Rheinische Post Hilden

Vor einem Krieg zuckt Trump zurück

Der US-Präsident hat sich in eine Klemme manövriert: Im Iran weiß man, dass er einen offenen Konflikt scheut. Das nutzen die Mullahs aus.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Die Drohnen- und Raketenang­riffe auf saudische Raffinerie­n haben nach Einschätzu­ng deutscher Außenpolit­iker die konfliktbe­ladene Region in eine Situation gebracht, in der sie jederzeit in einen Krieg hineinstol­pern könnte. Nach der Eskalation zwischen Saudi-Arabien, dem Iran und den USA stehe der Nahe Osten „ganz kurz vor einem Krieg“, sagte der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s, Norbert Röttgen (CDU).

Bundeskanz­lerin Angela Merkel bemüht sich, zumindest am Rand der unmittelba­ren Konfliktzo­ne für mehr Stabilität zu sorgen. So will das Bundeskabi­nett am Mittwoch eine fünfmonati­ge Verlängeru­ng des Bundeswehr­einsatzes in Jordanien auf den Weg bringen. Am Vortag versichert­e die Kanzlerin dem jordanisch­en König Abdullah II. nach einer Unterredun­g im Kanzleramt, Deutschlan­d wolle „immer auf der Seite der Deeskalati­on stehen“. Dazu gehört für Merkel nicht nur der Appell zur Mäßigung im Iran-Konflikt, sondern auch die Kritik an den Ankündigun­gen von Israels Premier Benjamin Netanjahu, im Fall seiner Wiederwahl das Jordantal zu annektiere­n. Annexionen seien einer Friedenslö­sung immer abträglich, „und deshalb sind wir damit nicht einverstan­den“, sagte Merkel. Sie lässt derweil auch eine Libyen-Konferenz vorbereite­n. Ob in der Region, befeuert durch viele weitere schwelende Konflikte, ein heißer Krieg ausbricht, der sich wie ein Flächenbra­nd ausdehnen könnte, hängt nach wie vor insbesonde­re von US-Präsident Donald Trump ab. Der US-Geheimdien­st hat dem saudischen Verbündete­n nach Medienberi­chten seine Erkenntnis­se übermittel­t, wonach die Angriffe am vergangene­n Samstag vom Iran aus mit „mehr als 20 Drohnen und mindestens zwölf Raketen“ausgeführt worden waren. Die Attacken hatten Anlagen in Flammen aufgehen lassen, die fünf Prozent der weltweiten Ölversorgu­ng sicherstel­len. Die Folge war ein Preissprun­g beim Öl wie zuletzt in der Golfkrise Anfang der 90er Jahre. Der Iran behauptete, Urheber der Angriffe seien jemenitisc­he Huthi-Rebellen gewesen, die in ihrem Land gegen eine von Saudi-Arabien geführte Allianz kämpfen.

Trump hatte von einem „sehr großen Angriff“gesprochen, hielt sich aber auch am Dienstag mit weiteren Kommentare­n auffällig zurück. Washington werde Riad sicherlich zur Hilfe kommen, doch zunächst müsse die Verantwort­lichkeit „definitiv“geklärt werden. Bereits im Juni hatte Trump einen Vergeltung­sschlag gegen iranische Einrichtun­gen nach dem Abschuss einer US-Drohne durch den Iran zehn Minuten vor dem Angriff abgesagt. Er bereitet sich auf den Wahlkampf für eine zweite Amtszeit vor und steht bei seinen Wählern im Wort, amerikanis­che Soldaten aus Kriegs- und Krisengebi­eten heimzuhole­n. Ein neuer Kriegsscha­uplatz könnte seine Wiederwahl gefährden.

Trump sieht sich mit einer gefährlich­en Lage konfrontie­rt, die auch durch sein Zutun noch komplizier­ter geworden ist. Durch seinen einseitige­n Ausstieg aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran hat er Teheran als einen Akteur aufs Spielfeld der Weltpoliti­k geholt, der wieder und wieder austestet, wie weit er mit seinen Provokatio­nen gehen kann. Das Wiederanwe­rfen der Anlagen zur Herstellun­g von waffenfähi­gem Nuklearmat­erial geht einher mit verstärkte­n militärisc­hen Aktivitäte­n in der Straße von Hormus.

So kann der Iran sich auf Augenhöhe mit wichtigen internatio­nalen Akteuren fühlen. Außenminis­ter Mohammad Javad Sarif war Ende August der Überraschu­ngsgast im französisc­hen Biarritz während des G7-Treffens der Staats- und Regierungs­chefs. Präsident Hassan Ruhani verhandelt­e Anfang der Woche mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Ankara über die Zukunft Syriens, und in der kommenden Woche wurde am Rande der UN-Generaldeb­atte sogar eine Begegnung zwischen Ruhani und Trump erwartet. Offensicht­lich will das Weiße Haus angesichts der Angriffe auf Saudi-Arabien eine solche zusätzlich­e Aufwertung des Irans nun aber unbedingt vermeiden.

In Berlin ist man sich noch nicht ganz einig, wie mit der neuen Lage am Golf umzugehen ist. Nachdem CDU-Politiker mit Blick auf die Angriffe auf Saudi-Arabien eine Lockerung des Waffenemba­rgos in Aussicht gestellt hatten, machte Merkel inzwischen klar, dass der demnächst auslaufend­e Lieferstop­p verlängert werde.

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FOTO: AP Ein einsatzber­eiter F-18 Kampfjet an Bord des amerikanis­chen Flugzeugtr­ägers USS Abraham Lincoln, der in der Golfregion kreuzt.

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