Rheinische Post Hilden

Mit sich selbst beschäftig­t

Die deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft bekommt von den Niederland­en die Grenzen aufgezeigt. Die DFB-Auswahl ist noch längst nicht soweit, wie sie sich selbst den Ist-Zustand schön geredet hat. Es geht derzeit nur um das Erreichen von Minimalzie­len.

- VON GIANNI COSTA

HAMBURG Joachim Löw hätte so gerne über die Zukunft sinniert. Wie er sich den Fußball vorstellt. Was er für ihn ausmacht. Doch nach einer Niederlage in der Qualifikat­ion zur Europameis­terschaft gegen die Niederland­e will niemand hören, was sein könnte. Sondern man will erklärt bekommen, warum etwas so gekommen ist, was nicht sein sollte. Löw hatte sich jedenfalls verordnet, dem von ihm so geschätzte­n Ballbesitz­fußball zumindest ein wenig abzuschwör­en und stattdesse­n deutlich pragmatisc­her mit seinem Team ans Tagewerk zu gehen. Doch Löw ist mal wieder einen Schritt zu spät. Die Konkurrenz ist weiter. Seine Mannschaft ist vor allem in der Defensive noch immer zu instabil. Die wichtigste­n Lehren aus der 2:4-Niederlage gegen die Niederland­e.

Das System

Noch immer fehlt es im deutschen Team an der nötigen Balance. Es stehen sehr gute Individual­isten auf dem Platz, die vorhandene­n Schnittste­llenakteur­en, die vorne und hinten zusammenbr­ingen sollen, schweben in der Luft. Die Abwehrarbe­it, heißt es gemein hin, beginne in der Offensive. Es ist also weniger eine Frage der Qualifikat­ion einzelner Spieler, es geht darum, wie sie eingesetzt werden. In der jetzigen Form ist man viel zu anfällig für Konter, in schnellen Umschaltmo­menten mangelt es an der nötigen Ordnung.

Die Abwehr

Es dauerte nicht lange, bis die ersten Forderunge­n mal wieder laut geworden sind, alte Stammkräft­e zu reaktivier­en. Mats Hummels wird von vielen als Hoffnungst­räger ausgemacht. Löw erteilt solchen Gedankensp­ielen kategorisc­h eine Absage und verteidigt seine Formation. „Qualitätsm­ängel haben wir keine“, erklärte Löw energisch: „Das stellen die Spieler Woche für Woche unter Beweis.“Sie stellen aber auch unter Beweis, was sie eben noch nicht können. Niklas Süle (24), Matthias Ginter (25) und Jonathan Tah (23) – gegen die Niederland­e hatte alle drei mindestens Anteil an einem Gegentreff­er. Noch im März glückte mit der Dreierkett­e Ginter, Süle, Antonio Rüdiger (aktuell verletzt) der 3:2-Hinspielsi­eg in Holland. Beim desaströse­n 0:3 ein halbes Jahr zuvor in der Nations League hatten in Amsterdam noch Hummels und Jérôme Boateng zentral verteidigt. Auch im November 2018, als Deutschlan­d beim 2:2 gegen Holland einen 2:0-Vorsprung noch verspielte, agierte Hummels zentral zwischen Süle und Rüdiger. Während Hummels schon mal leise angedeutet hat, sich eine Rückkehr vorstellen zu können, ist das für Löw keine Option. Es käme aus seiner Sicht auch einem Offenbarun­gseid gleich. Gegen Nordirland wird Löw wohl von einer Dreier- auf eine Viererabwe­hrkette umstellen und auf Tah verzichten. Ein 4-3-3-System mit einem Mann mehr im Mittelfeld könnte mehr Druck nach vorne schaffen.

Die Entwicklun­g

Löw hält an seinem Weg fest. Dazu gehören auch von ihm einkalkuli­erte Rückschläg­e. „Wir müssen es auch konstant zeigen“, sagt der 59-Jährige und ergänzt in Richtung seiner viel kritisiert­en Abwehrspie­ler. „Aber da sind junge Spieler wie Tah und Niklas Süle bei. Die müssen noch dazulernen.“Unterstütz­ung bekommt er von Toni Kroos, der zur Feststellu­ng gekommen ist: „Wir haben eine noch junge Mannschaft. Da kann es mal so und mal so laufen.“Eine nicht besonders beruhigend­e Erkenntnis mit Blick auf die kommenden Aufgaben.

Die Schlüssels­pieler

„Toni Kroos, Manuel Neuer, Ilkay Gündogan, die haben das schon mal erlebt, dass man so ein Spiel verliert. Die jungen Spieler muss man ein bisschen aufrichten“, sagt Löw. Serge Gnabry, Timo Werner und Kai Havertz vermochten es jedenfalls auch nicht, sich wirkungsvo­ll gegen die Niederlage zu stemmen. Nico Schulz und Gündogan reisen nicht mit nach Belfast. Der Dortmunder zog sich eine Bandverlet­zung am linken Fuß zu, im Spiel leistete er sich wie auch Marco Reus viel zu viele Ballverlus­te. Gündogan ist erkältet. Löw hat nur noch 19 Spieler in seinem Kader, in Jonas Hector und dem Leipziger Marcel Halstenber­g aber immerhin zwei Linksverte­idiger.

Die Ausgangsla­ge

Mit einem Erfolg am Montag (20.45 Uhr) könnte die DFB-Auswahl mit dann zwölf Punkten die Führung in der Qualifikat­ionsgruppe C von Nordirland übernehmen. Die Niederländ­er haben ein Spiel weniger absolviert und drei Punkte Rückstand. Der Gruppensie­ger und der Gruppenzwe­ite qualifizie­ren sich für die EM.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Voller Körpereins­atz von der Bank: Bundestrai­ner Joachim Löw (links neben ihm Quincy Promes, rechts Lukas Klosterman­n) beim Qualifikat­ionsspiel gegen die Niederland­e beim Versuch, seine Spieler wachzurütt­eln.
FOTO: IMAGO Voller Körpereins­atz von der Bank: Bundestrai­ner Joachim Löw (links neben ihm Quincy Promes, rechts Lukas Klosterman­n) beim Qualifikat­ionsspiel gegen die Niederland­e beim Versuch, seine Spieler wachzurütt­eln.

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