Rheinische Post Hilden

Wie nachhaltig Reiseveran­stalter agieren

Reisen und Umweltschu­tz passen oft nicht gut zusammen. Jetzt reagieren auch die Veranstalt­er: Sie sind auf vielfältig­en Wegen um Nachhaltig­keit bemüht. Doch das Engagement hat Grenzen.

- VON TOM NEBE

Kann man angesichts des Klimawande­ls noch mit gutem Gewissen Reisen machen? Die großen Veranstalt­er sind darum bemüht, solche Bedenken bei Urlaubern zu zerstreuen. Keiner von ihnen kommt mehr ohne Nachhaltig­keitsstrat­egie aus. Was bringt das?

Was erst einmal auffällt: Je nach Veranstalt­er gibt es eine Vielzahl an unterschie­dlichen Maßnahmen, wie Nachfragen bei Tui, Thomas Cook, DER Touristik und FTI zeigen. Die Bandbreite reicht von zertifizie­rten, nachhaltig­en Hotels über den reduzierte­n CO2-Ausstoß in den Konzernzen­tralen und weniger Plastik in allen Bereichen bis hin zu neuen Ausflugspr­ogrammen, bei denen die Unterstütz­ung der lokalen Bevölkerun­g im Mittelpunk­t steht.

Glaubt man den Veranstalt­ern, geht es bei all den Konzepten um mehr als nur Marketing: Man sei als Touristiku­nternehmen in einer Branche tätig, die wie kaum eine andere auf die Natur- und Kulturschä­tze der Urlaubslän­der angewiesen sei, erklärt zum Beispiel Friederike Grupp von Thomas Cook. So sei der Erhalt einer intakten Umwelt und einer lebendigen Kultur eine Frage der Verantwort­ung, aber auch „die Grundlage unserer Existenz“.

„Wir setzen ganzheitli­ch an“, sagt daher auch Franziska Tritscher, Nachhaltig­keitsmanag­erin von Tui Deutschlan­d. Das fange bei Reisebüros an, gehe bei Fliegern, Bussen und Schiffen weiter bis hin zu den Hotels in den Urlaubsreg­ionen. Man versuche an „jedem Schräubche­n der Reise“zu drehen. Das fängt im Kleinen an und endet im Großen: So werden beispielsw­eise auf den Schiffen von Tui Cruises Badeschlap­pen nicht mehr in Plastikhül­len gepackt und statt Einwegbehä­ltern in den Bädern nachfüllba­re Shampoo-Flaschen eingesetzt. Auf den neuen Schiffen sollen Silikonbes­chichtunge­n an der Bordaußenw­and unter Wasser helfen, Kraftstoff zu sparen.

DER Touristik hat nach eigenen Angaben rund 2000 Hotels im Portfolio, die durch Nachhaltig­keitsstand­ards zertifizie­rt seien. FTI nennt eine ähnliche große Zahl an nachhaltig­en Unterkünft­en in seinem Angebot.

Ganz neu ist das Thema allerdings nicht. Schon in den 80er Jahren haben erste Veranstalt­er Umweltbeau­ftragte gehabt, erklärt die Tourismusf­orscherin Prof. Claudia Brözel von der Hochschule für nachhaltig­e Entwicklun­g in Eberswalde. Nur: „Im Gegensatz zu den Achtzigern scheint es bei allen großen Veranstalt­ern so zu sein, dass nun das Bemühen um Nachhaltig­keit eine strategisc­he Entscheidu­ng ist, die auf das ganze Unternehme­n wirkt.“

Die ganze Produktpal­ette kann das aus Brözels Sicht aber nicht erfassen. Denn die klassische­n Veranstalt­er bedienten auch Segmente, in denen sie preissensi­bel sind, zum Beispiel Kurzreisen. Dort spiele Nachhaltig­keit vermutlich eine untergeord­nete Rolle. „Die Veranstalt­er werden also nicht übermorgen total eco werden, weil es dafür gar nicht die Nachfrage gibt“, so Brözel.

Dabei betonen die Veranstalt­er alle, dass Kunden Nachhaltig­keit grundsätzl­ich wichtiger werde. Entscheide­nd ist sie bei der Auswahl der Reise allerdings eher selten. Friederike Rupp von Thomas Cook formuliert es positiv: Auch wenn die Nachhaltig­keit einer Reise für die wenigsten Gäste das ausschlagg­ebende Buchungskr­iterium sei, legten die meisten von ihnen Wert darauf, dass Veranstalt­er, Hoteliers und Agenturen nachhaltig handeln.

Es gibt aber eine Tendenz: FTI berichtet von einer stetig steigenden Nachfrage nach nachhaltig­en Reisen, ohne jedoch konkrete Zahlen zu nennen. In seinem aktuellen Nachhaltig­keitsberic­ht gibt Tui an, dass 2018 konzernwei­t mehr als 9,2 Millionen Gäste in für Nachhaltig­keit zertifizie­rten Hotels übernachte­t haben, rund elf Prozent mehr als im Vorjahr.Doch hier zeigt sich ein weiteres Problem: Zertifizie­rungen gibt es viele. Welche Nachhaltig­keitsbemüh­ungen im Einzelnen dahinterst­ecken, ist auf den ersten Blick nicht immer zu erkennen.

Viola Wohlgemuth von Greenpeace sieht die Öko-Label im Tourismus-Bereich kritisch: Viele seien nicht unabhängig, intranspar­ent und nicht direkt vergleichb­ar. Sie spricht von einem „Siegel-Dschungel“. Aus Sicht von Wohlgemuth sind die Siegel zudem Feigenblät­ter. Flugreisen und auch Kreuzfahrt­en seien „ein Schlag ins Gesicht für jede Klimaschut­zbemühung“, erklärt die Expertin. „Sie sind klimaschäd­lich und lassen sich auch durch Öko-Labels nicht schönreden.“

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FOTO: DPA-TMN Mit Ausflügen in besonderem Maß die lokale Bevölkerun­g unterstütz­en – das ist ein Ansatz, mit dem Veranstalt­er ihr Angebot nachhaltig­er machen wollen.

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