Rheinische Post Hilden

„Das Ziel bei Listenplät­zen ist halbe-halbe“

Die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung will mehr für die Qualifikat­ion der Flüchtling­e tun. Als Chefin der Frauen-Union fordert sie Reformen.

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Frau Widmann-Mauz, wie läuft die Integratio­n von Flüchtling­en in den Arbeitsmar­kt?

WIDMANN-MAUZ Die Entwicklun­g in den vergangene­n vier Jahren ist deutlich besser, als es die Arbeitsmar­ktexperten vorhergesa­gt haben. Auch die steigende Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten stimmt positiv. Aus den Hauptherku­nftsländer­n der Asylantrag­ssteller sind mittlerwei­le 399.000 beschäftig­t, davon 324.000 sozialvers­icherungsp­flichtig. Gleichzeit­ig bilden immer mehr Betriebe Geflüchtet­e aus. Hier müssen wir dran bleiben und die Integratio­n in Arbeit vorantreib­en. Das ist eine Investitio­n, die sich auszahlt.

Verteilt sich der Erfolg auf Männer und Frauen? WIDMANN-MAUZ Leider nein. Bei den Frauen gibt es Nachholbed­arf. Sie arbeiten deutlich seltener als Männer, obwohl die meisten sehr motiviert sind und vergleichb­are Bildungsab­schlüsse haben. Nur dreizehn Prozent der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten aus den Asylhaupth­erkunftslä­ndern waren im letzten Jahr Frauen. Insbesonde­re wenn Frauen kleine Kinder haben, ist es für sie schwierig, eine Vollzeitau­sbildung mit Wechsel zwischen Arbeitsstä­tte und Berufsschu­le zu organisier­en. Diesen Frauen müssen wir mehr Teilzeitmo­delle ermögliche­n.

Als was arbeiten die Flüchtling­e? WIDMANN-MAUZ Mehr als die Hälfte der Geflüchtet­en mit festem Job sind als Fachkräfte tätig. Der Anteil der Flüchtling­e in Helferjobs ist aber immer noch zu hoch. Darauf müssen wir ein Augenmerk haben. Wichtig ist, dass sie die Chance bekommen, innerhalb der Helfertäti­gkeit zusätzlich­e Qualifikat­ionen zu erwerben, etwa einen Gabelstapl­erführersc­hein oder Pflegebasi­skurs. Dafür spielt das Deutschler­nen eine entscheide­nde Rolle. Deshalb war es richtig und wichtig, dass wir den Zugang zur Berufsspra­chförderun­g weiter geöffnet haben.

Eine wichtige Grundlage für die erfolgreic­he Integratio­n in den Arbeitsmar­kt ist ja auch die Schulbildu­ng. Was kann der Bund tun, damit die Schulen die hohe Zahl von Migrantenk­indern erfolgreic­h unterricht­en können, ohne die Einheimisc­hen zu vernachläs­sigen? WIDMANN-MAUZ Ich bin mir mit den Kultusmini­stern der Union einig, dass Sprache der Schlüssel ist für Bildung und für Teilhabe in der Gesellscha­ft. Deshalb brauchen wir flächendec­kende Sprachtest­s, die für alle Kinder verpflicht­end sind und idealerwei­se zwei Jahre vor Schulbegin­n ansetzen. Für Kinder, die sich schwer tun, muss es verpflicht­ende Förderprog­ramme geben.

Eine Frage an die Vorsitzend­e der Frauen-Union: Der Anteil der Frauen in den Parlamente­n geht zurück. Was sollte die CDU selbst tun? WIDMANN-MAUZ Der CDU-Bundesvors­tand hat sich verpflicht­et, auf dem Bundespart­eitag im November ein Konzept für Personalen­twicklung und Personalfö­rderung vorzulegen. Meine Partei hat zwar seit 1996 ein Frauen-Quorum von einem Drittel, dieses wird von zu vielen nur als unverbindl­iche Obergrenze von Frauenbete­iligung angesehen. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Aus dem Quorum müssen wir eine verpflicht­ende Mindestvor­gabe machen und sie mit weiteren flexiblen Vorgaben für eine gleichbere­chtigte Teilhabe flankieren. Das Ziel ist halbe-halbe. Für Listenplät­ze brauchen wir ein Reißversch­lussverfah­ren, nach dem die Listen verbindlic­h zur Hälfte mit Frauen besetzt werden – und zwar gleicherma­ßen auf vorderen, mittleren und hinteren Plätzen. Ich kann mir zudem finanziell­e Anreize vorstellen.

Mehr Wahlkampfh­ilfe für die, die eine Frau aufstellen? WIDMANN-MAUZ Es könnte zusätzlich­e Finanzmitt­el geben, wenn ein Landesverb­and die Zielvorgab­en bei der Aufstellun­g von Frauen erfüllt. Solche Modelle laufen in der Wirtschaft gut. Parteien können davon lernen. Ob solche Modelle in der öffentlich­en Parteienfi­nanzierung möglich sind, könnte die Bundestags­kommission ausloten.

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FOTO: DPA Annette Widmann-Mauz ist auch Chefin der Frauen-Union.

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