Mit den Augen der Bienen
Der Zoologe Klaus Lunau erforscht seit über 30 Jahren das Leben der Insekten und zeigt, wie sie die Welt sehen.
Eins haben sie bewiesen: Bienen sind in der Lage, die Massen zu mobilisieren. Erst vor einem halben Jahr haben in Bayern über 1,7 Millionen Menschen das Volksbegehren „Rettet die Bienen“unterstützt. Diese Initiative für den Artenschutz ist mit dem Ziel angetreten, dass mehr Wildblumenwiesen gesät, weniger Pestizide eingesetzt und mehr Biolandwirtschaft betrieben wird. Auf Unterstützung aus Düsseldorf kann sie sicher sein: Der Zoologe Klaus Lunau erforscht seit über 30 Jahren die Welt der Bienen und setzt seine Kompetenz zum Schutz der Insekten ein.
Wenn er einen seiner Vorträge hält zur Gefährdung und Rettung der Bienen, füllt sich schnell der Saal. Die Fakten könnte er vermutlich im Schlaf referieren: Weltweit leben 20 000 Bienenarten, allein 500 in Deutschland, darunter viele Hummeln, Sand- und Pelzbienen. „Sie sind schon allein durch das Bestäuben von Blütenpflanzen für Menschen überlebenswichtig“, sagt Lunau. Konsequenz: Ohne Bienen keine Äpfel, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Professor für Zoologie hat bis zu seiner Pensionierung im März das Uni-Institut für Sinnesökologie geleitet hat. Sein Spezialgebiet: Wie nutzen Bienen ihre Sinne, wie reagieren sie auf Farben und Düfte? Und warum fliegen sie auf bestimmte Blüten und ignorieren andere?
Zunächst: Bienen sehen die Welt durch zwei Facettenaugen, das ähnlich wie das menschliche Auge aus Linsen aufgebaut ist. Doch Bienen nehmen anders als Menschen nicht ein einziges scharfes Bild wahr, sondern sehen Blüten gerastert wie ein Pixelbild. Sie fliegen vor allem auf die Farben Blau und Gelb, wohingegen rote Blüten von ihnen oft ignoriert werden. Das liegt daran, dass Bienenaugen (im Gegensatz zum Menschen) die Fähigkeit haben, ultraviolettes Licht zu sehen, sie können also auch Blau und Grün wahrnehmen, aber Rot sehen sie nicht.
In diese optische Welt der Bienen nimmt Klaus Lunau die Besucher der „Nacht der Wissenschaft“am 13. September mit. Denn am Institut für Sinnesöko- logie wurde ein neues Verfahren entwickelt, um zu zeigen, wie empfindlich das Bienenauge ist: mithilfe der so genannten Falschfarben-Fotografie. Die
Idee dazu hatte der Student Christian Verhoeven für seine Bachelorarbeit. Eine Kamera, versehen mit einem speziellen UV-Filter, zeigt beispielsweise, wie sich das Rot einer Blüte aus Bienensicht schwarz darstellt. „Für Pflanzen ist es wichtig, dass sie attraktiv für Bienen sind, damit sie bestäubt werden“, so Lunau. Mögen so manche Blüten für das menschliche Auge unscheinbar sein, können sie für Bienen den Impuls aussenden, dass bei ihnen reichlich Pollen und Nektar einzusammeln sind – „je knalliger sie sich dabei von ihrer Umgebung abheben, umso besser.“
Aber nicht nur über Farben entscheiden Bienen, auf welchen Blüten sie landen. „Sie werden auch durch Düfte angelockt, die andere Bienen vor ihnen zurückgelassen haben“, weiß der Zoologe. Das erklärt, dass die Insekten oft um Blüten herumschwirren ohne sich niederzulassen. Sie landen erst wieder, wenn der Duft schwächer wird, dann wissen sie, dass genug Zeit vergangen ist seit dem Besuch ihrer Vorgängerin, und sich wieder neuer Nektar gebildet hat. Mit einem speziellen Verfahren können die Wissenschaftler diese Duftspur, die in die Wachsschicht der Blume einsinkt, rekonstruieren – „und so die Besuchsgeschichte einer Blüte sichtbar machen.“
In seinem eigenen Garten finden Insekten reichlich Nahrung, da blüht jetzt im Spätsommer eine üppige Wildnis mit über 25 Blütenarten – ein Bienenparadies. Wobei er bei seinem zentralen Thema ist: dem Insektenschutz. Jeder könne schließlich dazu beitragen. Wobei der Experte die neuen Blühstreifen entlang von Hauptverkehrsstraßen und auf Verkehrsinseln, („vor denen sich Politiker gern fotografieren lassen“) kritisch sieht – da seien Insekten eher in Gefahr durch die Autos. Auch manche andere Entwicklung gefährde die Insekten-Existenz massiv. „Die Verschotterung in den Vorgärten scheint eine ansteckende Krankheit zu sein.“
Über einen speziellen Aspekt seiner Forschung hat der Wissenschaftler schon vor Jahren ein Buch geschrieben: „Warnen, tarnen, täuschen“, darin geht es um die Fähigkeit von Pflanzen und Tieren, sich vor ihren Feinden zu schützen, indem sie ihr Aussehen verändern – die Mimikry. Wobei wir wieder bei den Bienen sind. Mit ihrem gelb-schwarzen Streifenmuster senden sie (wie auch Wespen) ihren Feinden ein optisches Signal aus: Vorsicht! Diesen Schutz macht sich eine unscheinbare Fliegenart zu eigen: Sie hat ihre optische Erscheinung verändert und tarnt sich als Biene – mit Streifenmuster. Auch eine Form von Artenschutz.