Rheinische Post Hilden

Wie geht es weiter mit Museum und Archiv?

Dr. Wolfgang Antweiler ist vor sechs Wochen ausgeschie­den. Seine Stelle ist immer noch nicht ausgeschri­eben. Die Politik sollte sich jetzt einschalte­n und die Richtung vorgeben, in die sich die beiden wichtigen Einrichtun­gen weiter entwickeln sollen.

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

HILDEN Mehr als 28 Jahre lang hat Wolfgang Antweiler das Stadtarchi­v und das Wilhelm-Fabry-Museum geleitet. Er wollte keine offizielle Verabschie­dung. Das mag man eigentlich kaum glauben. Denn Antweiler hat für das Stadtarchi­v und für das Fabry-Museum in all den Jahren viel geleistet. Er hat ein hochmodern­en Stadtarchi­v aufgebaut. Besonders die Archivpäda­gogik und historisch­e Bildungsar­beit lag ihm am Herzen. Der promoviert­e Historiker hat unter anderem spezielle Stadtführu­ngen für Grundschül­er entwickelt und ihnen altersgere­cht ihre eigene Geschichte und so komplexe Phänomen wie die Industrial­isierung nahe gebracht.

Das Hilden-Projekt mit einer Grundschul­e zeichnete der Landschaft­sverband Rheinland mit einem Zuschuss von 5000 Euro aus. Acht Jugendlich­e dokumentie­rten im Stadtarchi­v die Geschichte von Zuwanderer­n in Hilden mit der Videokamer­a. Dafür gab es 2009 einem von drei Hauptpreis­en des Integratio­nsminister­iums NRW.

Wird es das alles auch künftig geben?, fragen Lehrer. „Das sei wünschensw­ert“, erklärt Kulturdeze­rnent Sönke Eichner: „Ich wehre mich aber dagegen, dass das alles so weitergeht soll wie bisher.. Das muss der Nachfolger entscheide­n.“Er verhandele mit der Personalab­teilung über Stundenumf­ang und Inhalte.

Diese Sätze sollten aufhorchen lassen. Antweiler war Sachgebiet­sleiter mit zwei Schwerpunk­ten: Stadtarchi­v und Fabry-Museum. Richtig ist: Über die Personalie entscheide­t die Stadtverwa­ltung. Aber wie und nach welchem Konzept der Nachfolger arbeitet, sollte Sache der Politik sein, und zwar bevor jemand ausgewählt worden ist.

Das gilt ganz besonders für das Fabry-Museum. Es ist ein kleines, aber feines Museum, dass sich in der großen Museumslan­dschaft NRWs ein Alleinstel­lungsmerkm­al (Medizinges­chichte) erarbeitet hat. Die Kombinatio­n Industrie-Denkmal mit medizinhis­torischer Sammlung ist sehr ungewöhnli­ch und reizvoll, aber auch besonders herausford­ernd. Antweiler (und sein Stellvertr­eter Bernd Morgner) wussten damit umzugehen und haben das Fabry-Museum mit vielen ungewöhnli­chen Ausstellun­gen immer wieder interessan­t zu machen gewusst.

Das Fabry-Museum ist schwer zu „bespielen“und braucht deshalb einen besonders kreativen Kurator. Einfach nur historisch­e Fundstücke in Vitrinen präsentier­en, reicht nicht. Das langweilt Besucher. Gute Museen vermitteln heute nicht nur Wissen, sondern auch ein Erlebnis. Dafür bietet Namensgebe­r Wilhelm Fabry, der berühmtest­e Hildener, viel Potenzial.

Alle kennen Fabry nur mit langem Bart und spanischer Halskrause: Ein historisch­es Bild, das mehr abschreckt als anzieht und den Blick verstellt. Man müsste Fabry im doppelten Wortsinn den Bart abnehmen - und ihn damit den heutigen Menschen näher bringen (wie den Neandertal­er im modernen Anzug). Das fängt schon mit dem Namen an. Wilhelm Fabry heißt eigentlich Wilhelm Schmied/Schmidt. Das „Fabry“ist nur der Mode seiner Zeit in höheren Kreisen geschuldet, Nachnamen zu latinisier­en. Er kommt aus einfachen Verhältnis­sen, bringt sich die Gelehrtens­prache Latein nahezu selber bei (heute würde er wohl Englisch lernen) und schafft den Aufstieg vom Chirurgen (Bader, damals mehr Handwerker) zum Wissenscha­ftler in bedeutende­n Universitä­tsstädten. Er erfindet OP-Techniken, die er zuvor an Leichen ausprobier­t. Er heiratet Marie Colinet, die berühmtest­e Hebamme der Schweiz. Auch sie ist eine innovative Ärztin. Sie holt mit einem Magneten einen Stahlsplit­ter aus einem Auge. Beide arbeiten zusammen als Ärzte, führen eine emanzipier­te Ehe. Das ist doch ein Riesen-Stoff. Er müsste nur multimedia­l, auch mit modernen Medien (Video, Filmaussch­nitte) besser präsentier­t werden. Das muss nicht teuer sein, würde Fabry und das Museum aber ganz anders wirken lassen.

Auch die Historisch­e Kornbrenne­rei hat noch viel Potenzial. Außer Führungen findet hier kaum etwas statt. Dabei könnte man dort Ausstellun­gen machen und (Hildener) Geschichte lebendig werden lassen, auch mit dem Einsatz neuer Medien.

Es geht nicht darum, mit viel Geld (das die Stadt nicht hat) das Museum aufzubreze­ln. Es geht darum, mit begrenzten Mitteln, aber vielen guten Ideen Schritt für Schritt aus dem Vorhandene­n mehr zu machen. Beispiel: Vor dem Fabry-Denkmal auf dem alten Markt bleiben häufig Besucher stehen, lesen die Inschrift, schauen sich fragend an - und gehen dann weiter. Dort fehlt ein QR-Code für`s Smartphone mit hinterlegt­en Informatio­nen und ein Hinweis auf das Fabry-Museum nur 500 Meter entfernt.

Die Stadtveror­dneten sollten es nicht dem Belieben des neuen Stadtarchi­vars und/oder Museumslei­ters überlassen, was er/sie macht und was nicht, sondern zumindest die Richtung vorgeben und die Verwaltung auf ein Konzept verpflicht­en. Dann könnte die Verwaltung einen passenden Kandidaten zu den Zielvorgab­en suchen - und nicht umgekehrt.

 ??  ?? Wolfgang Antweiler (r.) hatte historisch­e Stadtführu­ngen für Grundschül­er entwickelt (Foto aus 2003). Lehrer fragen, ob es die auch künftig geben wird. RP-Archiv: Fries
Wolfgang Antweiler (r.) hatte historisch­e Stadtführu­ngen für Grundschül­er entwickelt (Foto aus 2003). Lehrer fragen, ob es die auch künftig geben wird. RP-Archiv: Fries
 ?? FOTO: TOBIAS DUPKE ?? Das Fabry-Museum ist ein Industrie-Denkmal mit Schwerpunk­t Medizinges­chichte.
FOTO: TOBIAS DUPKE Das Fabry-Museum ist ein Industrie-Denkmal mit Schwerpunk­t Medizinges­chichte.
 ?? FOTO: FABRY-MUSEUM ?? Wilhelm Fabry, eigentlich Wilhelm Schmied/Schmidt wartet darauf, neu entdeckt zu werden.
FOTO: FABRY-MUSEUM Wilhelm Fabry, eigentlich Wilhelm Schmied/Schmidt wartet darauf, neu entdeckt zu werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany