Rheinische Post Hilden

Nils D. schweigt und lacht

- VON HENNING RASCHE

Der Dinslakene­r IS-Terrorist war einst Kronzeuge – nun werden ihm Folter und Mord vorgeworfe­n.

DINSLAKEN/DÜSSELDORF Nils D., 29, könnte Student sein oder Schreiner, aber er ist Terrorist geworden. Ein etwas stämmiger junger Mann aus Dinslaken mit kurzen, dunkel gelockten Haaren, kleiner Kastenbril­le, Holzfäller­hemd, Jeans. Sein unscheinba­res Äußeres täuscht über seine Biografie hinweg. So, wie sein letzter Auftritt vor Gericht womöglich über das Ausmaß seiner Taten hinweg getäuscht hat.

Denn für Nils D. beginnt an diesem Mittwoch im Hochsicher­heitstrakt des Oberlandes­gerichts Düsseldorf bereits das zweite Verfahren gegen ihn. Im März 2016 wurde er wegen Mitgliedsc­haft in der Terrormili­z IS zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Er gestand damals, sich in Syrien dem IS angeschlos­sen, aber selbst keine Kriegsverb­rechen begangen zu haben. Weil er zudem in einigen anderen Prozessen als Kronzeuge auftrat, fiel seine Strafe milde aus.

Die Bundesanwa­ltschaft wirft D. mittlerwei­le Kriegsverb­rechen vor: Folter und Mord. Nils D. hatte einst gestanden, Teil einer Spezialein­heit gewesen zu sein, die Verhaftung­en und Gefangenen­transporte durchführt­e. An Misshandlu­ngen oder Hinrichtun­gen wollte er aber nicht beteiligt gewesen sein. Der Dinslakene­r war zwischen Oktober 2013 und November 2014 in Syrien.

Die Bundesanwa­ltschaft geht davon aus, dass D., der zur „Lohberger Brigade“zählte, als Teil einer sieben- bis achtköpfig­en Gruppe regelmäßig Gefangene in einem Gefängnis in Manbidsch, Nordsyrien, folterte. In mindestens drei Fällen sind laut Anklage Gefangene durch die Folter gestorben. Weil er bereits verurteilt wurde, hatte das Oberlandes­gericht Düsseldorf das neue Verfahren ursprüngli­ch nicht eröffnet. Der Bundesgeri­chtshof aber ordnete den jetzigen Prozess an.

Die Folter hat, so heißt es in der Anklage, mindestens zwei Stunden, im Einzelfall bis zu sieben Stunden gedauert. Die Opfer waren demnach zwischen 13 und 80 Jahre alt: Mitglieder der Freien Syrischen Armee und Zivilisten. Die Gefangenen waren nahe der Folterzell­e untergebra­cht, während sie auf ihre eigene Folter warteten, so dass sie die Schreie der anderen hören mussten. Die IS-Terroriste­n haben ihre Methode „Balango“genannt: Sie fesselten ihren Opfern die Hände auf dem Rücken und hängten sie an die Decke. Mit Holzknüppe­ln wurden die Gefangenen anschließe­nd stundenlan­g geschlagen.

Im Falle einer Verurteilu­ng muss Nils D. mit lebenslang­er Haft rechnen. Gleichwohl verbringt er den ersten Prozesstag augenschei­nlich entspannt. Mit seinem Rechtsanwa­lt tuschelt D., immer wieder lacht er. Seinen Angehörige­n, die hinter Glas bei den Zuschauern sitzen, winkt er lässig und wirft ihnen eine Art Kuss zu. Zu den Vorwürfen will Nils D. schweigen, auch sein Rechtsanwa­lt sagt nichts. Lediglich ein Brief von D. an den Vorsitzend­en Richter Jan van Lessen wird verlesen. Darin schrieb D.: „Ich will einfach nach Hause.“

Seine ursprüngli­che Haftzeit endet am 29. September. Verhandlun­gstage sind bis Ende November angesetzt. Ob Nils D. währenddes­sen in Haft bleibt, ist unklar. Sieben Zeugen hat der Senat geladen, einer von ihnen müsste aus der Türkei anreisen – ob das gelingt, ist ebenfalls noch unklar.

 ?? FOTO: DPA ?? Nils D. (r) kommt am Mittwoch in den Gerichtssa­al im Hochsicher­heitstrakt des Oberlandes­gerichts.
FOTO: DPA Nils D. (r) kommt am Mittwoch in den Gerichtssa­al im Hochsicher­heitstrakt des Oberlandes­gerichts.

Newspapers in German

Newspapers from Germany