Rheinische Post Hilden

Für eine Dienstpfli­cht in Zeiten der Krise

- VON MORITZ DÖBLER

Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Die Corona-Pandemie erweist sich für alle und alles als Stresstest, aber ganz unmittelba­r für Krankenhäu­ser und Pflegeeinr­ichtungen. Es ist der richtige Moment, über eine allgemeine Dienstpfli­cht nachzudenk­en. Manchen mag das wie ein Griff in die konservati­ve Mottenkist­e vorkommen, aber es geht um mehr.

Vor zehn Jahren wurde die Wehrpflich­t ausgesetzt. Nicht nur vertretbar, sondern geboten sei dieser Schritt, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel damals. Vertretbar und geboten ist es heute, junge Menschen in die Pflicht zu nehmen.

Der Artikel 12 des Grundgeset­zes, Grundlage der ausgesetzt­en Wehrpflich­t, dürfte nicht anzuwenden sein. Denn darin ist nur von Männern ab dem vollendete­n 18. Lebensjahr die Rede und eine Tätigkeit außerhalb der Bundeswehr als Ersatzdien­st für Kriegsdien­stverweige­rer vorgesehen. Allein im sogenannte­n Verteidigu­ngsfall können Frauen im Alter zwischen 18 und 55 Jahren für zivile Dienstleis­tungen herangezog­en werden.

Ein Verteidigu­ngsfall im Sinne des Grundgeset­zes liegt nicht vor. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron spricht zwar von einem Krieg. Deutsche sollten dieser Rhetorik aus gutem Grund nicht folgen – aber die Dimension stimmt. Auch Merkel sprach von der größten Herausford­erung „seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg“.

Es braucht nicht den alten Kriegs- oder Zivildiens­t, aber einen Friedensdi­enst – einen Einsatz für den sozialen Frieden. Es wäre ein starker Eingriff in das Leben junger Männer und Frauen, aber auch ihre Chance, der Gesellscha­ft etwas zurückzuge­ben für Freiheit und Wohlstand, in die sie hinein geboren wurden. Sechs oder zwölf Monate ihrer Lebenszeit – ist das zu viel verlangt?

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