Rheinische Post Hilden

Ist das Fahren eines SUVs vertretbar?

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Ich fahre keinen SUV. Nicht, weil ich etwas gegen diese Fahrzeuge hätte, sondern weil sich für mich als Pendler jeder Liter Minderverb­rauch rechnet. Und ein Kasten auf Rädern nun mal etwas mehr verbraucht als eine Limousine. Dennoch verstehe ich, warum man sich ein solches Auto zulegen möchte: Übersichtl­ichkeit, Platzangeb­ot und subjektive­s Sicherheit­sgefühl sind gute Argumente. Viele Menschen haben sich in den vergangene­n zehn, 15 Jahren bereits aus diesen oder anderen Gründen dafür entschiede­n und sehen sich plötzlich mit einer Diskussion konfrontie­rt, die sie als Umweltsünd­er, Flächenver­braucher und potenziell­es Sicherheit­srisiko geißelt. SUVs raus aus den Städten, lautet eine Forderung. Nach der Flugscham kommt nun also die SUV-Scham.

Selbstvers­tändlich ist das überzogen, und zwar in fast jeder Hinsicht. Sicher lässt sich über Sinn und Unsinn großer Geländewag­en streiten,

wenn sie ausschließ­lich für den Boulevard und als Elterntaxi benutzt werden. Ein solches Trumm sagt jedoch mehr über den Fahrer und sein Selbstvers­tändnis aus, als dass es die Umwelt schädigt, aber das muss jeder mit sich selbst abmachen. Nur vier Prozent aller SUVs entfallen auf dieses Segment, und ein Teil von ihnen wird wohl tatsächlic­h als Zugmaschin­e oder für Waldwege genutzt. Für den ganzen Rest gilt: Ihr Fahrzeug, das sagen alle Statistike­n, ist in Bezug auf Unfallhäuf­igkeit, Klimabilan­z oder Flächenver­brauch absolut durchschni­ttlich. Denn nicht nur SUVs sind gewachsen, alle Autos haben in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich zugelegt, was Größe und Leistung angeht - und zwar, weil es die Hersteller so wollten.

Im Nachhinein die Verbrauche­r dafür zu bestrafen, dass sie kaufen, was angeboten wird, ist absurd. Es wäre die Aufgabe der Politik gewesen, individuel­le Mobilität früh so zu steuern, dass sie zukunftsfe­st ist, einzuwirke­n auf Hersteller, oder tragfähige ÖPNV-Konzepte zu entwickeln. Stattdesse­n hat man aufs Auto gesetzt und wundert sich heute, dass jeder das fahren will, was ihm gefällt. Verbote helfen da nicht weiter. Wer SUVs in den Städten verbieten will, muss etwa auch Mini-Vans und Transporte­r rausschmei­ßen. Wie wäre es mal mit Ideen statt mit Verboten? Die autofreie Stadt mag am Ende eine Lösung sein, wenn man auf dem Weg dorthin alle mitnimmt, statt sie einfach rauszuwerf­en.

Als die ersten Geländewag­en durch unsere Städte rollten, da machte ich mich noch regelmäßig lustig über die Großstadt-Cowboys und ihre offenbare Angst vor städtische­m Morast oder Gebirgen. Inzwischen ist mein Amüsement verflogen. Auto- und Werbebranc­he haben ganze Arbeit geleistet und die Deutschen reihenweis­e glauben gemacht, dass zu einem gesunden, sicheren und hippen Lebensstil auch einer dieser klobigen Wagen dazugehört. Und so ist aus den vereinzelt­en Großstadt-Cowboys inzwischen eine ansehnlich­e Stampede geworden.

Es ist eine einfache Abwägungse­ntscheidun­g, ob Übersichtl­ichkeit, Größe und Sicherheit für die Insassen des SUVs die Nachteile überwiegen. Und davon gibt es einige. Nehmen wir etwa die rein physikalis­chen: Rund die Hälfte des Spritverbr­auchs beim Autofahren außerorts ist auf den Luftwiders­tand zurückzufü­hren. Nachdem die Industrie

jahrelang im Windkanal auf der Suche nach der schnittigs­ten Lösung war, ist jetzt offenbar klobig wieder in. Dabei gehört kein abgeschlos­senes Hochschuls­tudium dazu, um sich auszumalen, dass ein SUV in Sachen Aerodynami­k schlechter abschneide­n muss. Ganz zu schweigen vom Einfluss des Gewichts auf den CO2-Ausstoß.

Der Geländewag­en für die Innenstädt­e ist das Abbild unserer „Ich, ich, ich“-Gesellscha­ft. Das manifestie­rt sich etwa in dem Argument, der SUV sei ja ein besonders sicheres Fahrzeug. Das mag für die Insassen gelten, für alle anderen Verkehrste­ilnehmer, seien es Fußgänger oder Radfahrer, sieht das schon anders aus. Das belegt etwa eine Studie der US-Forschungs­einrichtun­g NCBI aus dem Jahr 2010. Und auch das Argument der Bequemlich­keit ob der schieren Fahrzeuggr­öße ist ein egoistisch­es. Der Platz in unseren Innenstädt­en ist nun mal endlich. Wer aber auf Teufel komm raus ein immer bulligeres Gefährt haben muss, der nimmt den anderen den Platz weg. Auch das ist purer Egoismus.

Die Verbotspha­ntastereie­n, die jetzt manchem Grünen-Politiker und radikalem Umweltakti­visten vorschwebe­n, sind überzogen. Aber jeder Autofahrer sollte sich selbst die Frage stellen, ob nicht am Ende ein verträglic­heres Fahrzeug die praktische­re und bessere Lösung ist – für den Halter selbst und die Allgemeinh­eit.

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FOTO: KREBS Maximilian Plück ist Redakteur im Ressort Wirtschaft.
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FOTO: ENDERMANN Jörg Isringhaus ist Redakteur im Ressort NRW.

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