Werden zu wollen als die Grünen“
te auf den Straßen wollen am liebsten so schnell wie möglich aus der Kohle raus.
Markus Söder auch.
LASCHET Er sagt 2030 – aber auf der Straße wollen viele ja sogar noch früher raus. Und im Osten gewinnt eine Partei ganze Regionen mit dem Argument, es gäbe gar keinen Klimawandel. Schon die Existenz des Problems wird unterschiedlich beantwortet.
SCHRÖDER Das ist nicht nur im deutschen Osten so, das soll es auch in Amerika geben.
LASCHET Wir wollen die Klimaziele aus Paris erreichen. Aber wir haben auch die Sorgen der Menschen um Industriearbeitsplätze und bezahlbaren Strom im Blick.
Diese Politik, für die Sie stehen, scheint nicht mehrheitsfähig. Die Groko verliert, die Ränder erstarken.
LASCHET Das sehe ich anders. Die meisten Menschen denken so. Sie wollen Industriejobs behalten und trotzdem die Klimaschutzziele erreichen. Die Unzufriedenheit mit der großen Koalition speist sich aus vielen Gründen und hat sich festgesetzt. Viele wollen etwas Neues. Und die Jamaika-Koalition wäre so etwas gewesen. Die Grünen wären halb so stark wie heute, weil sie in der Regierungsverantwortung auch Kompromisse hätten eingehen müssen.
Klein machen durch Umarmungstaktik? LASCHET In Verantwortung zu sein ist schwerer, als Talkshows mit smarten Wohlfühlworten zu bespielen.
Herr Schröder, war diese große Koalition eine zu viel für die SPD?
SCHRÖDER Nach der Wahl 2017 sind die Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition merkwürdigerweise an der FDP gescheitert, die immer Regierungspartei sein wollte und ja im Grunde damit auch ihre Existenzberechtigung aufrechterhalten hat. Bundespräsident Steinmeier hatte damals keine andere Möglichkeit, als der SPD ins Gewissen zu reden. Der Eintritt in diese große Koalition war ein Akt staatspolitischer Verantwortung. Ob es dann innerhalb dieser Koalition so viele Reibungsverluste geben muss, ist eine andere Frage. Von der Regierung wird ja erwartet, dass sie funktioniert. Die Ergebnisse sind nicht so schlecht, aber der öffentliche Umgang miteinander hat viele abgeschreckt. Die öffentliche Wahrnehmung ist ebenfalls dürftig, das liegt natürlich auch an den Medien.
Natürlich.
LASCHET Unbedingt – Achtung, Ironie!
Wenn es diese polarisierte Gesellschaft bei Fragen wie Klima und Migration gibt, die von großen Parteien gelöst werden könnten, bleibt als Erklärung ein Führungsproblem in Union und SPD. In der einen Partei schwächelt die Vorsitzende, die andere hat keine Führung. LASCHET Das ist Ihre Formulierung. SCHRÖDER Das muss er ja jetzt bestreiten. LASCHET Es schwächelt niemand.
Warum gucken Sie so abwesend aus dem Fenster?
LASCHET Ich habe die Staatskanzlei da unten gesehen. Da funktioniert es. (lacht) Im Ernst: Ich glaube, dass ein umfassendes Klimaschutzpaket die Handlungsfähigkeit der Koalition wieder demonstrieren kann. Diese Koalition kann auf eine Kernfrage, die das Land diskutiert, eine überzeugende Antwort geben. Und dieses Ergebnis dann auch zusammen vertreten und nicht gleich griesgrämig alles wieder kleinreden.
Die SPD will die CO2-Steuer. LASCHET Das Ziel muss doch sein, CO2 zu reduzieren. Über das Mittel muss man diskutieren können. Was soll die CO2-Steuer sein? Wenn wir die Mineralölsteuer erhöhen, zahlt der Reiche einfach mehr und der Pendler mit kleinerem Einkommen ist der Gekniffene. Wenn wir dann die Pendlerpauschale erhöhen, hat die Maßnahme keine Steuerungswirkung mehr. Am Ende gibt es nur mehr Geld beim Staat. Aus meiner Sicht kann nur ein Zertifikatesystem, bei dem ein CO2-Wert festgesetzt wird, der durch eine Bepreisung marktwirtschaftlich Maßnahmen zur CO-2-Reduktion anstößt, echte Wirkungen erzielen.
