Rheinische Post Hilden

Kriegsgefa­hren weit über Teheran hinaus

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Situation im Nahen Osten ähnelt auf frappieren­de Weise den Beschreibu­ngen, die der australisc­he Historiker Christophe­r Clark in seinem Buch von den „Schlafwand­lern“zum Hineinruts­chen Europas in den Ersten Weltkrieg geliefert hat: zu viele Akteure, die zunehmend auf gewaltsame Lösungen setzten und sich über die Tragweite ihrer jeweiligen Handlungen zu wenig bewusst waren.

Die Drohnenang­riffe von 2019 auf die saudischen Erdölanlag­en sind mit den Schüssen von 1914 in Sarajevo auf den österreich­isch-ungarische­n Thronfolge­r und seine Frau nicht vergleichb­ar. Aber heute wie damals geht es um Vermutunge­n über die Drahtziehe­r, die dahinterst­ehenden staatliche­n Akteure. Und heute wie damals kann eine militärisc­he Antwort eine Kettenreak­tion weit über den Kernkonfli­kt zwischen Wien und Belgrad, zwischen Riad und Teheran hinaus auslösen.

Wiederholt hat Israel angekündig­t, eine atomare Bewaffnung des Irans nicht zuzulassen. Wiederholt hat der Iran angekündig­t, Israel vernichten zu wollen. Auch an dieser Front brennt längst eine Lunte. Der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten hat den Gegensatz zwischen Saudi-Arabien und dem Iran längst in Stellvertr­eterkriege münden lassen. Die humanitäre Katastroph­e im Jemen ist einer davon, der Krieg in Syrien ein anderer.

Wie brenzlig die Lage auch für Europa ist, lässt sich an den ersten Ausschläge­n am Öl-Markt ablesen, die Vorzeichen für eine schwere Krise der Weltwirtsc­haft sein könnten. Auch die Terrorgefa­hr ist nicht geschwunde­n. Es gäbe allen Grund zu mehr europäisch­en diplomatis­chen Anstrengun­gen. Vielleicht kommt das Publikum mit Blick auf die Aufgaben der Kanzlerin wenigstens zu der Erkenntnis, dass neben dem Klimaschut­z auch noch anderes wichtig ist.

VOR EINEM KRIEG ZUCKT TRUMP ZURÜCK, POLITIK

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