Viele Arztpraxen planen Kurzarbeit
OPs verschoben, Patienten bleiben aus: Niedergelassene Ärzte geraten wegen Corona in wirtschaftliche Nöte.
DÜSSELDORF Alle reden über die Situation in den Krankenhäusern. Aber das Coronavirus wird auch zur großen Belastung für die niedergelassenen Ärzte: weil Patienten aus Sorge wegbleiben, Schutzkleidung fehlt, nicht dringliche Operationen abgesagt werden, weil Ärzte Angst haben, dass sich Patienten in ihrer Praxis anstecken könnten. „Ich nehme an vielen Stellen pure existenzielle Angst wahr“, sagt Gefäßchirurg Sven Gregor. Und: „Im chirurgischen Bereich sind Praxen schneller pleite, als Sie gucken können.“
Viel davon kommt bei Andre Schumacher an. Der Hausarzt ist Vorsitzender der Kassenärztlichen Verenigung in Düsseldorf. 1500 niedergelassene Ärzte gebe es in der Stadt, wie viele Arztpraxen es gibt, weiß Schumacher nicht. Er als Hausarzt komme einigermaßen klar, wer aber etwa mit großen Teams planbare Operationen durchführe und hohe Raum- und Personalkosten zu decken habe, gerate jetzt in wirtschaftliche Nöte. Drei Beispiele:
Der Internist
In Pempelfort arbeitet Andreas Behrens mit vier weiteren Medizinern in einer großen Praxis von Internisten und Allgemeinmedizinern. Eine Kollegin ist wegen ihrer Schwangerschaft in Zwangsurlaub, eine andere aus der Krankheit noch nicht zurück. Die Patienten werden nur noch in reduzierter Zahl in die Praxisräume gelassen und in den beiden großen Wartezimmern separiert, es werden aber auch viele Termine von ihnen abgesagt. „Viele sparen sich jetzt den Check-up, den die Krankenkassen bezahlen“, sagt Behrens, „oder die Reiseimpfung fällt weg.“Die Praxiszeiten sind bereits verkürzt, in Kürze sollen zehn Mitglieder der Belegschaft in Kurzarbeit geschickt werden.
Stark zugenommen hat der Mailverkehr, der nun im Wechsel mit Patiententerminen stattfindet. Dabei wird beispielsweise der Rat gegeben, bei Husten bitte nicht in die Praxis zu kommen. Der Lungenfunktionstest, der normalerweise gleich angeordnet würde, soll später stattfinden. Die Videosprechstunde, die „nebenbei“eingeführt werden soll- te, nimmt nun viel größeren Raum ein. Die Kommunikation hat sich verändert: Viele Patienten fragen, ob sie sich Sorgen machen müssen, sie sind unsicher und wollen beruhigt werden. „Und sie danken uns, dass wir da sind“, sagt Behrens, „das hat es noch nicht gegeben.“
Der Augenarzt
Die Hauck Rohrbach Augencentren zählen 80 Mitarbeiter, zwölf davon Ärzte, in Düsseldorf, Wuppertal, Neuss und Wülfrath.
Die Mitarbeiter sollen jetzt in Urlaub gehen, dann in Kurzarbeit. Gerhard Rohrbach will seine Mitarbeiter nicht verlieren, „sie sind sehr qualifiziert, und sie sind nicht leicht zu finden, wenn die Krise vorbei ist“.
Die akuelle Situation sei ein zweischneidiges Schwert. Man wolle das Virus eindämmern, und da seien volle Wartezimmer kontraproduktiv, andererseits sei die wirtschaftliche Situation ein Problem. „Wir sind keine Hotels, die volle Bücher vorweisen können“, sagt Rohrbach, „für uns ist der Nachweis der Verluste
schwerer zu führen.“Allen gingen „die Muffen auf Grundeis“.
Die Standorte sollen nach Möglichkeit für Notfälle geöffnet bleiben. Aber die Operationen, vor allem bei den älteren Menschen, sind kaum möglich. „Sie können keinen jungen Mediziner, der vielleicht infiziert ist, einen grauen Star operieren lassen“, sagt dazu Schumacher.
Der Gefäßchirurg
Sven Gregor hat die Entscheidung gefällt: Nächste Woche wird die Praxis an der Kölner Landstraße auf Null gefahren. „Ich
will nicht der Verteiler des Virus sein. Wir müssen unsere Patienten schützen.“Vier Ärzte gehören zur Praxis, gedacht ist für Notfälle an ein rollierendes System: ein Arzt arbeitet eine Woche und wechselt dann für zwei Wochen in Quarantäne. Die 13 Mitarbeiter gehen in Kurzarbeit, „die beiden Azubis bleiben wohl aus rechtlichen Gründen“.
Gefäßchirurgie heißt für Gregor, dass der Patient nach der OP gut betreut wird. „Er muss vier Wochen für mich zur Verfügung stehen, sonst operiere ich nicht.“Komplikationen könnten immer auftreten. „Ins Krankenhaus könnte ich bei größeren Komplikationen ja jetzt niemanden schicken.“Manche Kollegen, die in den letzten zehn Jahren ihre Praxis übernommen hätten, befürchteten, dass ihr Lebensfinanzierungsprogramm zerstört werde. Er selbst versuche, die Praxis aufrechtzuerhalten, ohne pleite zu gehen.