Eons Jobabbau trifft vor allem Essen
Mit der Freigabe des Innogy-Deals durch die EU entsteht ein neuer Energieriese. Zum Abbau von 5000 Jobs soll es in wenigen Wochen Klarheit geben, auch Dortmund und München sind betroffen. An der Börse ist RWE der Sieger.
ESSEN Für Eon-Chef Johannes Teyssen war der Dienstag ein Feiertag. „Nun werden wir erstmal die Geschenkbox auspacken“, sagte er vor Journalisten. Kurz nach neun Uhr hatte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ihre Entscheidung verkündet: Eon darf die RWE-Tochter Innogy unter Auflagen übernehmen und zu einem Konzern mit 50 Millionen Kunden und 70.000 Mitarbeitern werden. Den Deal hatten Eon und RWE vor 18 Monaten vereinbart. Nach dem Tausch von Anteilen und Beteiligungen wird Eon zum Megakonzern für Stromnetze und Vertrieb, RWE wird zum beherrschenden Stromerzeuger und zugleich zum drittgrößten Ökostromanbieter in Europa. „Das ist ein historischer Tag für unser Unternehmen, ähnlich dem Börsengang 1965 von Veba und der Verschmelzung von Veba und Viag zur Eon im Jahr 2000“, so Teyssen. Nun gehe es darum, die Stärken von Eon mit denen von Innogy zu verbinden. Die Folgen des Deals:
Mitarbeiter Teyssen bekräftigte das Ziel, dass die Übernahme ab 2022 zu Einsparungen von 600 bis 800 Millionen Euro pro Jahr führen soll. „Es bleibt dabei, dass wir dazu maximal 5000 Stellen abbauen.“In den nächsten Wochen sollten die Mitarbeiter Klarheit darüber bekommen, welche Standorte und Bereiche betroffen seien. Der Abbau solle, wie den Gewerkschaften zugesagt, sozialverträglich erfolgen. Die Standorte Essen, Dortmund und München würden naturgemäß besonders betroffen sein, kündigte Teyssen an. In Essen haben Innogy und Eon zusammen rund 6000 Mitarbeiter, in Dortmund gut 2000 und in München einige Hundert. In Essen sitzen die Zentralen beider Konzerne, in Dortmund große Teile des Netzund Vertriebsgeschäfts von Innogy. Die Eon-Zentrale in Essen bleibt. Doch viele Stellen in Verwaltung, IT und Querschnittsfunktionen sind nun bedroht. Ein Quote, wonach die Hälfte des Abbaus auf Innogy- und die andere Hälfte auf Eon-Mitarbeiter entfalle, gebe es nicht, betonte Leonhard Birnbaum, der für Eon das Integrationsteam führt.
Vorstand Bei der Besetzung der Top-Posten geht die Innogy-Mannschaft leer aus. Für Hildegard Müller (Netzvorstand) und Bernhard Günther (Finanzchef) gibt es keine Zukunft im neuen Konzern, auch nicht für Innogy-Chef Uwe Tigges, den Teyssen für seine Arbeit sehr lobte. Dagegen bleiben alle fünf Eon-Vorstände im Amt. Der Aufsichtsrat hat bekräftigt, dass Teyssen auch die neue Eon führen soll. Sein Vertrag läuft noch bis Ende 2021. Ob er dann weitermacht? „Leben ja, alles andere wird man sehen“, sagte Teyssen augenzwinkernd. Bei den gut 50 Managern der ersten Führungsebene sei eine faire Aufteilung gefunden worden, etwa die Hälfte der Stellen sei mit Innogy-Managern besetzt worden.
Aufsichtsrat Der Aufsichtsrat der neuen Eon wird für eine bestimmte Zeit um sechs Kontrolleure auf 20 Mitglieder erweitert, unter anderem zieht RWE-Chef Rolf Martin Schmitz in das Kontrollgremium ein. RWE wird im Zuge der gemeinsam beschlossenen Aufteilung mit knapp 17 Prozent neuer Großaktionär von Eon. Zudem kommen Ex-BDI-Chef Ulrich Grillo und die Unternehmensberaterin Deborah Wilkens in den Aufsichtsrat.
