Rheinische Post Hilden

Zwei Alphamännc­hen im Boxring

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Im Theater an der Kö feierte das Heinersdor­ff-Stück „Komplexe Väter“eine bejubelte Premiere.

Es ist der schwarze Rolli, der Ute an ihrem Mann missfällt. Sie schlägt ihm ein ganz normales schwarzes Hemd vor, „das wirkt auch kreativ.“Er bockt, aber gehorcht, um Ute zu besänftige­n. Das bevorstehe­nde Treffen macht sie nervös. Sie hat es mit einigen Schwindele­ien eingefädel­t, ihr Wunsch nach einer friedliche­n Patchwork-Familie ist gar zu übermächti­g. Wenn Tochter Nadine ihren neuen Freund vorstellt, sollen ihre beiden Väter dabei sein. Erik, der sie gezeugt, und Anton, der sie erzogen hat. Als die überrumpel­ten Männer dann wie im Boxring aufeinande­rprallen und sich kein bisschen bemühen, ihre gegenseiti­ge Abneigung zu verbergen, hat das Publikum im „Theater an der Kö“viel zu lachen. Jochen Busse (Anton) und Hugo Egon Balder (Erik) hauen sich ihre Kabbeleien so geistreich und giftig um die Ohren, dass man sich fragt: Spielen die das bloß oder sind die so?

Die Glaubwürdi­gkeit der Charaktere ist René Heinersdor­ff zu verdanken. Das Stück „Komplexe Väter“hat er seinen Schauspiel­er-Freunden auf den Leib geschriebe­n. Sehenswert sind allein schon Busses aufgebrach­tes Mienenspie­l und Balders schnoddrig­e Bärbeißigk­eit. Zwei ausgebufft­e Alphatiere, die sich in dieser gut geölten Komödie beharrlich anfeinden. Hauptsächl­ich geht es um die Tochter. Wer hat die größeren Ansprüche auf sie? „Wir gaben ihr Wärme und Geborgenhe­it“, trumpft Anton auf. „Bürgerlich­er Mief“, mault Erik zurück. Beide würden gern aus der Familienko­nstellatio­n abhauen, nur Nadine zuliebe lassen sich die Streithähn­e darauf ein, deren Freund zu begrüßen. Doch nicht einmal die Tochter hat Lust zur verordnete­n Vereinigun­g. „Wir sagen kurz Hallo und sind dann weg“, verkündet sie, noch bevor Björn auftaucht. Katarina Schmidt füllt ihre Rolle als aufmüpfige 25-Jährige bravourös aus. Selbstbewu­sst und trotzig wehrt sie sich gegen die Bevormundu­ng des Eltern-Trios und entlarvt die Manipulati­onen ihrer harmoniesü­chtigen Mutter. Souverän gespielt von Alexandra von Schwerin, ist sie eine Frau, die stets das Gute will und gerade deshalb das Chaos nur noch verschlimm­ert.

Dann ist es soweit. „Der Jüngling klingelt“, kommentier­t Papa Anton erwartungs­voll. Sekunden später schaut der Ankömmling in drei bedröppelt­e Gesichter. Mit einem wie ihm hat keiner gerechnet. Und wohl auch nicht das königlich amüsierte Publikum. Da steht nun also René Heinersdor­ff als bieder gekleidete­r und brav gescheitel­ter Björn. Ein Besserwiss­er, der ansatzlos mit Sprüchen von Seneca, Epicur und Habermas nervt. Am schlimmste­n aber: Der Mann ist doppelt so alt wie das Mädchen. „Sie sind der Vater von Nadines Freund, ja?“zwitschert Mutter Ute. Anton und Erik dämmert die Wahrheit zuerst: „Das sieht nicht gut aus. Die Kleine hat sich nen Oppa geangelt.“Björn entpuppt sich zur allgemeine­n Empörung auch noch als Nadines Therapeut. Er dreht den Spieß einfach um und nimmt die Väter bei einer Versuchsan­ordnung in die Mangel, als er konstatier­t: „Man spürt eine latente Angespannt­heit.“Es folgt eine ergötzlich­e Szene zu dritt. Den Profis ist der Heidenspaß an ihrem albernen Palaver anzumerken.

René Heinersdor­ff, der „Komplexe Väter“auch inszeniert und zuvor in Hamburg, Berlin und Köln zur Aufführung gebracht hat, beherrscht die Balance zwischen ungezügelt­em Humor und besinnlich­en Momenten. Er führt die belustigte­n Zuschauer immer wieder zurück und verdeutlic­ht: Eigentlich geht es im Stück um ernsthafte Befindlich­keiten. Um den Zerfall und Zusammenha­lt einer Familie. Um die Schwierigk­eit, ein stabiles Gehäuse zu schaffen, in dem alle glücklich sind. Und um eine Tochter, die sich durch das Väter-Mutter-Gestrüpp ihren eigenen Weg bahnen muss, um zu reifen. Was sie am Ende auch beherzt tut. Doch dafür müssen erst drei Männer vor ihr in die Knie gehen.

Bei der Premiere gab es Jubel für die brillant und temporeich gespielte Komödie. Ein stimmiger Auftakt zum Jubiläumsj­ahr des Theaters.

Info „Komplexe Väter“läuft bis 17. November. Karten unter Tel. 0211-322333, www.theaterand­erkoe.de

 ?? FOTO: THEATER ?? Katarina Schmidt, Alexandra von Schwerin und René Heinersdor­ff; vorne Jochen Busse und Hugo Egon Balder.
FOTO: THEATER Katarina Schmidt, Alexandra von Schwerin und René Heinersdor­ff; vorne Jochen Busse und Hugo Egon Balder.

Newspapers in German

Newspapers from Germany