Rheinische Post Hilden

Machtkampf um die Grünen-Spitze

Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir will es noch einmal wissen: Mit Kirsten Kappert-Gonther will er die Fraktionsf­ührung übernehmen. Damit sind die harmonisch­en Zeiten der erfolgsver­wöhnten Partei erstmal vorbei.

- VON JAN DREBES

BERLIN Cem Özdemir war schon einmal ganz oben. Zehn Jahre lang war er Parteichef der Grünen, jetzt hat er ein anderes Ziel: den Fraktionsv­orsitz. Gemeinsam mit der Bremer Bundestags­abgeordnet­en Kirsten Kappert-Gonther will er die beiden amtierende­n Fraktionsc­hefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter bei der Vorstandsw­ahl am 24. September herausford­ern und ablösen. Mit ihrer Ankündigun­g haben Özdemir und Kappert-Gonther die kleinste Fraktion im Bundestag am Wochenende kräftig in Aufruhr versetzt.

Während Özdemir in Berlin ein alter Hase ist, ist die 52-jährige Kappert-Gonther erst seit gut zwei Jahren in der Bundespoli­tik aktiv. Nach sechs Jahren als Abgeordnet­e in der Bremer Bürgerscha­ft wurde sie 2017 in den Bundestag gewählt. In der Bundestags­fraktion ist die Fachärztin für Psychiatri­e Sprecherin für Drogenpoli­tik und Gesundheit­sförderung.

Per Brief hatten die beiden ihren Entschluss mitgeteilt und ihn auf zwei Seiten begründet. Darin heißt es: „Nie stand die Klimakrise spürbarer im Fokus, nie wurde der Wunsch nach Veränderun­gen mit starken grünen Akteur*innen deutlicher gesellscha­ftlich formuliert als jetzt.“Damit verbinde sich für die Grünen eine „entscheide­nde Verantwort­ung“. Es gehe nun bis zur nächsten Bundestags­wahl darum, „mit neuem Schwung der Gegenpol einer schwachen Regierung“zu sein und „mit Mut und Empathie auszubuchs­tabieren, was konstrukti­ve und progressiv­e Politik bedeutet“. Unterschri­eben ist der Brief mit: „Herzlich, Eure Kirsten und Euer Cem“.

Doch Herzlichke­it ist in der Politik selten, und freiwillig werden Göring-Eckardt und Hofreiter nicht gehen. So wird es nun zu einer Kampfkandi­datur um die Fraktionss­pitze kommen. Die harmonisch­en Zeiten sind damit vorbei. Es lief zuletzt so gut für die Grünen, dass einige in der Partei schon Sorge hatten, wie weit die Umfragewer­te noch klettern könnten und wie man der damit verbundene­n Erwartung gerecht werden könnte. Im Zentrum der Aufmerksam­keit standen die erfolgreic­hen Parteivors­itzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck, die Fraktionss­pitze wirkte dagegen eher blass. Jetzt aber müssen Göring-Eckardt und Hofreiter kämpfen. Am Sonntag unterstric­hen sie in einer ersten Reaktion ihren Führungsan­spruch. „Toni und ich führen die Fraktion zusammen aus der Mitte heraus. Dieser Kurs hat sich für Fraktion wie Partei bewährt und dazu geführt, dass wir als die führende Kraft der Opposition wahrgenomm­en werden“, erklärte

Göring-Eckardt. „Das will ich gerne fortsetzen.“Mit Blick auf die Mitbewerbe­r fügte sie hinzu: „Auswahl ist immer gut.“Auch der außenpolit­ische Sprecher der Grünen-Bundestags­fraktion, Omid Nouripour, begrüßte, dass es eine Auswahl gebe. „Wir haben vier verdiente Kandidatin­nen und Kandidaten, die in ihren Aufgabenbe­reichen jeweils gezeigt haben, wie stark sie sind“, sagte er unserer Redaktion. „Deshalb brauchen wir weder eine Casting-Show noch SPD-Paketlösun­gen.“Das sei eine sehr gute Ausgangspo­sition für die Grünen, so Nouripour.

Baerbock und Habeck wollen sich heraushalt­en. Sie teilten nur mit, dass diese Fragen die Abgeordnet­en „im guten demokratis­chen Wettbewerb“entscheide­n werden. „Wir haben als Partei eine gute und erfolgreic­he Zusammenar­beit mit der Fraktion und darauf wird es auch in Zukunft ankommen.“

Für Özdemir und Kappert-Gonther wird es nicht leicht, eine Mehrheit zu erreichen. Als Team sind sie einmal in einem Video sichtbar geworden, in dem sie für die Entkrimina­lisierung von Cannabis warben. Jeder wusste, dass Özdemir nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlun­gen 2017 noch Ehrgeiz hatte. Einen Angriff auf Baerbock und Habeck hatte er ausgeschlo­ssen – nun versucht er es mit der Fraktionss­pitze.

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FOTOS: DPA | MONTAGE: FERL

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