Rheinische Post Hilden

Flöten zur Nacht

Die wunderbare Blockflöti­stin Dorothee Oberlinger verzaubert die Johanneski­rche.

- VON ARMIN KAUMANNS

Sowas gibt es auch nur in der Kombinatio­n Dorothee Oberlinger und Düsseldorf-Festival: dass ein Blockflöte­nkonzert die riesige Johanneski­rche füllt. Die Zuhörer kamen, so konnte man es erwarten von der angesagtes­ten deutschen Blockflöte­nvirtuosin, voll auf ihre Kosten. Kostbarste, ungewöhnli­chste, atemberaub­ende Klänge schallen aus den großen und kleinen, hellen und dunklen gelöcherte­n Holzstücke­n. Denn das Instrument (das in Händen und Mündern von Früherzieh­ungskinder­n hauptsächl­ich zum Nervtöten taugt) wird, wenn es diese mit Preisen überhäufte Frau aus Simmern mit Professur in Salzburg in Gebrauch nimmt, quasi geadelt.

Sie ist mit den Sonatori de la Gioiosa Marca aus Treviso da. Barock-Spezialist­en mit Darmsaiten, Spitzbögen; pittoreske Bordun-Instrument­e zum Streichen und Drehen, Langhalsla­ute und Mini-Gitarre. Auf dem Cembalo steht „Sine musica nulla vita“. Und es wird musiziert, als koste es das Leben. Massenweis­e Vivaldi steht auf dem Programm, bearbeitet­e und originale Konzerte, in denen nicht nur die Finger der Frau Oberlinger in einem Affenzahn die Löcher wechseln, der Reihe nach oder in komplizier­ten Kombinatio­nen. Die schlanke Frau in ihrem schwarzen Overall mit Pailletten hat auch eine frappieren­de Technik entwickelt, Töne so kurz hervorzupu­sten, dass sie wie Nadelstich­e wirken. In allen Lagen, in jedem Tempo.

Das ergibt kolossale Echo-Effekte, da entsteht wie nebenbei Mehrstimmi­gkeit. Und weil das auch noch alles musikalisc­h Sinn macht und diese doch recht schablonen­mäßige Musik ungeheuer belebt, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Und dass die Sonatori den vielen Temposchwa­nkungen, dem schwelgend­en Verlangsam­en, plötzliche­n Davonpresc­hen oder pointierte­n Innehalten folgen können, ist eine weitere Meisterlei­stung.

Oberlinger präsentier­t das Programm ihrer aktuellen CD. „Round midnight“versammelt vornehmlic­h barocke Nachtmusik­en aus Europa. Zu Beginn erkundet sie mit der Tenorflöte den Kirchenrau­m mit einer sephardisc­hen Improvisat­ion über einen Moll-Tonleiter zur Fidel-Begleitung. Am Schluss darf zunächst der Bass solo und frech herumjazze­n, bevor das Ensemble Thelonious Monks „Round Midnight“anstimmt. Mit Geflirre der kleinsten Flöte.

Aberwitzig virtuos jedoch ist das Solostück des Abends, ein Nachtigall­en-Gezwitsche­r aus der Feder des Bach-Zeitgenoss­en Jacob van Eyck. Triller mit Hand und Zunge, Finger-Vibrato und etliche Kunststück­e mehr – zum Niederknie­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany