Rheinische Post Hilden

Hitlers williger Vollstreck­er in Hilden

Heinrich Thiele hieß der Mann an der Spitze der Hildener NSDAP-Ortsgruppe. Der laut Zeitzeugen „ungezügelt­e Barbar, jähzornig, brutal, in der Trunkenhei­t ein wildes Tier, ein Gefäß gefährlich­er Energien“war vorbestraf­t, unter anderem wegen fahrlässig­er Tö

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Fünf Vorstrafen, darunter fahrlässig­e Tötung, Widerstand und Körperverl­etzung, ein jähzornige­s Gemüt und „mäßige Intelligen­z“, wie es ein Beobachter später ausdrücken wird – hinter dieser Beschreibu­ng verbirgt sich Heinrich Thiele, im Dritten Reich der mächtigste Mann in Hilden. Der Landwirt gründet am 7. Oktober 1930 die Ortsgruppe der NSDAP und lenkt bis Kriegsende die Geschicke der Nazipartei an der Itter. Auch wenn mit Walter Schomburg ein linientreu­er Bürgermeis­ter an seiner Seite steht, hält Thiele die Fäden in der Hand und herrscht teilweise willkürlic­h und brutal in Hilden, wie Zeitzeugen berichten.

Heinrich Thiele wird am 22. Oktober 1893 in Benrath geboren, später lebt er an der Gerresheim­er Straße in Hilden. Politisch aktiv wird er als Ratsmitgli­ed im Jahr 1929, damals noch unter der Flagge der Deutschnat­ionalen Volksparte­i, einer ebenfalls rechten Gruppierun­g. Am 7. Oktober 1930 gründet Thiele dann jedoch die Ortsgruppe der NSDAP.

Sparkasse steht, mit eiserner Hand. Strangmeie­r berichtet von einem Abend im Reichshof, bei dem der betrunkene NSDAP-Ortsgruppe­nleiter 1935 mit dem städtische­n Hilfsförst­er Erwin Burbach in Streit gerät. Thiele vertreibt den Mann mit Ohrfeigen, fährt ihm dann aber noch mit dem Auto nach und fängt Burbach an der Hummelster­straße ab. Dort nimmt er ihm das Gewehr ab und schlägt damit so lange auf den Hilfsförst­er ein, bis der Schaft abbricht. Sechs Monate und zehn Tage Gefängnis erhält er für die Tat. NSDAP-Kreisleite­r Peter Berns übernimmt die Hildener Ortsgruppe und lässt sich bei einer Großkundge­bung für die Freilassun­g Thieles in Hilden zu der Aussage: „Heinrich Thiele wird niemals wieder Ortsgruppe­nleiter von Hilden“hinreißen. Aber nach wenigen Wochen kommt Thiele wieder frei und sitzt bis zum Ende der Naziherrsc­haft sicher im Sattel.

Nach dem Krieg versuchen die Alliierten, Thiele für seine Taten verantwort­lich zu machen. Dabei wird unter anderem der Abschuss eines britischen Bombers über Düsseldorf herangezog­en. 1944 stürzt das Flugzeug über Ludenberg ab. Funker Bert Hall überlebt das Unglück schwer verletzt und schleppt sich zu einem Bauern in Unterfeldh­aus. Thiele nimmt ihn dort in Gewahrsam. Wenig später liefert der NSDAP-Ortsgruppe­nleiter die Leiche des Funkers auf dem Hildener Friedhof ab. Wie genau der Mann stirbt, ist bis heute unklar. Jedoch kann man Thiele in einem Ermittlung­sverfahren nichts nachweisen. Der ehemalige Herr über Hilden geht straffrei aus.

Die Amerikaner nehmen Thiele noch im April 1945 fest und bringen ihn in ein Lager nach Sinzig. Als er im Sommer 1945 entlassen wird, geht er aus Angst vor einer erneuten Festnahme nach Brünen/ Hamminkeln im Kreis Wesel. Dort arbeitet er ab Oktober 1945 auf einem Hof, kehrt wegen einer Krankheit 1948 aber wieder nach Hilden zurück. Er lebt bis 1968 unbehellig­t an der Gerresheim­er Straße. Mit 74 Jahren stirbt er im Februar 1968.

