Netanjahu verspricht Annexion des Jordantals
JERUSALEM Knapp eine Woche vor Israels Parlamentswahlen ringt Regierungschef Benjamin Netanjahu um Wählerstimmen im rechten Lager. Sollte er am 17. September ein „klares Mandat“der Bürger bekommen, werde er ein Gesetz vorantreiben, um das Jordantal und das nördliche Tote Meer zu annektieren. Saeb Erekat, Generalsekretär der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) und Chefunterhändler bei früheren Friedensverhandlungen, verurteilte den „illegalen Schritt“, der „jede Chance auf einen Frieden begraben würde“. Ähnlich reagierte die Arabische Liga, in der 22 Staaten organisiert sind. Auch die EU kritisierte Netanjahus Ankündigung und erinnerte daran, dass der Siedlungsbau „nach internationalem Recht illegal ist“.
Die Annexion von Teilen der C-Zone, die noch immer unter israelischer Kontrolle steht und relativ dünn von Palästinensern besiedelt ist, war anfangs nur Programm der Siedlerpartei. Jamina, so heißt die neue rechte Liste, der Netanjahu mit seinen Annexions-Plänen Mandate abgraben will. Parteichefin Ajelet Schaked, Ex-Justizministerin, sieht Netanjahus Pläne skeptisch. Abgesehen davon, dass er, „was grundsätzlich zu begrüßen ist“, die Politik der Rechtspartei auf seine Fahnen schreibt, habe man schon viele Versprechungen von ihm gehört. Würde er ernsthaft eine Annexion wollen, hätte er sie längst haben können. Netanjahu hatte unmittelbar vor den Wahlen im April eine Annexion von Teilen der C-Zone angekündigt, scheiterte jedoch daran, eine Regierungskoalition zu gründen.
Nach Informationen der israelischen Menschenrechtsorganisation Betselem umfasst das Jordantal rund ein Drittel der Westbank mit 65.000 palästinensischen und 11.000 israelischen Bewohnern. Das Gebiet ist mit der Jesu-Taufstätte attraktiv für christliche Pilger und birgt vor allem an der Küste des Toten Meeres großes touristisches Potential.
Die Kräfteverhältnisse haben sich seit den Wahlen vor sechs Monaten nur leicht verschoben. Netanjahu und seine stärksten Gegenspieler Benny Gantz und Jair Lapid, CoChefs der Partei Blau-Weiß, liefern sich erneut ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wobei das rechte Lager etwas stärker ist als die Mitte-Links-Parteien. „Netanjahu will keine Gebiete annektieren, sondern Wählerstimmen”, kommentierte Lapid den „erfolglosen Wahltrick“, ohne sich inhaltlich zu distanzieren. Über die Notwendigkeit aus Sicherheitsgründen, das Jordantal entlang der Grenze zu Jordanien auch langfristig unter israelischer Souveränität zu behalten, besteht in Israel Konsens. Auch BlauWeiß lehnt die Räumung der Siedlungen und den Rückzug der Armee aus dem Jordantal ab.