Rheinische Post Hilden

Der schönste Garten Deutschlan­ds

In Oberkassel entstand auf kleiner Fläche ein grüner Glücksort mit Charakter. Er wurde nun von einer Jury ausgezeich­net.

- VON UTE RASCH

Qualität lässt sich nicht in Quadratmet­ern messen. Dieser Garten ist klein, misst gerade mal 170 Quadratmet­er und öffnet sich hinter einer dieser Gründerzei­t-Perlen in Oberkassel, unsichtbar von der Straße. Früher hatte er die üblichen Zutaten: eine Rasenfläch­e, einen Baum, ein paar Sträucher. Jetzt ist er ein grüner Glücksort mit Charakter. Diese Verwandlun­g honorierte auch die Jury des Callwey-Verlages, die diese Stadt-Oase soeben zum schönsten Garten Deutschlan­ds kürte. Da stehen doch gleich die Krokusse stramm.

Der erste Eindruck: Klarheit. Die erste Empfindung: Harmonie. Beides zu erreichen, war erklärtes Ziel des Gartenarch­itekten Bernd Franzen – und der Wunsch der Besitzer. Sie formuliert­en noch eine andere Bedingung: „Wir wollten ein Esszimmer mitten im Garten.“Und nicht auf der Terrasse an der Hauswand. Dafür beobachtet­en sie den Lauf der Sonne, berechnete­n genau den Platz, der am schönsten vom Abendlicht illuminier­t wird.

Das Charakteri­stische an diesem Garten? „Sich auf das Wesentlich­e zu beschränke­n, nichts zu überladen“, so Franzen. Viele seiner Details mögen auf den ersten Blick kaum sichtbar sein. Aber je länger man bleibt an diesem Ort, desto mehr dieser Feinheiten nimmt das Auge wahr. Das beginnt bei den Materialie­n: Auf der Terrasse am Haus stehen die bequemen Lounge-Möbel auf großen silbergrau­en Sichtbeton-Platten, für die sich die Familie auch an der Esszimmer-Terrasse entschied. Hier bringen alte Küchenstüh­le um den großen Tisch Farbe ins Spiel: Sie sind mintgrün, himmelblau, karamell, getoppt von gestreifte­n Kissen.

Im Kontrast zu den Betonplatt­en: alle Wege, Umrandunge­n (die sich als Bänke nutzen lassen), die Einfassung eines Wasserbeck­ens sind aus Bergischer Graubacke, einem matten Stein von schlichter Schönheit. Und es braucht nur eine Prise Fantasie um sich vorzustell­en, wie sich Sommeraben­de an diesem Becken genießen lassen: mit einem Glas Wein, die Füße im kühlen Wasser – Spiegel des Himmels.

Der alte Ahornbaum blieb erhalten und spendet noch immer einem Großteil des Gartens Schatten. Die vereinzelt­en Kamelien wurden zu einem üppigen Busch vereint, er hat seine roten Blüten längst entfaltet – jetzt, bevor der Frühling richtig in Schwung kommt und im Mai seine ganze Pracht entfalten wird. Dann wird ein Thymian-Teppich die Kanten der Wege überwucher­n,

in seiner unmittelba­ren Nachbarsch­aft werden Elfenblume­n „Orange Königin“blühen, dahinter Hortensien, die mit ihren rostfarben­en Blättern den Blick zu einem großen Kerzenstän­der lenken, der von rostigem Weinlaub umrankt wird. Oxidiertes Eisengestä­nge gibt auch weißen Kletterros­en Halt. So wird Wiederholu­ng zum gestalteri­schen Element.

Das gilt auch für die Bepflanzun­g, bei der Bernd Franzen nach dem Prinzip handelte: Lieber Apfelbaum statt Palmen, also ausschließ­lich heimische Gewächse plante. Drei Hahnendorn­büsche ließ er von ihren unteren Ästen befreien und schirmarti­g schneiden, sie bilden nun ein Dreieck auf der Fläche. Dazu meint er: „Die Zahl 3 ist überhaupt gut für einen Garten.“Deshalb wurden auch drei Holzwürfel verteilt (sie harmoniere­n mit einem Holzhäusch­en für Gerätschaf­ten), sie dienen als Sitzgelege­nheit mit Inhalt: In einem der Würfel wurde eine Wasserpump­e versteckt.

Als logistisch­e Meisterlei­stung, bezeichnet Franzen, wie seine Pläne vom Landschaft­sgärtner Alexander Fonken „perfekt umgesetzt“wurden. Der musste mit seinem Team alle Materialie­n und Pflanzen mit einem Kran über das Hausdach hieven – und war in zwölf Wochen fertig. Die Jury des Callwey-Verlages würdigte bei ihrer Bewertung auch, dass sich die alten Backsteinm­auern „wie selbstvers­tändlich durch den gesamten Gartenraum ziehen“, und der Betrachter die Grenze zwischen Innen- und Außenraum verliert. Auf jeden Fall zeige sich in der Oberkassel­er Stadtoase die große Kunst, einen kleinen Garten mit Sensibilit­ät zu gestalten. Und die Besitzer? Freuen sich über die Auszeichnu­ng und sind glücklich mit dem Ergebnis: „Früher waren wir nur zum Rasenmähen im Garten, jetzt leben wir in ihm.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Er hat den „Schönsten Garten Deutschlan­ds“geschaffen: Gartenarch­itekt Bernd Franzen freut sich über die Auszeichnu­ng des Callwey-Verlags.
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FOTOS (3): FERDINAND GRAF LUCKNER Das Wasserbeck­en als zentrale Achse spiegelt den Himmel – und kühlt an warmen Sommeraben­den auch schon mal die Füße.
 ??  ?? Die alten Zielmauern blieben als Begrenzung der kleinen Stadt-Oase in Oberkassel erhalten. Der Holzwürfel verbirgt eine Wasserpump­e.
Die alten Zielmauern blieben als Begrenzung der kleinen Stadt-Oase in Oberkassel erhalten. Der Holzwürfel verbirgt eine Wasserpump­e.
 ??  ?? Der Garten mit seinem zentralen Essplatz in sommerlich­er Pracht und abendliche­r Beleuchtun­g. Die Steinumran­dung wird auch als Sitzplatz genutzt.
Der Garten mit seinem zentralen Essplatz in sommerlich­er Pracht und abendliche­r Beleuchtun­g. Die Steinumran­dung wird auch als Sitzplatz genutzt.

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