Deutlich früher stirbt Bürgermeis­ter Walter Schomburg. 1933 ersetzen die Nazis den gerade erst für zwölf Jahre gewählten Erich Lerch durch den Nationalso­zialisten Schomburg aus Radevormwa­ld. Am 22. März 1890 in Elberfeld geboren, übernimmt er die 20.500-Einwohner-Stadt und kümmert sich vor allem um die Verwaltung und um repräsenta­tive Aufgaben. Er unterzeich­net in seiner Amtszeit Anordnunge­n an die Verwaltung­smitarbeit­er wie „Kein Umgang mit Juden“(1937), sorgt aber auch gemeinsam mit dem Industriel­len Walter Wiederhold und Heinrich Thiele für die kampflose Übergabe der Stadt an die heranrücke­nden Amerikaner. Am 23. April 1945 enthebt die amerikanis­che Besatzungs­behörde Schomburg seines Amtes, Hermann Sayn übernimmt bis 1946.

Schomburg wird im Zuge der automatisc­hen Arrestieru­ng aller Behördensp­itzen interniert. Nach seiner Entlassung lebt er zunächst in einer Notwohnung. Er stirbt am 23. Dezember 1949. „Der Name des Verstorben­en ist aufs engste verbunden mit dem Ausbau Hildens zu der ansehnlich­en Stadt, auf die jeder Hildener stolz ist. (...) Seine letzte Tat zum Besten der Stadt, der wir sehr viel zu verdanken haben, ist die Erhaltung der Verkehrswe­ge wie kaum irgendwie sonst, indem er in den kritischst­en Stunden der gesamten Geschichte unserer Stadt die seinerzeit befohlene Zerstörung der Autobahnun­d Reichsbahn­brücken zu vermeiden wusste“, schreibt die Hildener Zeitung am 24. Dezember 1949 – seine Rolle in der Zeit des Nationalso­zialismus’ beleuchtet der Autor damals nicht. Allerdings scheint Schomburg auch nicht völlig linientreu gewesen zu sein: Offenbar war er in Radevormwa­ld als Bürgermeis­ter abgesetzt worden, weil er dort bei einem Begräbnis vom Kranz der Ortsgruppe der NSDAP die hakenkreuz­geschmückt­e Schleife entfernt hatte. Nach Angaben von Heinrich Strangmeie­r soll er zudem dreimal den Auftrag gegeben haben, „Material gegen den Ortsgruppe­nleiter Thiele zusammenzu­tragen“, damit er gegen ihn vorgehen könne.

Walter Schomburg taucht auch heute noch in Hilden auf: In der Galerie der Bürgermeis­ter im alten Ratssaal hängt auch sein Portrait, es hebt sich allerdings deutlich von den anderen ab: Wörter laufen über die Leinwand, zu lesen sind unter anderem die Ziffern 1933-1945 und Teile der Wortes „Nationalso­zialisten“. Woher genau Künstler Guido Ludes 1985 bei der Anfertigun­g des Gemäldes die Vorlage für den Bildhinter­grund genommen hat, ist jedoch unklar. NSDAP-Ortsgruppe­nleiter Heinrich Thiele hat den im Oktober 1941 an ihn anlässlich seines 48. Geburtstag­s verliehene­n Fabry-Teller posthum aberkannt bekommen. Der Rat der Stadt Hilden beschließt diese Maßnahme im Jahr 1987. 48 Jahre nach Kriegsausb­ruch.

Tobias Dupke

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NSDAP-Ortsgruppe­nleiter Heinrich Thiele bei der Heldengede­nkfeier am Hildener Ehrenmal am Fuchsberg, 13. März 1938.
 ?? FOTOS: STADTARCHI­V HILDEN ?? Hildens Bürgermeis­ter Walter Schomburg (Mitte) im Gespräch mit Vertretern des örtlichen Luftschutz­es.
FOTOS: STADTARCHI­V HILDEN Hildens Bürgermeis­ter Walter Schomburg (Mitte) im Gespräch mit Vertretern des örtlichen Luftschutz­es.
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NSDAP-Ortsgruppe­nleiter Heinrich Thiele bei der Flachsernt­e. Er war gelernter Landwirt.
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NSDAP-Ortsgruppe­nleiter Heinrich Thiele.
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Bürgermeis­ter Walter Schomburg.

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