Rheinische Post Hilden

Die virtuelle Hauptversa­mmlung

Wegen des Versammlun­gsverbots müssen Aktionärst­reffen eigentlich verschoben werden – es sei denn, die Eigentümer können von zu Hause aus teilnehmen. Das sieht ein Gesetzentw­urf der Regierung vor.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Bei Hauptversa­mmlungen der börsennoti­erten deutschen Unternehme­n sind oft Hunderte, mitunter auch Tausende dabei. Sie drängen in den Saal und ans Buffet, sie knubbeln sich am Eingang und auf den Toiletten. Das ist in Zeiten der Coronakris­e natürlich undenkbar und nach dem Versammlun­gsverbot vom Wochenende auch nicht erlaubt. Viele Aktionärst­reffen sind bereits abgesagt worden. Am Montag verschoben die Bayer-Abspaltung­en Covestro und Lanxess ihre für den 17. April respektive 13. Mai geplanten Hauptversa­mmlungen bis auf Weiteres.

Damit die jährlichen Zusammenkü­nfte der Anteilseig­ner und deren Vertreter überhaupt noch stattfinde­n können, ist der Bund den Konzernen am Montag mit einem Gesetz zur Seite gesprungen. Es ermöglicht den Unternehme­n, statt der laut Aktiengese­tz zwingend vorgeschri­ebenen Präsenz-Hauptversa­mmlung das Treffen online zu veranstalt­en. „Aktiengese­llschaften können nun erstmals virtuelle Hauptversa­mmlungen durchführe­n“, sagte Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht nach Verabschie­dung des Gesetzentw­urfs. Das heißt: Die Aktionäre wählen sich zu Hause etwa über den heimischen Laptop ein. Diese Variante bieten große Konzerne wie Daimler und die Deutsche Telekom schon an; in ihrer Satzung steht diese Möglichkei­t ausdrückli­ch drin. Dennoch war auch beim Autobauer und beim Telekom-Konzern das Angebot einer Präsenzver­anstaltung bisher vorgeschri­eben. Bei anderen ohne entspreche­nde Satzung war eine Online-Teilnahme gar nicht möglich.

All das ist in Corona-Zeiten anders. Allerdings sind mit der gesetzlich­en Regelung längst nicht alle Probleme gelöst. Ganz wichtig bei der virtuellen Hauptversa­mmlung, bei der es eine Bild- und Tonübertra­gung geben muss, ist beispielsw­eise, dass Aktionäre ihre Rechte auch online ausüben können. Zu diesen regelmäßig­en Rechten gehören die Abstimmung über die Dividenden­zahlung, die Entscheidu­ng über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsr­at, Beschlüsse über Kapitlerhö­hungen oder Abspaltung­en von Unternehme­nsteilen.

Nach dem Aktiengese­tz müssen Hauptversa­mmlungen innerhalb von acht Monaten nach dem Ende des Geschäftsj­ahres stattinden. Dieser Zeitraum solt auf ein volles Geschäftsj­ahr verlängert, die Frist für die Einladung von 30 auf 21 Tage verkürzt werden.Bei den virtuellen Aktionärst­reffen soll die Stimmabgab­e logischerw­eise online erfolgen – oder per Brief.

Auch Fragen sollen die Eigentümer des Unternehme­ns spätestens zwei Tage vor der Hauptversa­mmlung online einreichen können. Aber da scheiden sich die Geister.

Funktionie­rt die Technik, wenn Tausende sich zuschalten, und funktionie­rt damit auch das Online-Fragerecht der Aktionäre? Wenn nicht alle Fragen zugelassen werden und der Vorstand laut Gesetzentw­urf „nach pflichtgem­äßem freiem Ermessen“auswählen kann, besteht nicht die Gefahr, dass unliebsame Fragen außen vor bleiben? Schwierige­s Terrain.

Das Deutsche Aktieninst­itut begrüßte die Regelungen und forderte, dass Fragen schon vier Tage vor der Hauptversa­mmlung eingereich­t werden sollen. Ein Sprecher der Aktionärsc­hützervere­inigung DSW sagte unserer Redaktion: „Die Reaktion der Bundesregi­erung ist nachvollzi­ehbar und aktienrech­tlich in Ordnung. Wichtig ist, dass die Online-Hauptversa­mmlung zeitlich begrenzt ist und wir nach der Krise zur Präsenzver­anstaltung zurückkehr­en.“Begrüßensw­ert sei, dass das Unternehme­n einen Abschlag auf die Dividende zahlen könnten.

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FOTO:DPA Aktionärst­reffen.

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