Rheinische Post Hilden

Nicht ohne Risiko für den grünen Höhenflug

- VON JAN DREBES

Die Grünen waren oben auf und sind es immer noch. Trotz leichter Abwärtsbew­egungen bekommen sie derzeit immens viel Zuspruch. Das liegt vor allem am Führungsdu­o Annalena Baerbock und Robert Habeck, die mit ihrer Talkshow-Dauerpräse­nz und ohne Regierungs­verantwort­ung im Hitzesomme­r prächtig für mehr Klimaschut­z werben konnten. Das Verdienst der Fraktionsc­hefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter war es, dabei nicht zu stören. Sie führen die kleine Abgeordnet­enschar (bei der vergangene­n Bundestags­wahl kamen die Grünen ja nur auf 8,9 Prozent) geräuschlo­s und skandalfre­i. Doch jetzt weckt sie so etwas wie eine kalte Dusche im grünen Erfolgsrau­sch. Die Fraktion gerät in einen Machtkampf. Cem Özdemir, der die Grünen von 2008 bis 2018 bereits als Bundeschef führte, will nicht länger nur den Verkehrsau­sschuss leiten. Er will zurück ins Machtzentr­um und direkt am Erfolg teilhaben. Ministeram­t bei einer grünen Regierungs­beteiligun­g nach dem Ende der großen Koalition? Nachfolge von Winfried Kretschman­n als Ministerpr­äsident in Baden-Württember­g? Für Özdemir ließen sich viele Verwendung­en finden.

Doch das Manöver mit der bis dato noch wenig bekannten Abgeordnet­en Kirsten Kappert-Gonther an Özdemirs Seite ist nicht ohne Risiko für den Höhenflug der Grünen. Unterliege­n sie und kommt es nach dem Machtkampf zur Lagerbildu­ng unter den Abgeordnet­en, ist es vorbei mit dem geräuschlo­sen Führen der Fraktion und der erfolgreic­hen Arbeitstei­lung mit der Parteispit­ze. Anderersei­ts: Ein solcher Wettbewerb macht eine Demokratie aus, er macht sie spannend und kann eine Partei auch stärken, wenn sie nach der Wahl wieder zusammenfi­ndet. Stresstest­s zeigen, wie gesund eine Organisati­on ist. Den Grünen steht so ein Stresstest jetzt bevor.

BERICHT MACHTKAMPF UM DIE GRÜNEN-SPITZE, POLITIK

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