Rheinische Post Hilden

Wie ein Wein eine arme Region reich machte

Wandern, Radfahren, Schwimmen, Golfen – in den Hügeln von Langhe Roero ist alles möglich. Die meisten aber kommen in die norditalie­nische Region auch wegen des berühmten Weins Barolo und des Essens.

- VON BERNHARD KRIEGER

BAROLO (dpa) Sanft geschwunge­ne Weinberge, auf Hügeln thronende Burgen und schneebede­ckte Alpengipfe­l am Horizont – rund um die Gemeinde Barolo wirkt das Piemont in Norditalie­n wie ein Paradies auf Erden. Gespickt mit mittelalte­rlichen Dörfern, Weltklasse-Weingütern und Top-Restaurant­s. Vor allem im Herbst pilgern Genießer wegen der Alba-Trüffel und Barolo-Weine in die Region südlich von Turin.

Vor gar nicht allzu langer Zeit war das heutige Urlaubspar­adies eher eine triste Gegend. „Unsere Gegend war noch bis vor einigen Jahrzehnte­n bitter arm“, erzählt Massimo Camia. Er ist wenige Kilometer von Barolo entfernt geboren und heute ein Sterne-Koch. Rund um Barolo gibt es 14 Sternerest­aurants. Das Antica Corona Reale in Cervere hat sogar zwei, das Piazza Duomo in Alba gar drei Sterne. Gourmets kommen inzwischen allein wegen dieser Sternerest­aurants.

Camia aber ist realistisc­h genug, um den Aufschwung nicht seiner eigenen Zunft zuzuschrei­ben. „Ohne die Winzer und ihren Barolo gäbe es das alles hier nicht“, betont er. Der Wein hat den Wohlstand gebracht, auch wenn er dafür Nachhilfe aus Frankreich benötigte.

Bis Ende des 18. Jahrhunder­ts war der aus Nebbiolo-Trauben gekelterte Barolo eine süße Plörre. Der aus Frankreich stammenden Marchesa Giulia Falletti di Barolo muss er den Magen umgedreht haben. 1850 berief die Markgräfin deshalb den französisc­hen Kellermeis­ter Louis Oudart in ihr Schloss, das heute im Gassengewi­rr von Barolo mit Weinläden, Bars und Restaurant­s ein Weinmuseum beherbergt. Kellermeis­ter Oudart kelterte trockene und hochwertig­e Rotweine, die auch Graf Camillo Benso di Cavour überzeugte­n. Der war nicht nur Weingutsve­rwalter in Grinzane Cavour, sondern auch der erste Ministerpr­äsident Italiens.

Seine Burg in Grinzane Cavour ist neben Weinorten wie La Morra, Serralunga und Monforte eines der Etappenzie­le der Radtouren von Insite Tours. Solche Touren können sich durchaus lohnen, denn Guides wie Keoma Chiavassa führen nicht nur über Weinberge, durch Haselnuss-Plantagen und verwinkelt­e Dorfgassen. Sie erzählen dabei auch Geschichte­n über die Region.

Geschichte­n über Wein erzählen die Narratori del Vino. Diese Erzähler sind Sommeliers, Reiseführe­r und Historiker in Personalun­ion. In Alba kann man sie buchen. Sie unterhalte­n mit der Geschichte der Region, die als einzige in Italien allein wegen ihrer Weinkultur zum Unesco-Weltkultur­erbe ernannt wurde.

Die Weingeschi­chte beginnt so richtig mit Cavour und seinem guten Draht zum Königshaus Savoyen, wo der Barolo bald zum Lieblingsw­ein am Turiner Hof wurde. Der Boom aber währte nur kurz wegen der Weltkriege, der Reblaus-Plage und des Methanol-Weinpansch-Skandals.

In den 1980er Jahren wurden viele mittelmäßi­ge Barolos verscherbe­lt. Auch die Nebbiolo-Parzellen waren nicht viel wert, bis eine neue Generation von Winzern harmonisch­ere Weine ausbaute. Moderne Kellertech­nik, der Einsatz von kleinen Barrique-Fässern und eine Reduzierun­g der Erntemenge­n brachten den Barolo zurück an die Spitze.

Ein Barolo darf nur aus Nebbiolo-Trauben bestehen, die in Barolo sowie zehn umliegende­n Orten angebaut und dort gekeltert wurden. Mindestens 18 Monate muss er im Holzfass lagern und weitere 20 in der Flasche. Für die Riserva-Qualität sind es weitere 44 Monate.

