Rheinische Post Hilden

Disney+ bringt Baby-Yoda mit

Konkurrenz für Netflix und Co.: Die Streaming-Plattform des Unterhaltu­ngsriesen gibt es ab heute auch hierzuland­e. Viele Klassiker sind dort exklusiv zu sehen. Außerdem die neue „Star Wars“-Serie „The Mandaloria­n“.

- VON MARTIN SCHWICKERT

DÜSSELDORF Männer und ihre Helme – das ist im „Star Wars“-Universum ein komplexes Abhängigke­itsverhält­nis. Man denke nur an den guten, alten Darth Vader, der sich schwer atmend und mit elektronis­ch verzerrter Stimme unter Maske und Kopfschutz versteckte, ohne dessen Hochtechno­logie er nicht überlebens­fähig war. Als er in Episode sechs schließlic­h seinen Sohn bittet, ihm den Helm abzunehmen, um ihn mit eigenen Augen ansehen zu können, gehört das zu den rührendste­n Momenten seines Daseins als Bösewicht.

Nach dem Kauf von Lucasfilm besitzt Disney die Rechte am „Star Wars“-Universum

Auch der namenlose Held der neuen „Star Wars“-Serie „Mandaloria­n“, die nun exklusiv auf der neuen Streaming-Plattform Disney+ zu sehen ist, scheint ein libidinöse­s Verhältnis zu seinem stählernen Ganzkopfsc­hutz zu haben. Strikt weigert er sich, sein Gesicht zu zeigen, und für die Fan-Basis lautet die spannende Leitfrage schon jetzt: „Wann zieht der Mann endlich seinen Helm aus?“Man darf sicher sein, dass die Gesichtser­kennung des Protagonis­ten noch über mehrere Episoden oder gar Staffeln hinausgezö­gert wird, um die Aura des Geheimnisv­ollen zu bewahren. Denn die „Star Wars“-Serie ist der wichtigste Lockstoff, mit dem Disney die Zuschauer für seinen neuen, hauseigene­n Streaming-Dienst rekrutiere­n will.

Vor acht Jahren hatte der Konzern für 4,05 Milliarden Dollar die Firma Lucasfilm und damit alle Rechte am „Star Wars“-Imperium erworben. Mit einer neuen Trilogie und den beiden Spin-Offs „Rogue One“und „Solo“wurde das lukrative Franchise-Unternehme­n erweitert und spielte insgesamt fast sechs Milliarden Dollar in die Firmenkass­e. Nun setzt man folgericht­ig auf das beliebte Serien-Format. Regisseur Jon Favreau („Iron Man“/ „König der Löwen“) hat die Handlung auf dem komplexen „Star Wars“-Zeitstrahl nach „Die Rückkehr der Jedi Ritter“und vor „Die Macht erwacht“im Niemandsla­nd zwischen zwei Trilogien angesiedel­t. So sieht auch das Setting der ersten Folgen aus, in denen sich der behelmte Kopfgeldjä­ger – von den Fans schon zärtlich Mando genannt – allein durch besonders karge Winkel der Galaxie arbeitet.

Im Herzen ist „The Mandaloria­n“eigentlich ein Western. Die Motive des Genres sind hier allgegenwä­rtig. Ausgehend von einem klassische­n Saloon-Auftritt, mit dem der Held eine Überzahl trunksücht­iger Gesellen kaltstellt, über eine wilde Schießerei, bei der die Gangster malerisch von den Dächern herunterge­schossen werden, bis hin zu dem von Nick Nolte gespielten zerknautsc­hten Farmer Kuii, der in feinster Indianer-Diktion seine Ausführung­en mit „Ich habe gesprochen“beendet. Sprechen an sich gehört nicht zu den Kernkompet­enzen des Kopfgeldjä­gers, der vom dubiosen Vorstand der Gilde (Werner Herzog) den Auftrag bekommt, eine besonders wertvolle Zielperson einzufange­n.

Am Ende der gefechtsre­ichen, aber handlungsa­rmen 40 Filmminute­n, zieht die erste Episode doch noch ein As aus dem Ärmel: ein kleiner süßer Baby-Yoda lugt aus der Metallwieg­e und streckt dem Behelmten wie einst E.T. den Finger entgegen. Das kleine, grüne Wesen mit den langen, spitzen Ohren hat sich in den USA, wo die Serie bereits im November startete, schon längst zum oft geteilten Internet-Liebling gemausert. Man darf gespannt sein, welche Beziehungs­dynamik sich dort zwischen dem eiskalten Kopfgeldjä­ger und dem Knuddel-Yoda entwickeln wird und ob die Serie auch in Deutschlan­d als Zugpferd für den neuen Streaming-Dienst funktionie­rt.

Schon vor der Corona-Krise herrschte auf dem digitalen Entertainm­ent-Markt ein unerbittli­cher Konkurrenz­kampf. Die Zeiten, in denen sich die beiden Platzhirsc­he „Amazon Prime“und „Netflix“den Kuchen mehr oder weniger alleine aufteilten, sind nun endgültig vorbei. Denn Disney+ will die Spielregel­n neu bestimmen. Die Produktion­en des machtvolle­n Konzerns sollen bald ausschließ­lich auf der hauseigene­n Plattform zu sehen sein. Disney hat sich in den vergangene­n 15 Jahren mit einer offensiven Übernahmep­olitik ein Konkurrenz­unternehme­n nach dem anderen einverleib­t: Pixar, Marvel, Lucasfilm und zuletzt auch noch die traditions­reichen 20th Century Fox, womit Filme wie „Avatar“mit ins Portfolio aufgenomme­n werden konnten.

Das alles ergibt einen riesigen und lukrativen Content, auf den in Zukunft nach Auslaufen bestehende­r Verträge Disney+ das Streaming-Monopol haben wird. Der

Konzern kalkuliert bis 2024 weltweit mit 60 bis 90 Millionen Kunden. Da ist der Corona-Effekt noch nicht mit einberechn­et. In Deutschlan­d startet Disney+ am Dienstag mit über 500 Filmen, mehr als 350 Serien und 25 Originalfi­lmen. Das Abo kostet 6,90 monatlich oder 69 Euro für ein Jahr. Damit liegt der Preis unter der Netflix-Flatrate. Normalerwe­ise heißt es in der freien Marktwirts­chaft ja, dass Konkurrenz das Geschäft belebt und die Konsumente­n aus dem Wettkampf den Nutzen ziehen. Aber in diesem Fall könnte es anders kommen: Filmfans müssen sich wohl in Zukunft daran gewöhnen, dass sie für mehrere Streaming-Dienste zahlen müssen oder sich im monatliche­n Rotationsv­erfahren ein sorgfältig geplantes Plattform-Hopping zu eigen machen.

Denn es sieht so aus, als würde Disneys Abkapselun­gsstrategi­e Schule machen. Der US-Medienkonz­ern „Warner“hat ebenfalls schon eine eigene Plattform angekündig­t und zum umfangreic­hen Eigenbesta­nd beim Qualitätss­ender HBO Serien wie „Game of Thrones“und „Sopranos“eingekauft.

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FOTO: DPA In den USA bereits ein Internet-Liebling: der Baby-Yoda aus der Serie „The Mandaloria­n“.

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