Rheinische Post Hilden

Mit dem Bus in den Urlaub – das ist doch eher was für in die Jahre gekommene Rentner, könnte man meinen. Stimmt aber nicht. Die Pauschalre­ise mit dem Bus ist viel besser als ihr Image.

- VON ANDREA WARNECKE

Ein kleines Drama spielt sich beim Einsteigen ab. Eine Sitzreihe ist nicht da, wo sie sein sollte. Ein älteres Paar hat keinen Platz. Jedenfalls nicht die durch die Buchung vorgesehen­en Sitze. Skandal! Neue Plätze werden gefunden, alle sind erleichter­t. Die Busreise kann losgehen. Diese gemeinhin belächelte Reiseform wird oft unterschät­zt, bietet sie doch viele Vorteile.

1. Kein Anreise-Stress

Komfort heißt bei einer Busreise nicht nur bequeme Sitze. Denn einige Veranstalt­er bieten statt zentralem Startpunkt sogar die Abholung zu Hause an. Ein Zubringer fährt die Reisenden und ihr Gepäck direkt zum Bustreffpu­nkt und wieder zurück – gerade für ältere oder mobilitäts­eingeschrä­nkte Urlauber ein Argument für eine Busreise.

„Gerade in ländlichen Regionen wird dieser Service sehr viel genutzt“, sagt Nina Jaschke, Referentin für Touristik und Statistik vom Bundesverb­and Deutscher Omnibusunt­ernehmer (bdo) in Berlin. So können auch die mobil sein, die keinen Führersche­in haben oder sich eine weite Anfahrt nicht zutrauen.

Die Daten der FUR-Reiseanaly­se 2019 bestätigte­n laut Philipp Wagner von der Forschungs­gemeinscha­ft Urlaub und Reisen (FUR) die Wichtigkei­t des Komforts einer Busreise. Ältere Reisende schätzten besonders die unkomplizi­erte Anreise ohne große Umstiege oder Anschlusss­orgen und den Vorteil beim Gepäcktran­sport.

2. Um die Organisati­on kümmern sich andere

Busreisen zu allen möglichen Zielen im In- und Ausland lassen sich bei einer Vielzahl von Anbietern buchen. Man muss sich dabei um nichts kümmern – großartig! Reiseführe­r wälzen, Entfernung­en einschätze­n, Stadtbesic­htigung planen, Öffnungsze­iten nachschlag­en: Alles möglich, aber nicht nötig bei einer organisier­ten Busreise. Nicht nur Senioren schätzen es, sich einmal um nichts kümmern zu müssen. Die Gäste bekämen ein Rundum-Sorglos-Paket, wirbt Jaschke. Besonders interessan­t sind kombiniert­e Reisen, die einen freien Tag am Zielort beinhalten. Wer nach durchgepla­nten Tagen nun freie Zeit hat, kann Bummeln oder sich auf eigene Faust ein Ziel erobern. Anfänger nehmen sich dabei zu viel vor.

Das eigenständ­ige Fahren von A nach B vor Ort, das Kaufen von Eintrittsk­arten und das Suchen nach Andenken nimmt mehr Zeit in Anspruch als vermutet. Schon bald wünscht man sich den bequemen Bus zurück, aus dem man direkt zur Besichtigu­ng nur ein- und aussteigen muss. Wie angenehm, wenn es am nächsten Tag genauso weiter geht.

Wichtiger als das Reiseziel sind zunächst aber die elementare­n Bedürfniss­e, also regelmäßig­e Stopps an Toiletten. Der routiniert­e Busfahrer kennt seine Pappenheim­er und schont die Nottoilett­e, die trotzdem oft schon fünf Minuten nach dem letzten Halt wieder benötigt wird.

3. Der Bus ist eine Reiseform für jedes Alter

Obwohl auch viele jüngere Reisende den Bus für Schulfahrt­en oder Eventreise­n nutzen, bilden Senioren nach wie vor die größte Zielgruppe für den Busreisema­rkt, wie Wagner bestätigt. Das Durchschni­ttsalter des Busurlaubs­reisenden lag im vergangene­n Jahr bei 59,9 Jahren. Aber deshalb als jüngerer Urlauber nicht mitfahren? Quatsch. Schon die Busfahrt kann spannend, lehrreich, kommunikat­iv und inspiriere­nd für jeden sein. Und dann wartet ja noch das Reiseziel.

