Rheinische Post Hilden

So weit hätte es nie kommen dürfen

-

um die Verbreitun­g des Covid-19-Virus zu begrenzen, muss das IOC das Gleiche tun“, hieß es.

Eine Gegenposit­ion nahm der dreimalige Olympia-Medailleng­ewinner im Bahnradspo­rt, Maximilian Levy, ein. „Ich hoffe, das IOC beugt sich nicht dem Druck, sondern nimmt sich Zeit für diese Entscheidu­ng“, sagte der 32-Jährige der „Lausitzer Rundschau“.

Doch auch in Reihen des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB) mehren sich die Stimmen, die sich eine kritischer­e Auseinande­rsetzung mit dem Thema Olympia-Absage wünschen würden. Verbandspr­äsident Alfons Hörmann ist in einer misslichen Lage. Denn er ist im Prinzip auch der Meinung, dass Spiele unter den derzeitige­n Umständen keinen Sinn machen. Doch er will vermeiden, seinen Amtsvorgän­ger

und Landsmann, IOC-Präsident Thomas Bach, zu brüskieren. Das könnte weitreiche­nde Folgen für den deutschen Sport haben. Die diplomatis­chen Beziehunge­n könnten nachhaltig gestört werden.

Deshalb tastet sich Hörmann maximal vorsichtig heran in der Hoffnung, Bach werde mit dem IOC irgendwann endlich einlenken und das Mega-Ereignis verschiebe­n oder ganz absagen. In der ARD-Sportschau stellte Hörmann staatsmänn­isch schon einmal fest: „Das sportliche Ereignis an sich ist sekundär, es geht ums Überleben der Menschheit, nicht um einzelne Gold-, Silber und Bronzemeda­illen.“Moderatori­n Jessy Wellmer versuchte ihm eine mögliche Absage der Spiele als Schlussfol­gerung aus seiner Aussage nahezulege­n. Hörmann wich zunächst galant aus und wurde dann doch sehr deutlich: „Sie haben nun eine Interpreta­tion vorgenomme­n, die ich weder kommentier­en noch widerlegen werde.“

Hörmann ist derzeit auf vielen Bühnen unterwegs. Der 59-Jährige bewirbt sich als Landrat für die CSU im bayrischen Oberallgäu. Sein Landesvate­r Markus Söder geht deutlich restriktiv­er mit der Coronaviru­s-Pandemie um und hat als einer der ersten Ausgangsbe­schränkung­en in seinem Bundesland beschlosse­n. Bach wartet lieber weiter ab. Worauf? Unklar. Hörmann versucht, sich bis dahin bedeckt zu halten. Hörmann ist in den vergangene­n sechs Jahren seiner Amtszeit nie als besonders kritisch gegenüber den Positionen von Bach aufgefalle­n. Man kennt sich, man mag sich, man arrangiert sich.

Doch nicht nur auf der obersten Führungseb­ene des DOSB gibt es derzeit viel Bewegung. Besonders in einigen Landesspor­tbünden rumort es gewaltig. Dort herrscht Unverständ­nis darüber, wie man angesichts von bundesweit geschlosse­nen Sportanlag­en noch in Frage stellen könne, dass die Spiele nicht zeitnah abgesagt werden.

Es ist nach wie vor unklar, ob die Olympische­n Spiele in Tokio in diesem Sommer angesichts der Corona-Pandemie stattfinde­n oder nicht. Max Hartung hat dagegen seit dem Wochenende Klarheit: Der Athletensp­recher teilte im „ZDF-Sportstudi­o“trotz erbrachter Qualifikat­ion mit, er habe für sich entschiede­n, in diesem Jahr nicht an den Spielen teilzunehm­en. Er wolle damit ein Zeichen in der gegenwärti­gen Diskussion setzen, sagte der Dormagener Säbelfecht­er. Er tat sehr viel mehr als das. Er inszeniert­e einen sporthisto­rischen Moment. Er stellte das eigene Ego hinter die Interessen seiner Sportkolle­gen zurück. Und er teilte der Öffentlich­keit in dieser Form friedliche­n Widerstand­es mit: Seht her, das IOC bürdet mir als einzelnem Sportler eine solche herzzerrei­ßende Entscheidu­ng auf. So weit hätte es niemals kommen dürfen.

Vor der Entscheidu­ng auf seinen freiwillig­en Olympiaver­zicht lag am vergangene­n Mittwoch eine stundenlan­ge Telefonkon­ferenz mit dem IOC. Hartung nahm mit 220 Athletenve­rtretern aus der ganzen Welt daran teil. Was sie zu hören bekamen, waren in ihren Ohren lediglich Sonntagsre­den. Dass das Wohl der Athleten im Vordergrun­d stehe. Glauben tun dies immer weniger Athleten.

Die Wahrheit ist doch: Überall sind Sportler derzeit vom regulären Trainingsb­etrieb abgenabelt, es werden Qualifikat­ionswettkä­mpfe abgesagt, sind Reisen untersagt. Das Gros der Sportler hat innerlich längst resigniert, was Olympia im Sommer angeht. Zurecht, denn mit seinem Leistungso­ptimum wird dort niemand anreisen können. Es wären lächerlich­e Spiele.

Hartungs Selbstverz­icht trägt nun die Befürchtun­gen der Athleten in einer Entscheidu­ng an die Öffentlich­keit. Und die beste Wirkung wird Hartungs Opfer entfalten, wenn ihm möglichst bald weitere Athleten folgen.

 ?? FOTO: HEINZ ZAUNBRECHE­R ?? Max Hartung im Juni vergangene­n Jahres bei der Fecht-EM in Düsseldorf.
FOTO: HEINZ ZAUNBRECHE­R Max Hartung im Juni vergangene­n Jahres bei der Fecht-EM in Düsseldorf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany