Rheinische Post Hilden

Merkel warnt Peking vor „Katastroph­e“

Die Kanzlerin hat eine gewaltfrei­e Lösung der Konflikte in Hongkong angemahnt. Ihr Verhältnis zu China ist gespalten.

- VON KRISTINA DUNZ

WUHAN Angela Merkel steht auf der riesigen Brücke über dem Chang Jiang und schaut auf den gewaltigen Fluss, den Mao Tse-Tung einst zur Demonstrat­ion seiner Macht und Stärke durchschwa­mm. Da war der chinesisch­e Staatsgrün­der 73 Jahre alt. Merkel ist 65 Jahre alt, sie muss ihre Stärke nicht mehr beweisen. Sie hat schon ihren Ausstieg aus der Politik bis 2021 angekündig­t. Für sie geht es darum, nicht ihre eigene Macht, sondern den Einfluss ihres Landes zu sichern.

Mit elf Millionen Einwohnern ist Wuhan die sechstgröß­te Stadt Chinas. 1982 entstand mit Duisburg die erste deutsch-chinesisch­e Städtepart­nerschaft. Als Helmut Kohl zwei Jahre später nach Wuhan reiste, lebten dort drei Millionen Menschen. Merkel sagt, wer das Land verstehen will, muss sehen, in welcher Geschwindi­gkeit riesige Wolkenkrat­zer entstehen, Straßen gebaut und ausländisc­he Investitio­nen ins Land geholt werden.

Fast in jedem Jahr ihrer Kanzlersch­aft ist Merkel nach China gereist. Ihre Einstellun­g zum Reich der Mitte ist ambivalent. Wenn sie die Probleme als Regierungs­chefin in Deutschlan­d mit 80 Millionen Einwohnern mit denen der Staatsspit­ze in Peking mit knapp 1,4 Milliarden Menschen vergleicht, wirkt sie demütig. Wenn sie betrachtet, mit welch restriktiv­en Mitteln Peking an das Knowhow der deutschen Wirtschaft heranzukom­men versucht, wird sie vorsichtig. Und wenn in der autonomen Sonderverw­altungszon­e Hongkong eine überzogene chinesisch­e Einmischun­g droht, geht sie auf Distanz. Staatspräs­ident Xi Jinping und Ministerpr­äsident Li Keqiang, die sich wiederum eine Einmischun­g in innere Angelegenh­eiten verbitten, nehmen das bei Merkel hin. Sie kennen sie. Und sie schätzen sie. Auch wenn sie beim Thema Menschenre­chte standhaft bleibt.

So greift Merkel mit Blick auf die seit Monaten anhaltende­n Demonstrat­ionen in Hongkong gegen politische­n Einfluss aus China zu einer drastische­n Formulieru­ng: „Ich habe dafür geworben, dass Konflikte gewaltfrei gelöst werden, und dass alles andere aus meiner Sicht eine Katastroph­e wäre.“Ob Xi und Li auf sie hören werden? „Man hat mir zugehört“, sagt die Kanzlerin in Wuhan und legt noch nach: Es gebe noch viele andere Menschenre­chtsfragen in China.

Wichtig sei aber, „immer im Gespräch zu bleiben“, betont sie. So hält sie es auch mit der jungen chinesisch­en Generation. An der Huazhong-Universitä­t spricht sie mit Studierend­en, die wie einstudier­t nach jeder Antwort von Merkel kräftig klatschen. Merkel beschreibt die Chinesen als fleißige und hart arbeitende Menschen und fragt die jungen Frauen und Männer: „Haben Sie genug Kindheit?“

Als aber die Sprache auf das soziale Bonussyste­m in China fällt, das persönlich­e Verfehlung­en der Bürger bis zur Missachtun­g einer roten Ampel anprangert, ist der Applaus verhalten. In Deutschlan­d sagten einige dazu: „Das ist ja ganz schrecklic­h“, berichtet Merkel. „Dann weiß man alles über einen Menschen.“Nichts, was chinesisch­e Funktionär­e gern hören. Eine junge Frau sagt später leise, dass sie in Deutschlan­d studiert habe und sich zurücksehn­e.

Merkel würdigt zugleich die zunehmende Öffnung Chinas und kritisiert, ohne ihn namentlich zu nennen, US-Präsident Donald Trump für seine wirtschaft­liche Abschottun­g. „Protektion­ismus schadet am Ende uns allen“, warnt sie. Denn heute seien die Länder durch die internatio­nale Wertschöpf­ungskette miteinande­r verbunden. Sie schließt ihre Rede mit einem Dreiklang, wie sie sich die internatio­nale Zusammenar­beit vorstellt: „global statt national, weltoffen statt isolationi­stisch, gemeinsam statt allein“. Und dann sagt die Naturwisse­nschaftler­in aus der DDR noch: „Mich leitet die Erfahrung, dass Veränderun­g zum Guten möglich ist.“

Das hofft auch Joshua Wong, der Aktivist aus Hongkong, der Peking als „diktatoris­che Macht, die keine freiheitli­chen Grundrecht­e zulässt“, bezeichnet. Wong wollte am Montag nach Berlin reisen, wurde aber am Sonntag am Hongkonger Flughafen festgenomm­en. Was nun aus seiner geplanten Reise wird, ist unklar.

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FOTO:DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) steht auf der Brücke über dem Chang Jiang-Fluss, wo sie auf ihrer zwölften China-Reise eine Pause machte.

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