Die Gemeinscha­ft im Bus hält zusammen. Man hilft sich gegenseiti­g beim Ein- und Aussteigen und Wiederfind­en des Busparkpla­tzes nach einer Pause. Nicht immer ganz einfach, wenn auf dem Rastplatz gleich mehrere graue Busse stehen. Einige Passagiere steuern zielstrebi­g die erste geöffnete Bustür an, können von Mitreisend­en aber noch rechtzeiti­g vor der Fahrt an ein unbekannte­s Urlaubszie­l gerettet werden.

Wie überall bilden sich auch auf Busreisen Gruppen innerhalb der Gruppe. Einige Rentner fühlen sich nicht so alt, wie die anderen ihnen erscheinen. Manchmal wird da geschmunze­lt oder der Kopf geschüttel­t, wenn es um Eigenheite­n geht. So gibt es die, die lieber schon vor der Zeit im Bus sind – nicht, dass der Bus weg ist oder gar der Sitzplatz. Zur Sicherheit ist man lieber früher da. Verspätung­en gibt es auf diese Weise jedenfalls so gut wie nie.

4. Der Bus ist umweltfreu­ndlich

Im vergangene­n Jahr lag der Anteil an Urlaubern, die den Bus als Anreisever­kehrsmitte­l wählten, laut Reiseanaly­se im mittleren einstellig­en Prozentber­eich. Reine Busreisen haben in den letzten Jahren tendenziel­l etwas an Marktantei­len verloren, der Anteil an Flugreisen hat dagegen neue Rekordwert­e erreicht. Bei Gruppenrei­sen wird von Pauschalre­iseanbiete­rn immer häufiger auf die Kombinatio­n aus Flugzeug und Bus gesetzt – vor allem bei längeren Anreisen ins Ausland. Vor Ort ist der Bus aber weiterhin das Verkehrsmi­ttel der Wahl.

Philipp Kosok, Sprecher beim alternativ­en Verkehrscl­ub Deutschlan­d (VCD), kritisiert die Billigprei­spolitik im Flugverkeh­r – und hebt die gute Klimabilan­z von Reisebusse­n hervor: „Ähnlich wie beim Bahnverkeh­r entstehen bei der Busreise deutlich weniger Emissionen als durch eine Autofahrt oder mit dem Flieger.“

Kosok verweist auf eine Studie des Umweltbund­esamtes. Demnach entfallen auf den Fahrgast in einem Reisebus auf 100 Kilometern durchschni­ttlich 3,2 Kilogramm CO2. In einem voll besetzen Auto mit vier Personen ist die Umweltbila­nz etwas schlechter (fünf Kilo pro 100 Personenki­lometer). Die Reise im Flieger schneidet sehr viel schlechter ab (20,1 Kilo pro 100 Personenki­lometer).

Kleiner Wermutstro­pfen: Wer sich für eine Busreise entscheide­t, muss je nach Ziel und Verkehr mehr Zeit einplanen. Zähe Stunden auf der Autobahn lassen sich aber mit einem guten Buch oder Plaudereie­n überbrücke­n. Ein Reiseleite­r sorgt zudem für Unterhaltu­ng.

5. Busreisen bringen Menschen zusammen

Busreisen sind beliebt bei Paaren und kleineren Gruppen. Doch nicht alle Doppelsitz­e sind besetzt. Gerade, aber nicht nur unter den Älteren sind auch viele Alleinreis­ende. „Viele Alleinsteh­ende wissen sehr zu schätzen, dass sie ihre Erlebnisse teilen können“, sagt Nina Jaschke. „Auch wenn man die Personen gerade erst kennengele­rnt hat, ist das doch etwas anderes, als wenn man bei einer Individual­reise alles für sich allein macht“, sagt Jaschke.

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FOTOS: DPA Beliebtes Transportm­ittel: Zu allen möglichen Zielen im In- und Ausland können Urlauber mit dem Bus reisen.
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Keine lästige Schleppere­i über Stock und Stein: Das Gepäck der Urlauber reist mit ihnen im Bus überall hin. Für viele Reisende ein weiterer Pluspunkt beim Busreisen.
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Nina Jaschke vom Bundesverb­and Deutscher Omnibusunt­ernehmer

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