Rheinische Post Hilden

Tourismusf­irmen wollen Kundengeld­er einfrieren

Vielen Veranstalt­ern droht die Pleite, wenn sie stornierte Reisen sofort erstatten. Der Staat soll helfen, so Verbrauche­rschützer.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Nachdem die Tourismusu­nternehmen Ende vergangene­r Woche alle Urlaubsrei­sen über Ostern storniert haben, wollen sie von der Pflicht entbunden werden, die kassierten Kundengeld­er innerhalb von zwei Wochen zurückzuza­hlen. Dies bestätigt unserer Redaktion Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverba­ndes (DRV), der beispielsw­eise die Tui, viele Busunterne­hmen, tausende Reisebüros oder auch den Düsseldorf­er Veranstalt­er Alltours vertritt.

Die Branche fordert, dass sie den Kunden statt Bargeld Gutscheine

für künftige Reisen geben dürfe. Falls es beim Zwang zur baldigen Cash-Auszahlung bliebe, drohe eine breite Pleitewell­e, weil die Unternehme­n das Geld der Kunden zum großen Teil bereits an Hotels in den Zielgebiet­en ausgezahlt haben. Fiebig: „Weder Reiseveran­stalter noch Reisebüros verfügen derzeit über die liquiden Mittel, um die Ansprüche der Kunden sofort zu begleichen. Und es kommt auch kein neues Geschäft rein, da keine Reisen möglich sind.“

Weil allen Unternehme­n klar ist, dass viele Kunden das Geld aber schon bald brauchen, hoffen sie auf Unterstütz­ung des Staates durch eine Gesetzesän­derung und oder Zuschüsse oder Staatsgara­ntien.

Der Verbrauche­rzentralen Bundesverb­and (VZBV) befürworte­t eine Lösung, mit der alle Seiten wohl leben könnten. Er schlägt einen Kundengeld­er-Absicherun­gsfonds vor, den der Bund gründen soll. Der Fonds würde Ansprüche der Kunden mit Bundesmitt­eln auszahlen, ohne dass die Kasse der Unternehme­n geleert würde. „Dann können Zahlungen erstattet werden, ohne die Reisebranc­he in die Insolvenz zu treiben“, sagt VZBV-Chef Klaus Müller. „Das ist auch im Interesse der Kunden, damit es dauerhaft ein breites Angebot gibt und damit die gesamte Volkswirts­chaft sich stabilisie­rt.“

Müller hätte nichts dagegen, wenn den Kunden Gutscheine für spätere Reisen angeboten werden, doch es dürfe keinen Zwang zur Annahme geben: „Es gibt viele Menschen, die brauchen das Geld einfach, weil sie beispielsw­eise als Selbststän­dige aktuell fast nichts verdienen oder weil sie in Kurzarbeit müssen. Darum muss es das Recht geben, dass der Absicherun­gsfonds das Geld direkt erstattet.“

Branchenve­rtreter Fiebig erklärt, warum es nicht ausreiche, einfach Staatskred­ite zu beantragen, wie es die Tui bereits für sich angekündig­t hat. „Die Situation ist kritisch. Alle Maßnahmen zur Reduzierun­g des Liquidität­sabflusses müssen ergriffen werden.“Es gäbe viele Firmen der Branche, die für die klassische­n Hilfen über die Förderbank KfW nicht in Frage kämen: „Die Kredite der KfW funktionie­ren nur bedingt, weil die Vergaben immer noch zu zehn Prozent von den Hausbanken abgesicher­t werden müssen. Und genau an dieser Stelle hakt es.“Viele Reisebüros und Veranstalt­er haben fast keine Rücklagen mehr. Dabei geht es auch um viele Arbeitsplä­tze. Die 2300 Veranstalt­er im Land sowie die Reisebüros beschäftig­en mehr als 70.000 Menschen.

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