Rheinische Post Hilden

Sorge vor Ansteckung in Kitas und Schulen

NRW hat die Regeln für die Notbetreuu­ng gelockert. Kinderärzt­e und Betreuer warnen nun vor neuen Infektions­ketten. Gesundheit­sminister Laumann verweist auf die Bedeutung der Betreuung für das medizinisc­he Personal.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Die Lockerung der Regeln in NRW für die Notbetreuu­ng von Kindern in Schulen und Kitas trifft bei Pädagogen und Ärzten auf Unverständ­nis. „Wenn wir die Kinder wieder vermehrt in Kitas und Schulen betreuen lassen, riskieren wir neue Infektions­ketten“, sagte Christiane Thiele, Landesvors­itzende des Berufsverb­andes Kinder- und Jugendärzt­e, unserer Redaktion. Einerseits würden die Regeln für die Allgemeinh­eit gerade durch ein Kontaktver­bot deutlich verschärft. Auf der anderen Seite aber kämen durch die am Freitag erlassenen neuen Regeln zur Kinderbetr­euung jetzt wieder mehr Kinder in Gruppen zusammen. „Wenn wir das so aufweichen, bekommen wir ein großes Problem“, gab Thiele, Kinderärzt­in in Viersen, zu bedenken.

Die Landesregi­erung hatte am Freitag angeordnet, dass künftig nur noch ein Elternteil in einer kritischen Infrastruk­tur wie etwa einem medizinisc­hen, pflegerisc­hen oder anderen systemrele­vanten Beruf

tätig sein müsse, um die eigenen Kinder in einer Notbetreuu­ng unterzubri­ngen. Zuvor galt dies für beide Eltern – der Betreuungs­bedarf lag dabei landesweit nur bei drei bis vier Prozent der Kinder.

Karl-Josef Laumann (CDU), NRW-Gesundheit­sminister, verteidigt­e die Lockerung der Regeln: „Zu viele Krankensch­western sind in der vergangene­n Woche zu Hause geblieben, um ihre Kinder zu betreuen.“Weil die Frauen meist deutlich weniger verdienten als ihre Männer, hätten sie sich überwiegen­d zur Betreuung der Kinder bereit erklärt, fehlten nun aber. „Ich bin froh, dass die Eltern in systemrele­vanten Bereichen jetzt eine erweiterte Möglichkei­t zur Betreuung bekommen.“

Tatsächlic­h ist der Bedarf am ersten Tag der neuen Regelung offenbar gestiegen, vor allem in Kitas. Nach ersten Stichprobe­n am Montag habe sich die Nachfrage mancherort­s erhöht: „Es scheint deutlich mehr Bedarf zu geben“, sagte Maike Finnern, Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW). Genauere

Zahlen der Landesregi­erung soll es Mitte dieser Woche geben.

Die Leiterin einer großen Kindertage­seinrichtu­ng, die aus Angst um ihren Arbeitspla­tz anonym bleiben will, äußerte große Besorgnis: „Jedes Kind und jeder Mitarbeite­r im Gebäude ist eine potenziell­e Virenschle­uder.“Eine unwissentl­ich infizierte Erzieherin, die ein Kind auf den Schoß nehme, gebe das Virus ausgerechn­et an ein Kind weiter, dessen Eltern in systemrele­vanten Berufen arbeiten. Umgekehrt könnten auch symptomfre­ie, aber infizierte Kinder andere in ihrer Gruppe anstecken – ebenso wie die Erzieherin.

„Ich teile diese Kritik“, sagte GEW-Landeschef­in Finnern. Aus ihrer Sicht muss mehr getestet werden, um Infektione­n frühzeitig zu erkennen. Auch müssten Risikogrup­pen wie die über Sechzigjäh­rigen oder vorerkrank­te Pädagogen sowie Schwangere bei der Notbetreuu­ng außen vor bleiben, wie es in den Schulen laut Ministeriu­m der Fall sein soll. Zudem müsse in den Kindertage­sstätten für bessere

Hygiene, Handschuhe und Mundschutz gesorgt werden. „Es gibt eine Verantwort­ung, das System am Laufen zu halten. Aber es gibt auch eine Verantwort­ung den Beschäftig­ten gegenüber“, sagte Finnern.

Gesundheit­sminister Laumann dämpfte die Erwartunge­n: „Erzieher in Kitas erhalten Schutzklei­dung, wenn wir etwas haben.“Eine Lösung könne darin bestehen, in Kitas Schutzklei­dung zu verwenden, die zwar nicht den Standards in Krankenhäu­sern entspreche, aber in Kitas durchaus ihren Zweck erfüllen könnte.

Das NRW-Schulminis­terium wies darauf hin, dass es intensive Abstimmung­en mit den Gesundheit­sämtern gebe, um Lehrer beim Infektions­schutz zu unterstütz­en. Das Ministeriu­m werde auf die Kommunen einwirken, damit die notwendige Hygiene in den jetzt noch benötigten Räumen eingehalte­n werde. In die Notbetreuu­ng dürften zudem nur Kinder, bei denen kein Verdacht auf eine Corona-Infektion bestehe und für die keine anderweiti­ge Betreuung organisier­t werden könne.

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