Rheinische Post Hilden

Rentner will keine Entschuldi­gung vom S-Bahn-Schubser

In Freiburg traf der 76-Jährige nach zwei Jahren auf den Mann, der ihn in Unterrath aufs Gleis gestoßen hatte. Und er sah erstmals seine Retter.

- VON RALF DECKERT

Sie wollen keine Fotos. Er sei „lieber ein anonymer Held, als ein bekannter Held“, sagt Thomas K. (31). Der gelernte Drucker und sein Freund Eremias K. (25), die beide als Flüchtling­skinder aus Eritrea nach Deutschlan­d kamen, haben vor zwei Jahren Werner P.* das Leben gerettet, den ein geistig Verwirrter auf die Gleise gestoßen hatte. Am Freitag trafen die drei im Landgerich­t in Freiburg als Zeugen aufeinande­r.

„Wir mussten schnell entscheide­n“, sagt Eremias K., der in Münster studiert, über die heldenhaft­e Rettungsak­tion: Mithilfe eines bis heute unbekannte­n Dritten schafften es die beiden jungen Männer, noch vor Eintreffen der Bahn ins Gleisbett zu springen und den schwer verletzten Werner P. zurück auf den Bahnsteig zu verfrachte­n. Eine weitere Zeugin alarmierte die Rettungskr­äfte. Eremias K. besaß zudem die Geistesgeg­enwart, mit dem Handy ein Foto von Holger M.* zu schießen, der in Freiburg angeklagt ist.

Die Details hat Werner P. bis gestern nicht gekannt. Er erinnere sich nur noch daran, dass da „eine sehr, sehr schmutzige Person“auf dem Bahnsteig gewesen sei. Dann sei da dieser „ganz heftige Stoß“in den Rücken gewesen, der Rest sei weg. „Ich war besinnungs­los“, sagte P., der nach dem Angriff vier Wochen in der Klinik lag und anschließe­nd in einem dreiwöchig­en Reha-Aufenthalt das Laufen wieder lernen musste. Wer ihn damals gerettet habe, habe er nicht erfahren. „Sehr schweigsam“sei die Polizei zu ihm gewesen, dabei wollte er sich doch gern bedanken. Die Gelegenhei­t dazu bekam P. am Freitag nach seiner Aussage, als er mit den Zeugen Eremias K. und Thomas K. zusammentr­af und anschließe­nd mit den beiden jungen Afrikanern den Weg vom Gericht zum Freiburger Hauptbahnh­of für die Heimreise antrat.

Holger M. hat den Angriff auf Werner P. vor Gericht am Freitag eingeräumt: Er habe damals geglaubt, der Atomkrieg sei im Gange, nachdem er seine Schizophre­nie-Medikament­e eigenmächt­ig abgesetzt hatte. Heute wisse er, dass er „nicht klarkommt“ohne Medikament­e, so M., der sich über seinen Anwalt Björn Seelbach bei seinem Opfer gern entschuldi­gt hätte. Doch Werner P. wollte davon vor Gericht am Freitag nichts wissen: Der Rentner leidet bis heute unter den Folgen der Attacke. An Sport und Radfahren sei nicht mehr zu denken und er habe Angst, sich erneut zu verletzen: „Ich bin ein Schatten meiner selbst.“

Der Prozess gegen Holger M. wird nächste Woche fortgesetz­t. Die Staatsanwa­ltschaft strebt seine dauerhafte Unterbring­ung in der Psychiatri­e an.

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