Mittelalter aus Leidenschaft
Der Verein Bergische Lehnsritter organisiert mittelalterliche Turniere. Dabei wird Wert auf die historischen Quellen des 13. Jahrhunderts gelegt.
DÜSSELDORF In Aufzeichnungen aus dem Jahr 1288 ist zu lesen, dass ein Dietrich von Keppeln zu den ersten Rittern gehörte, die in der Schlacht von Worringen die Flucht ergriffen. Mehr als 700 Jahre nach dem Tod des fahnenflüchtigen Ritters lässt sein Nachfahre trotz dieses wenig ritterlichen Verhaltens die Geschichte wieder aufleben. Friedhelm Kippels zeigt den Wappenschild seiner Familie, drei weiße Muscheln auf Rot. Er gehört zu den treibenden Kräften der Bergischen Lehnsritter, einem Verein, der normalerweise regelmäßig auf Mittelaltermärkten in ganz Deutschland unterwegs ist. Zurzeit finden die Treffen wegen der Corona-Krise natürlich nicht statt.
Vor 29 Jahren gingen die Bergischen Lehnsritter aus dem Verein Lehnsritter und Stadttrompeter hervor, der wiederum eine der ersten Mittelaltergruppen in Deutschland war. Inzwischen hat der Verein rund 75 Mitglieder, die in ganz Deutschland, aber auch im europäischen Ausland verteilt sind. Herzstück der Truppe ist ihr liebevoll ausgebautes Vereinsheim, das sie in den Hammer Brückentürmen bezogen haben. Dort hat Friedhelm Kippels mit Unterstützung anderer Vereinsmitglieder nicht nur eine Taverne und einen Rittersaal eingerichtet, sondern auch Schlafräume und Wohnstuben – alle mit Bildern und Wappenschilden an den Wänden dekoriert.
Die Truppe stellt das Kriegswesen, Lagerleben und die Turniere des späten 13. Jahrhunderts dar. Auf den Mittelaltermärkten zeigen die Mitglieder den Besuchern, wie das Leben damals ausgesehen hat, präsentieren ihr Können bei Schwertkampf, Bogenschießen – und der Paradedisziplin der Lehnsritter: dem Turnier zu Pferde. Kippels erklärt, wie viel Übung das Tjosten (Lanzenstechen) erfordert. Die Mitglieder der Lehnsritter haben ausgebildete Pferde, die Turnierbahn, in der die Konkurrenten aufeinander zureiten, haben sie selbst gebaut.
„Wenn wir kämpfen, egal ob im Sattel oder zu Fuß, ist das nicht abgesprochen. Wir machen keinen Schaukampf, sondern Vollkontakt“, sagt der Vereinsvorsitzende Manfred Reingen. Dazu besitzen die Kämpfer im Verein schwere Rüstungen, Helme und Kettenhemden, die nach historischem Vorbild hergestellt sind – teils in Eigenarbeit, teils von darauf spezialisierten Waffenschmieden, die es beispielsweise in Tschechien gibt.
Festgehalten werden die Taten der modernden Lehnsritter, aber auch Anekdoten aus dem Lagerleben und Berichte über die historischen Vorbilder in der Vereinszeitschrift Glossa Bergica, für die Rolf Drückhammer oder auch Rudolf von Gerresheym verantwortlich sind.
Aber längst nicht alle Mitglieder des Vereins messen sich in den mittelalterlichen Kämpfen – die, wie Reingen und Kippels zugeben, nicht ganz ungefährlich sind. „Die Lehnsritter sind ein Verein für die ganze Familie“, erklärt Kippels, dessen Tochter selbst im Tjost reitet. Er betont, dass kämpfende Frauen auf mittelalterlichen Turnieren durchaus vorgekommen seien. Aber auch abseits der Kämpfe gibt es viel Mittelalter: Die Kleidung wird zum Großteil selbst hergestellt, die Vereinsmitglieder üben auf den Märkten verschiedenes Handwerk aus, zeigen neugierigen Besuchern den Alltag im Heerlager. Frauen und Kinder sind im Verein vertreten, ganze Familien leben auf den Veranstaltungen wie im 13. Jahrhundert. Einige Paare haben sich sogar in der historischen Umgebung kennengelernt. „Die wichtigste Person ist sowieso immer der Koch“, bemerkt Reingen. Denn vor den Zelten bereiten die Lehnsritter auch ihr Essen
auf historisch korrekte Art zu. Abends gibt es dann Spielmannsmusik sowie Bier und Met. „Aber nicht so viel, dass man am nächsten Morgen nicht mehr im Sattel sitzen kann“, sagen die erfahrenen Freizeit-Ritter. Sie haben – wie jedes Mitglied des Vereins – eine historische Figur, an der sie sich orientieren, inklusive Wappen. Wenn er in seine Gewandung schlüpft, nennt sich Manfred Reingen um, beispielsweise nach Manfredius von Bylke: Er hat sich die historische Figur in Anlehnung an seinen eigenen Heimatstadtteil ausgesucht.
Gegen eine Bezahlung des Veranstalters treten die Lehnsritter mit ihrem Lager und dem spektakulären Tjost auf Mittelaltermärkten in der gesamten Region auf, machen aber auch Workshops an Schulen und Kindergärten. Höhepunkt ist das von ihnen selbst organisierte Turnier beim jährlichen Matthäusmarkt in Zons im September – ob es in diesem Jahr stattfinden wird, ist allerdings noch fraglich. Denn bis in den Juli sind nicht nur sämtliche Märkte und Turniere, sondern auch die internen Treffen der Hobby-Ritter abgesagt.