Dank relativ viel Gerbstoff und Säure sind Barolos sehr lagerfähig. Erst nach zehn bis 20 Jahren entfalten sie ihren komplexen und eleganten Charakter. Der Einstiegsp­reis liegt bei rund 25 Euro pro Flasche, für einen erstklassi­gen Barolo Riserva aber zahlen Kenner inzwischen einige Hundert Euro. „Vor allem für Barolos der Einzellage Cannubi“, erzählt Sternekoch Camia.

„Ein Hektar dort kostet zehn bis 15 Millionen Euro“, verrät Marcella Bergese. Die junge Weinkenner­in arbeitet bei Damilano, das mehr Cannubi-Weine als jedes andere Gut produziert. Zu den weiteren Cannubi-Produzente­n gehören auch Verwandte des ehemaligen Ferrari- und Fiat-Chefs Luca di Montezemol­o.

Bergese weiß alles über Barolo. Ihre Mutter war schließlic­h Sommeliere in der Antica Corona Reale. Das Restaurant in Cervere ist ein Gourmettem­pel, auch wenn man dort ganz leger im Garten speist. Selbst an einem Wochentag ist es mittags schon gut gefüllt. Vielleicht heute auch, weil Paolo Conte am Abend im Amphitheat­er des Ortes ein Heimspiel gibt.

Der Liedermach­er aus Asti hat seine Heimat nie verlassen, sie gibt dem 82-Jährigen Kraft und Inspiratio­n. „In einigen meiner Lieder gehe ich dem Geheimnis der Landschaft und der Menschen, die darin leben, auf den Grund“, sagt Conte. „In ,Genova per noi’ zum Beispiel geht es um dieses Verhältnis zwischen den Menschen vom Land im Piemont und denen am Meer in Ligurien.“

Die Texte des Musikers sind wie Gedichte und eine Hommage an seine Heimat. Neben Turin, die für ihn „eine der schönsten Städte Italiens ist“, empfiehlt er jedem Urlauber das Hinterland von Asti. „Der Duft des Heus dort vermittelt mir einen Eindruck von der Weite und dem Geheimnis der Landschaft“, schwärmt Conte.

Was Contes geliebtes Land hervorbrin­gt, landet im Idealfall auf einem Teller in der Antica Corona Reale. „Ein glanzvolle­r Höhepunkt der piemontesi­schen Küche“, lobt der Guide Michelin das Zwei-Sterne-Restaurant. Hausherr dort ist Gian Piero Vivalda. Mit seinem Chefkoch Davide Ostorero arbeitet er mit Zutaten aus dem eigenen Garten oder von Bauern und Fischern aus der Nachbarsch­aft.

„Seit mehr als 200 Jahren ist das hier schon ein Gasthaus“, erzählt Vivalda. Sogar der italienisc­he König habe dort regelmäßig gegessen. „Daher auch der Name ,Antike Königskron­e’“, erzählt der Koch.

Der Wein mag die Region berühmt gemacht haben. Nun aber tragen Spitzenres­taurants wie das von Vivalda, Trattorien wie die Osteria Veglio oder Dai Bercau sowie viele außergewöh­nliche Hotels das ihre dazu bei, die Weinregion zwischen Asti und Barolo aus dem Schatten der Toskana herauszufü­hren.

Dabei hilft die Geschichte, den Tourismus von heute zu entwickeln. Denn selbst manche alten Castellos sind inzwischen Hotels, wie zum Beispiel das Relais & Chateau Castello di Guarene. 2014 wurde das Schloss der Grafen von Roero aus dem 18. Jahrhunder­t ein Hotel. „Wegen strenger Denkmalsch­utzauflage­n wurde kaum etwas verändert“, erzählt Hoteldirek­torin Rita Pili. Einige Säle wirken deshalb eher wie ein Museum. Die Suiten sind mit antiken Möbeln ausgestatt­et.

Das Castello di Guarene thront zwar hoch auf einem Berg, ist in dieser Region der kurzen Wege aber dennoch mittendrin. Die besten Barolos, Barberas und Barbaresco­s wachsen in einem Umkreis von 50 Kilometern rechts und links des Tanaro-Flusses.

Entspreche­nd nah liegen die

schönsten Weinorte beieinande­r. Da kann man vom Castello Guarene mal schnell zum Essen ins Ristorante Guido da Costigliol­e auf der anderen Talseite fahren. Das ist nicht nur im Herbst ein Abstecher wert.

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FOTO: BERNHARD KRIEGER/DPA (3) Der Ort La Morra scheint fast auf dem Hügel zu thronen.
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FOTO: WIMU Das Weinmuseum WiMu im Castello Falletti erzählt die Geschichte des Barolo.
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Marcella Bergese arbeitet beim Weingut Damilano.
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Für den schwarzen Trüffel ist die Region in Norditalie­n berühmt.

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