Herr Schröder, wäre damals nicht eine ökologische Steuerreform mit echter Lenkungswirkung besser gewesen, als die Rentenkasse aufzufüllen?
SCHRÖDER Die Stabilisierung der Rentenkasse war wichtig. Aber die Reform hat auch eine ökologische Lenkungswirkung erzielt, nur nicht ausreichend. Eine große, nachhaltige Steuerreform wäre heute sicher richtig. Eine CO2-Steuer einfach zusätzlich einzuführen, würde aber gerade diejenigen mit kleinen und mittleren Einkommen überfordern, die oft auf ihr Auto angewiesen sind. Das kann eine Gesellschaft zerreißen.
Umfragen zufolge scheinen die Grünen längst Koch und die SPD Kellner, oder? SCHRÖDER Sie spielen auf eine Bemerkung an, die ich 1998 im Wahlkampf gemacht habe, um Teilen der Bevölkerung die Ängste vor einer rot-grünen Regierung zu nehmen. Manche verbanden Rot-Grün mit dem Ende der sozialen Marktwirtschaft. Inzwischen sind alle der Meinung, man kann mit den Grünen regieren. Vor allem die CDU will das ja. Insofern haben sich die Grünen in die Küche vorgearbeitet.
Lösen die Grünen die SPD als linke Volkspartei ab?
SCHRÖDER Das glaube ich nicht, das wäre auch nicht vernünftig für die Stabilität dieser Republik. Wenn die Grünen erst mal regieren, entzaubern sie sich. Das war schon immer so. Sie müssen ja dann auch liefern.
Herr Laschet, haben Sie Ihren Aufstieg Bundeskanzler Schröder zu verdanken? LASCHET Nein, wieso?
Weil die Kritik an seiner Agenda 2010 dazu führte, dass die CDU die Landtagswahl 2005 in NRW gewann und Sie Minister werden konnten.
LASCHET Es gab damals ein Wechselgefühl im Land nach 39 Jahren SPD-Regierung. Dies ist verstärkt worden durch einen bundespolitischen Trend. Insofern haben Sie, Herr Bundeskanzler, ein bisschen daran mitgewirkt.
SCHRÖDER Unfreiwillig.
Herr Bundeskanzler, Sie haben nach der verlorenen Wahl den Bundestag aufgelöst und vorgezogene Neuwahlen initiiert. Kann man in Deutschland nur mit NRW Kanzler werden oder bleiben? SCHRÖDER Das ist etwas übertrieben. Aber das größte Bundesland hat auch in der Bundespolitik immer eine bestimmte Bedeutung. Ich glaube nicht, dass die Agenda 2010 die Hauptursache für die Niederlage war, sondern die Tatsache, dass sich Teile der SPD von ihrer eigenen Regierungspolitik distanzieren. Wer sich selbst nicht vertraut, dem vertraut man nicht. Wenn wir zusammen mit den Gewerkschaften gestanden hätten, dann hätten wir auch die Früchte der Reformen einfahren können. Und die positiven Konsequenzen werden ja heute nicht bestritten. Man muss aber zu dem stehen, was man macht. Die SPD wäre heute in einer ganz anderen Position.
Haben Sie die Entscheidung 2005 bereut? SCHRÖDER Nein, überhaupt nicht. Man muss sich fragen, was ist politische Führung? Das heißt, man kämpft darum, sein Programm in der Regierung umzusetzen. Politische Führung bedeutet aber auch, in einer Frage von nationaler Bedeutung, wie es der Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit 2003 war, gegen Teile der eigenen Partei oder der Bevölkerung Überzeugungen durchzusetzen. Und damit notfalls das Risiko einzugehen, Wahlen zu verlieren.
Wir erleben in der SPD viele Absagen von Ministern und Ministerpräsidenten, die nicht als Vorsitzende antreten wollen. Sie haben am Zaun des Kanzleramts gerüttelt. Fassen Sie sich da nicht an den Kopf?
SCHRÖDER Ich will zu den Kandidaten nichts sagen. Ich habe ja selbst als Kanzler darunter gelitten, dass die Altvorderen mir öffentliche Ratschläge gegeben haben. Aber generell kann ich sagen: Diese langwierige Form von Führungsfindung liegt mir nicht.
Der Zwang zur Doppelspitze ist nicht Ihre Welt, oder?
