Vor einem Krieg zuckt Trump zurück
Der US-Präsident hat sich in eine Klemme manövriert: Im Iran weiß man, dass er einen offenen Konflikt scheut. Das nutzen die Mullahs aus.
BERLIN Die Drohnen- und Raketenangriffe auf saudische Raffinerien haben nach Einschätzung deutscher Außenpolitiker die konfliktbeladene Region in eine Situation gebracht, in der sie jederzeit in einen Krieg hineinstolpern könnte. Nach der Eskalation zwischen Saudi-Arabien, dem Iran und den USA stehe der Nahe Osten „ganz kurz vor einem Krieg“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU).
Bundeskanzlerin Angela Merkel bemüht sich, zumindest am Rand der unmittelbaren Konfliktzone für mehr Stabilität zu sorgen. So will das Bundeskabinett am Mittwoch eine fünfmonatige Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Jordanien auf den Weg bringen. Am Vortag versicherte die Kanzlerin dem jordanischen König Abdullah II. nach einer Unterredung im Kanzleramt, Deutschland wolle „immer auf der Seite der Deeskalation stehen“. Dazu gehört für Merkel nicht nur der Appell zur Mäßigung im Iran-Konflikt, sondern auch die Kritik an den Ankündigungen von Israels Premier Benjamin Netanjahu, im Fall seiner Wiederwahl das Jordantal zu annektieren. Annexionen seien einer Friedenslösung immer abträglich, „und deshalb sind wir damit nicht einverstanden“, sagte Merkel. Sie lässt derweil auch eine Libyen-Konferenz vorbereiten. Ob in der Region, befeuert durch viele weitere schwelende Konflikte, ein heißer Krieg ausbricht, der sich wie ein Flächenbrand ausdehnen könnte, hängt nach wie vor insbesondere von US-Präsident Donald Trump ab. Der US-Geheimdienst hat dem saudischen Verbündeten nach Medienberichten seine Erkenntnisse übermittelt, wonach die Angriffe am vergangenen Samstag vom Iran aus mit „mehr als 20 Drohnen und mindestens zwölf Raketen“ausgeführt worden waren. Die Attacken hatten Anlagen in Flammen aufgehen lassen, die fünf Prozent der weltweiten Ölversorgung sicherstellen. Die Folge war ein Preissprung beim Öl wie zuletzt in der Golfkrise Anfang der 90er Jahre. Der Iran behauptete, Urheber der Angriffe seien jemenitische Huthi-Rebellen gewesen, die in ihrem Land gegen eine von Saudi-Arabien geführte Allianz kämpfen.
Trump hatte von einem „sehr großen Angriff“gesprochen, hielt sich aber auch am Dienstag mit weiteren Kommentaren auffällig zurück. Washington werde Riad sicherlich zur Hilfe kommen, doch zunächst müsse die Verantwortlichkeit „definitiv“geklärt werden. Bereits im Juni hatte Trump einen Vergeltungsschlag gegen iranische Einrichtungen nach dem Abschuss einer US-Drohne durch den Iran zehn Minuten vor dem Angriff abgesagt. Er bereitet sich auf den Wahlkampf für eine zweite Amtszeit vor und steht bei seinen Wählern im Wort, amerikanische Soldaten aus Kriegs- und Krisengebieten heimzuholen. Ein neuer Kriegsschauplatz könnte seine Wiederwahl gefährden.
Trump sieht sich mit einer gefährlichen Lage konfrontiert, die auch durch sein Zutun noch komplizierter geworden ist. Durch seinen einseitigen Ausstieg aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran hat er Teheran als einen Akteur aufs Spielfeld der Weltpolitik geholt, der wieder und wieder austestet, wie weit er mit seinen Provokationen gehen kann. Das Wiederanwerfen der Anlagen zur Herstellung von waffenfähigem Nuklearmaterial geht einher mit verstärkten militärischen Aktivitäten in der Straße von Hormus.
So kann der Iran sich auf Augenhöhe mit wichtigen internationalen Akteuren fühlen. Außenminister Mohammad Javad Sarif war Ende August der Überraschungsgast im französischen Biarritz während des G7-Treffens der Staats- und Regierungschefs. Präsident Hassan Ruhani verhandelte Anfang der Woche mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Ankara über die Zukunft Syriens, und in der kommenden Woche wurde am Rande der UN-Generaldebatte sogar eine Begegnung zwischen Ruhani und Trump erwartet. Offensichtlich will das Weiße Haus angesichts der Angriffe auf Saudi-Arabien eine solche zusätzliche Aufwertung des Irans nun aber unbedingt vermeiden.
In Berlin ist man sich noch nicht ganz einig, wie mit der neuen Lage am Golf umzugehen ist. Nachdem CDU-Politiker mit Blick auf die Angriffe auf Saudi-Arabien eine Lockerung des Waffenembargos in Aussicht gestellt hatten, machte Merkel inzwischen klar, dass der demnächst auslaufende Lieferstopp verlängert werde.