Aktionäre Schon am Mittwoch überträgt RWE seinen Innogy-Anteil von 76,8 Prozent an Eon, zudem haben viele Innogy-Aktionäre das freiwillige Übernahme-Angebot angenommen, das in Kürze wirksam werden soll. Dann hält Eon 90 Prozent an Innogy und startet den Squeeze-Out-Prozess, bei dem die verbleibenden Minderheitsaktionäre von Innogy abgefunden werden sollen. Die erwarteten Gerichtsprozesse dürften sich aber Jahre hinziehen. Auch eine Hauptversammlung wird es geben, in der über die Höhe der Abfindung entschieden wird.
Auflagen Eon ist mit vergleichsweise milden Kartellauflagen davongekommen. Insgesamt müssen die beiden Unternehmen zwei Millionen Kunden, zwei Milliarden Euro Umsatz und einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag an Gewinnen abgeben. Der größte Brocken dabei ist das Strom- und Gaskundengeschäft in Tschechien. Hinzu kommt Ungarn. In Deutschland muss Eon sein Geschäft mit Heizungsstrom (Nachtspeicherheizungen, Wärmepumpen) abgeben, das umfasst 400.000 Kunden – unter ihnen Johannes Teyssen selbst. „Ich werde wohl bald wechseln und heimkommen“, kündigte er an. Der Eon-Chef zeigte sich erleichtert über das grüne Licht aus Brüssel und sagte mit einem Seitenhieb auf Thyssenkrupp: „Das ist mit sehr verkraftenden Zugeständnissen gelungen. Wir haben die gescheiterten Fusionspläne von Siemens und Thyssenkrupp vor Augen.“Eon habe nicht dem Kopf durch die Wand gewollt.
Stromkunden Mit Genugtuung sieht Teyssen, dass Vestager die Klagen von Konkurrenten, der Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt sei in Gefahr, nicht erhört hat: „Das Wettbewerbsrecht soll den Wettbewerb schützen, nicht die Wettbewerber.“Er sieht keine Gefahr, dass nun die Strompreise steigen könnten. So etwas würde Eon gar nicht versuchen, denn das würde angesichts der Konkurrenz zu einer Kündigungswelle führen. Konkurrent Lichtblick kritisierte dagegen das EU-Votum: Die Auflagen änderten nichts an der künftigen Marktmacht von Eon, eine solche Machtkonzentration habe es im deutschen Energiemarkt noch nie gegeben.
Nächste Schritte
Bis zu 2000 Mitarbeiter waren mit dem Zusammenschluss beschäftigt. Im „Cleanteam“, das abgeschottet in der Alfredstraße in Essen saß, wurde alles en détail vorbereitet. Günther und Birnbaum, die Integrationsbeauftragten, sind zuversichtlich, dass der Frust bei den Innogy-Mitarbeiter nun überwunden ist. Auch wenn von dem jungen Konzern nichts bleiben wird, nicht einmal die Marke. „Nach 18 Monaten Trockenschwimmen beginnt nun die eigentliche Arbeit“, sagte Teyssen. Dazu gehört auch eine Lösung für das verlustreiche Geschäft in Großbritannien. Hier werde es zügig Entscheidungen geben, so Teyssen. Sein Fazit: „Ich bin demütig, denn die Integration eines Unternehmens von gleicher Größe ist kein Pappenstiel.“
Folgen für RWE
Auch Innogys Noch-Mutter will sich nun in den Umbau stürzen: „Brüssel hat den Weg freigemacht für die neue RWE. Das macht uns zu einem global führenden Unternehmen im Bereich der Erneuerbaren Energien“, sagte RWE-Chef Schmitz. „Diese Aufgabe nehmen wir jetzt mit voller Kraft in Angriff.“An der Börse ist RWE ohnehin der Sieger: Während die Eon-Aktie seit Bekanntgabe des Deals im Frühjahr 2018 nahezu stabil blieb, hat die RWE-Aktie um über 60 Prozent zugelegt.