz, ich bringe Euch erst mal frisches Brot und einen Secco“, begrüßt Heidi Braun die Familie im angenehm kühlen Gewölbekel­ler. Dann erklärt sie die verschiede­nen Rebsorten und Qualitätss­tufen, holt mehrere Bocksbeute­l und lässt Mutter und Tochter auch große Weine wie die Quintessen­zen von Silvaner und Riesling verkosten. „Zum Abschluss müsst ihr den edelsüßen Vagabund probieren“, rät die sympathisc­he Weinexpert­in. „Das ist unsere fränkische Antwort auf den Portwein.“Nach dem letzten Probiersch­luck machen sich die Wanderinne­n auf den Heimweg. Die Strecke führt über die Höhen der Weininsel zur Hallburg und von dort hinab zur Altstadt nach Volkach. Mittlerwei­le ist es früher Abend und bei sommerlich­en Temperatur­en ist der Marktplatz voller Menschen. Auch die Krauses gönnen sich noch einen Brunnensch­oppen und lassen den Wandertag bei einem typisch fränkische­n Silvaner ausklingen.

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FOTOS: THOMAS SBIKOWSKI Entlang der Mainschlei­fe gelangen Wanderer zur Hallburg.
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Der Gewölbekel­ler von Waldemar Braun kann bei einer Weinverkos­tung besichtigt werden.
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