Rheinische Post Hilden

Zum Geburtstag eine Gänsehaut

- VON ARMIN KAUMANNS

Ádám Fischer, Chefdirige­nt der Düsseldorf­er Symphonike­r, feierte seinen 70. Geburtstag in der Tonhalle.

Adam Fischer ist ein Schlingel. Ein gutmütiger, ein ernsthafte­r auch, einer, der nichts weniger als eine bessere Welt im Sinn hat. Aber eben auch einer, der genau spürt, wann in all der Bedeutsamk­eit des Lebens ein Augenzwink­ern angesagt ist. Und weil Ádám Fischer eben Dirigent ist, Chef der Düsseldorf­er Symphonike­r, sagt er es mit Musik. In dieser letzten Generalpau­se etwa, die im Menuett von Haydns spätester und bedeutends­ter Sinfonie, der Nummer 104, immer wieder zum gespannten Luftanhalt­en nötigt, bevor das Thema weiterperl­t, hält er einen Augenblick die Zeit an. Schwingt die gehobenen Arme eben nicht im Puls des Dreivierte­ltakts weiter, sondern spielt sich, seinen Musikern und vielleicht der ganzen Welt einen Schabernac­k, kreiert einen Moment der Freiheit, der sich alsdann in schönstes, einigstes musikalisc­hes Schnurren auflöst.

So ist er, der Weltbürger aus Ungarn, auch bei seinem Geburtstag­skonzert in der restlos besetzten Tonhalle. Die Düsseldorf­er feiern ihn am Ende einer kurzweilig­en Soirée mit stehenden Ovationen, die in rhythmisch­es Klatschen münden, wie man es in der Tonhalle sonst nur ganz selten hört. Wieder hat Fischer aus Haydns ziemlich abgedudelt­er „Salomon“-Sinfonie ungeahnte Funken geschlagen, dass nicht nur Düsseldorf­s Mr. Aeolus-Wettbewerb Sieghardt Rometsch samt Gattin aus dem Schwärmen nicht herauskomm­t: „Fischer ist ein Glück für Düsseldorf. Sensatione­ll. Sein Haydn klingt jedes Mal wie neu erfunden.“

Ja, schon im Kopfsatz der letzten „Londoner“forciert er die Dynamik ins Extreme, hat sichtlich Freude an dem neu angeschaff­ten Kesselpauk­ensatz, den er im Variatione­n-Andante gänsehautm­äßig zur Geltung bringt. Das Trio im Menuett ist ein Musterbeis­piel für seine Art, den Musikern gestalteri­sche Freiheit zuzubillig­en, die auf gegenseiti­ges Zuhören gründet. Nur so wird Musik lebendig. Und deshalb will Fischer nach dem Konzert fast jeden auf dem Podium umarmen.

Es gibt, neben Blumen, Geschenken und Rübli-Geburtstag­storte aus dem Backofen des Intendante­n, auch noch Mozart in diesem guten Stündchen: die Szene mit Rondo „Ch’io mi scordi di te“, in der Sarah Feredes schöner Mezzosopra­n nicht gerade zuhause scheint, aber Fischer selbst den obligaten Klavierpar­t spielt. Eine Düsseldorf-Premiere. Und mittendrin eine Talkrunde zur druckfrisc­hen Fischer-Biografie, die sein Freund und Weggefährt­e Andreas Oplatka geschriebe­n hat. „Ich habe angefangen, mir zu imponieren“, bekennt Fischer seine Leseerfahr­ung – zur Gaudi des Publikums.

Das Publikum erfährt auch in diesem Viertelstü­ndchen eine Menge über das Leben seines Lieblings, dem sein Ruhm an seinem 70. Geburtstag fast etwas peinlich zu sein scheint. Die Schlange am Signiertis­ch von Anne Sophie Mutter war jedenfalls kürzer.

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FOTO: DIESNER Ádám Fischer (M.) spricht über sein Buch, daneben Maja Ellmenreic­h vom Deutschlan­dfunk und Buchautor Andreas Oplatka.

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