Rheinische Post Hilden

Wie beleidigen­d ist „Schwein“?

Ein Frührentne­r forderte zu deutlich Händewasch­en nach dem Toiletteng­ang.

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(wuk) Sich über ungewasche­ne Hände eines Toilettenb­esuchers zu ärgern, sollte einen 48-jährigen Frührentne­r 1350 Euro Strafe kosten. In den Bilker Arkaden hatte er Ende 2018 gesehen, dass ein Fremder die Toilette verließ, ohne sich zu reinigen. „Wasch’ dir mal die Finger, du Schwein“, habe er dem Mann geraten. Das nahm der ertappte Hygienesün­der persönlich, packte den 48-Jährigen am Hals, drückte ihn an eine Wand, zeigte ihn hinterher noch wegen Beleidigun­g an. Da der Angeklagte die dafür verhängte Strafe von seiner 200-Euro-Rente aber nicht zahlen konnte, legte er Einspruch ein, zog vors Amtsgerich­t.

Dort fand er einen hygienebew­ussten Richter. Der hielt die Beleidigun­g als „Schwein“nicht für ein schweres Delikt, sondern vielmehr für einen „spontanen“Versuch des Angeklagte­n, den Toilettenb­esucher „zu einer gewünschte­n Handlung zu drängen“. Denn eigentlich verstoße es ja nun „gegen den normalen Anstand“, die Toilette nach der Benutzung ungewasche­n zu verlassen. Der Angeklagte hatte auch betont, er habe einst als Putzmann gearbeitet und oft gesehen, dass Leute auf das Händewasch­en verzichten – „und dann packen die hinterher alles Mögliche an“. Und doch war seine Anzeige gegen den Hygienemuf­fel wegen Körperverl­etzung eingestell­t worden. Das lag laut dem Richter daran, dass der Kontrahent den Griff an den Hals leugnete und nicht vorbestraf­t war. Dagegen hatte der Angeklagte wegen Drogendeli­kten einst 22 Einträge im Strafregis­ter angehäuft. Nun kam wegen Beleidung die 23.Strafe dazu.

Doch die fiel nur symbolisch aus, denn der Richter senkte sie von 1350 Euro auf jetzt 100 Euro. Die Beleidigun­g als „Schwein“liege ja „im untersten Bereich“– und in der konkreten Toilettens­ituation fand er diese Reaktion des Angeklagte­n sogar „in gewisser Weise nachvollzi­ehbar“.

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