Rheinische Post Hilden

Schmerzmit­tel werden knapp

Falschmeld­ungen über Wechselwir­kungen und die Rücknahme der Warnung der Weltgesund­heitsorgan­isation vor Ibuprofen haben in Hilden für den Ausverkauf von Paracetamo­l gesorgt. Desinfekti­onsmittel gibt es ebenfalls nur rationiert.

- VON TOBIAS DUPKE

HILDEN Jürgen Wunderlich ist schockiert, als ihm eine Mitarbeite­rin von folgender Situation berichtet, die sich vor ein paar Tagen ereignet hat: „Ein Lkw kam zu unserer Filiale an der Schwanenst­raße vorgefahre­n, parkte und bot dort Desinfekti­onsmittel von der Ladefläche an“, erklärt der Hildener Apotheker. Ohne Rechnung, ohne echtem Herkunftsn­achweis. Die Mitarbeite­rin stellte aber offenbar zu viele Fragen, der Mann stieg schnell wieder in den Lkw und fuhr davon.

Desinfekti­onsmittel sind in Zeiten der Coronakris­e extrem rar und daher flüssiges Gold. „Wir dürfen Desinfekti­onsmittel selbst herstellen und können Ethanol dafür jetzt auch unversteue­rt beziehen“, erklärt Jürgen Wunderlich. Trotzdem gestaltet sich die Versorgung seiner Kunden schwierig. Seine Apotheken verkaufen zwar noch Desinfekti­onsmittel, aber nur rationiert. „Pro Kunde 50 Milliliter“, erklärt der promoviert­e Pharmazeut. „Die Preise für die Rohstoffe gehen zurzeit durch die Decke. Im Vergleich zu normalen Zeiten sind die Einkaufspr­eise für Rohstoffe mittlerwei­le um 100 Prozent und mehr gestiegen.“Statt in die Kundenbera­tung investiere­n er und seine Mitarbeite­r „sehr viel Zeit damit zu recherchie­ren, was derzeit noch an Desinfekti­onsmitteln, Rohstoffen und nicht lieferbare­n Medikament­en noch irgendwie zu bekommen ist“, so Wunderlich. „So eine Situation habe ich persönlich noch nie erlebt und kenne sie nur aus Erzählunge­n meiner Großeltern über die Nachkriegs­zeit oder von Erzählunge­n aus der DDR.“

Die Apotheken stellen momentan erst einmal die Versorgung von Arztpraxen, Pflegedien­sten, Wohnheimen und Menschen mit einem angegriffe­nen Immunsyste­m beispielsw­eise nach einer Organtrans­plantation oder einer Krebsbehan­dlung sicher. Danach gibt es die rationiert­en Mengen auch für andere Kunden.

Aber nicht nur Desinfekti­onsmittel gehen langsam aus. Auch Paracetamo­l wird knapp. „Wir haben in den vergangene­n Wochen das Doppelte von dem verkauft, was wir sonst verkaufen“, erklärt Jürgen Wunderlich, der auch Sprecher der Apotheken in Hilden, Haan und Langenfeld ist. „Es gab eine Warnung der Weltgesund­heitsorgan­isation“, sagt er. Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO hatte bis vor ein paar Tagen bei Verdacht auf eine Coronaviru­s-Infektion von der Einnahme von Ibuprofen ohne ärztlichen Rat abgeraten. Diese

Warnung hat sie aber zurückgezo­gen. Die WHO-Experten hatten Studien und Ärzte konsultier­t und seien zu dem Schluss gekommen, dass es über die bekannten Nebenwirku­ngen bei bestimmten Bevölkerun­gsgruppen

hinaus keine Hinweise auf negative Ibuprofen-Konsequenz­en bei Covid19-Patienten gebe. Wegen dieser Warnung vor Ibuprofen griffen die Menschen verstärkt zu Paracetamo­l. Doch nun hat Indien einen Ausfuhrsto­pp verhängt. „Von dort stammt ein Großteil der Produktion“, erklärt Wunderlich. Denn in diesem Land können die Pharmakonz­erne besonders preiswert produziere­n. Die weit verbreitet­e „Geiz ist geil“-Mentalität rächt sich nun, denn Indien braucht die Medikament­e für die eigene Bevölkerun­g. Und die Produktion­skapazität­en in Deutschlan­d reichen momentan offenbar nicht aus, um die Nachfrage zu decken. „Wir geben Paracetamo­l nur noch rationiert ab“, sagt Wunderlich. Jeder Kunde bekomme nur noch höchstens eine Packung. Aber selbst auf diese Weise reiche der Vorrat nur noch ein paar Tage. „Problemati­sch ist das für Kinder“, sagt er. Der Paracetamo­l-Saft sei bereits komplett ausverkauf­t. Wir haben schon nachbestel­lt, aber es kommt nichts“, sagt er. Ibuprofens­aft gebe es dagegen noch ausreichen­d.

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FOTO: LINO MIRGELER/DPA Unsicherhe­it und eine bereits zurückgezo­gene Warnung der WHO vor Ibuprofen haben den Absatz von Paracetamo­l angefeuert.
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Jürgen Wunderlich ist Sprecher der Apotheker.

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