Feiern ohne Promotion
Ich sitze an der bronzenen Heine-Statue und trinke Kaffee, als mich ein groß gewachsener Kerl aus meinen Gedanken schrecken lässt. „Alle, die keinen Doktortitel haben, stehen jetzt auf und gehen“, schallt es herüber, während er sich zu seiner Gefolgschaft umdreht und den ein oder anderen Lacher erhascht. Eine schüchtern wirkende Studentin springt auf und entfernt sich schnellen Schrittes. Die beiden Langzeitstudenten hinter mir haben schon das dritte Mal auf ihren Semesterabschluss angestoßen, sodass eine feiernde Gruppe junger, überwiegend weiblicher Studierender rund um eine Doktorandin gerade zur rechten Zeit vorbeikommt.
Die eigentliche Doktorandin, welche in einem – bestimmt nur geliehenen – Einkaufswagen gen Heine geschoben wird, lächelt verlegen und vermeidet Augenkontakt mit allen Anwesenden.
Mir entlockt der platte Spruch ihres Gefährten ein eher müdes Schmunzeln, da ich von der Sorte Mensch bin, der häufig schlagfertige Konter einfallen – allerdings immer erst mit einer Verzögerung von zwei bis drei Minuten.
Außerdem bin ich noch nicht in Feierlaune. Denn ich stecke in einer lästigen Klausurphase mitten im Bachelor und könnte in diesem Moment nicht weiter von einem Doktortitel entfernt sein. Ich freue mich dennoch sehr für die stolze Meute, wie sie da ihre Heldin feiert und hochleben lässt, Glückwunsch an dieser Stelle!
Weitaus weniger erfreulich ist jedoch die Anwesenheit der verschiedenen Promoter, welche meist gegen Semesterende den Campus belagern und einem von Brausegetränken über Steuerberatungen bis hin zu Rabattcodes für den Kauf des nächsten Konsumgegenstandes so ziemlich alles vermitteln wollen.
Im Gegenzug schenkt man dem jeweiligen Konzern dahinter all seine Daten, abonniert diverse Newsletter oder trägt in Zukunft einen Beutel mit dem Logo des Werbenden spazieren. Zwei von ihnen haben bereits Witterung aufgenommen und nehmen Kurs auf die feiernden Studierenden.
Sie schämen sich nicht einmal, die Eltern der frisch gekürten Doktorandin von ihrem Produkt überzeugen zu wollen.
Nach einer Weile reicht es dem jungen Mann und er raunzt sie an, ihren „Promokram“woanders zu verbreiten. Richtig so! Wer sich unzählige Semester auf dem Campus von Promotern hat anquatschen lassen, sollte wenigstens ungestört und ausgelassen seinen Abschied feiern dürfen.