SCHRÖDER Ich glaube, da wird der Versuch gemacht, etwas zu kopieren, was andere Parteien schon nicht immer als Erfolg erlebt haben. Man muss sich auf seine eigenen Stärken besinnen. Wie sehr muss man ein Amt wollen, um es zu bekommen, Herr Laschet? LASCHET Gute Frage. Ich glaube, wenn man in einen Wahlkampf geht oder wie hier in NRW aus der Opposition heraus in die Regierung will, muss man das unbedingt wollen. Dann muss man eine Idee entwickeln, sich treu bleiben und bis zuletzt kämpfen. Auch wenn es zwischenzeitlich schwierig wird. Die Menschen honorieren Politiker, die es ernst meinen und überzeugt sind.
Sie haben innerparteiliche Niederlagen überstanden. Sind sie nun abgehärteter? LASCHET Diese Erfahrungen stärken. Wer als Politiker keine Niederlagen erlebt, verglüht auch schnell. Im März 2017 lag die SPD bei 40 Prozent und wir bei 26. Und dann gab es viele Ratschläge, was ich jetzt tun sollte und welches Thema wir hochziehen sollten. Wir sind konsequent bei den drei Themenschwerpunkten Innere Sicherheit, Bildung und wirtschaftliche Stärke geblieben. Und am Ende war es erfolgreich.
Herr Bundeskanzler, gibt es ein Rezept in der Politik, wie man nach oben kommt? Sich treu bleiben?
SCHRÖDER Ja, natürlich. Helmut Kohl ist da ein gutes Beispiel, wie unerschütterlich er bis zuletzt die deutsche Einheit organisiert hat und dies vor allem deshalb umsetzen konnte, weil er Vertrauen in Frankreich, USA und Russland genossen hat. Was die Frage der Unbedingtheit angeht, kann ich nur zustimmen. Warum sollen Menschen jemanden als Regierungschef wählen, dem man anmerkt, dass er oder sie es gar nicht will?
Herr Laschet, wollen Sie unbedingt Kanzlerkandidat werden?
LASCHET Ich bin sehr gerne Ministerpräsident von NRW, da gibt es noch viel zu tun, und über die Kanzlerschaft werden wir entscheiden, wenn der Zeitpunkt da ist.
Die Frage ist also offen?
LASCHET Das ist eine Binsenweisheit. Die Parteivorsitzende wird diesen Prozess führen und es ist verabredet, dass wir uns rechtzeitig vor der Wahl 2021 über einen Kandidaten oder eine Kandidatin verständigen.
Und ein NRW-Ministerpräsident ist qua Amt immer im Spiel.
LASCHET Sagte einst Johannes Rau.
Hat er nicht recht?
SCHRÖDER Na klar hat er das. Es gibt in der CDU eine Debatte, ob die Vorsitzende geeignet ist. Das will ich nicht beurteilen. Mein Einfluss in der CDU ist ja begrenzt. Aber dass Armin Laschet hier als Ministerpräsident einen guten Job macht, ist offensichtlich, und natürlich ist der nordrhein-westfälische Regierungschef immer ein potentieller Kanzlerkandidat. Ich würde ein gutes Abendessen in diesem schönen Restaurant darauf verwetten, dass die CDU am Ende auf ihn zukommen wird.
Nur ein Abendessen, mehr nicht? SCHRÖDER Mehr kann ich mir nicht leisten, ich habe ja eine begrenzte Pension...
Man hört, Sie haben ganz lukrative Aufsichtsratsmandate.
SCHRÖDER Gut, dann ist noch eine Flasche Wein drin.
LASCHET Gerhard Schröder hat in einem auf jeden Fall recht: Sein Einfluss auf Entscheidungen von CDU und CSU zur Kanzlerkandidatur ist extrem begrenzt.
Herr Schröder: Braucht die SPD noch einen Kanzlerkandidaten?
SCHRÖDER Natürlich, sie darf den Anspruch nicht aufgeben, den Regierungschef in Deutschland wieder zu stellen. Ich bin guter Hoffnung, dass dieser etwas schwierige Findungsprozess irgendwann abgeschlossen ist und dann auch wieder eine stärkere SPD sichtbar wird.
Gehen Sie zu einer Regionalkonferenz – nach Hannover oder so ....
SCHRÖDER Nein. Am Ende wählen sie mich noch zum Vorsitzenden. (lacht)