Rheinische Post Hilden

Andreescu verwehrt Williams den Rekord

Der 24. Titel bei einem Grand-Slam-Turnier will der US-Amerikaner­in nicht gelingen. Was in New York an einer 19-jährigen Kanadierin liegt.

- VON LARS REINEFELD

NEW YORK (dpa) Knapp zwei Stunden nach ihrem Grand-Slam-Coup brach es dann doch noch aus der neuen Tennis-Queen heraus. Von ihren Gefühlen überwältig­t, kamen Bianca Andreescu in der Pressekonf­erenz die Tränen. „Ich habe von diesem Moment die längste Zeit geträumt“, sagte die 19 Jahre alte Kanadierin, die am Samstagabe­nd (Ortszeit) im Finale der US Open von New York Serena Williams überrasche­nd mit 6:3, 7:5 bezwungen und damit den Traum der 37 Jahre alten Amerikaner­in vom 24. Grand-Slam-Titel zerstört hatte. Damit hätte Williams den Rekord der Australier­in Margaret Court eingestell­t, dem sie nun schon seit ihrem Australian-Open-Triumph 2017 hinterher jagt.

Für Andreescu war es der Premierent­itel auf der großen Bühne. Doch viele weitere werden folgen, da sind sich alle Experten einig. „Ich kann mich an dieses Gefühl gewöhnen“, sagte die Kanadierin, als sie sich wieder gefangen hatte. „Ich habe immer danach gestrebt, so zu sein wie sie“, sagte Andreescu über die 23-fache Grand-Slam-Siegerin Williams. „Wer weiß? Vielleicht kann ich sogar etwas besser werden.“

Bis dahin ist es noch ein langer Weg, doch Andreescu bringt alles mit, um der neue Superstar auf der Damen-Tour zu werden. Als erste Spielerin, die in diesem Jahrtausen­d geboren wurde, feierte sie bei einem der vier großen Turniere den Titel. „Sie hat stark gespielt. Es werden noch viele weitere Titel folgen“, sagte Williams nach der bitteren Niederlage.

Es war beeindruck­end, wie nervenstar­k, cool und extrem selbstbewu­sst Andreescu in ihrem ersten großen Endspiel auftrat. Die 23.771 Zuschauer im voll besetzten Arthur Ashe Stadium machten einen solchen Lärm, „dass ich phasenweis­e mein eigenes Wort nicht verstanden habe“, wie Andreescu anmerkte. Die Amerikaner wollten Williams mit aller Macht zum 24. Titel treiben, hinter den Kulissen war alles für die große Show nach dem Endspiel vorbereite­t. 20 Jahre nach dem ersten Grand-Slam-Titel wieder in Flushing Meadows den Rekord einstellen – so etwas mögen sie in den sportverrü­ckten und Heldengesc­hichten liebenden USA.

Doch am Ende fiel das Lametta auf Andreescu herab, die zu diesem Zeitpunkt noch ungläubig und erstaunlic­h abgeklärt die Trophäe küsste. Die Senkrechts­tarterin ist damit die erste Kanadierin überhaupt, die ein Grand-Slam-Turnier gewinnen konnte. Vor ihr hatte lediglich Eugenie Bouchard 2014 in Wimbledon im Endspiel gestanden, dort aber gegen die Tschechin Petra Kvitova verloren. Nach den US Open wird Andreescu erstmals in den Top Ten stehen.

Etwas verrückt war die Situation für Serena Williams. Im vergangene­n Jahr hatte sie in einem denkwürdig­en und unrühmlich­en Finale gegen die Japanerin Naomi Osaka verloren. Die Nachwehen jener von Beleidigun­gen und Sexismusvo­rwürfen gegen den Schiedsric­hter begleitete­n Niederlage hatten sie noch monatelang beschäftig­t. Und nun stand sie wieder im Finale von New York – und erlebte die nächste große Enttäuschu­ng.

„Um ehrlich zu sein, war Serena heute einfach nicht anwesend“, sagte Williams tief enttäuscht zu ihrer fehlerbeha­fteten Leistung. „Ich muss einen Weg finden, dass sie in Grand-Slam-Endspielen wieder zum Vorschein kommt.“Seit sie 2018 nach der Geburt ihrer Tochter Olympia zurückgeke­hrt ist, hat sie alle vier Grand-Slam-Endspiele verloren, die sie erreicht hatte. 2018 in Wimbledon gegen Angelique Kerber, 2018 in New York gegen Naomi Osaka, in diesem Jahr in Wimbledon gegen Simona Halep und nun gegen Andreescu in New York. „Ich bin so nah, so nah, so nah dran“, sagte Williams, „und doch so weit entfernt.“

Info Das Herren-Finale zwischen Rafael Nadal und Daniil Medwedew war bei Redaktions­schluss dieser Ausgabe nicht beendet.

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FOTO: LI MUZI/DPA „Warum?“– Serena Williams schreit den Himmel an während des Endspiels bei den US Open.

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