Rheinische Post Hilden

Eine Tageswande­rung entlang der Itter

Ein Tag, ein Fluss, gut 20 Kilometer: Unser Autor hat sich auf den Weg von der Quelle bis zur Mündung der Itter gemacht.

- VON DOMINIK SCHNEIDER

HILDEN/HAAN Das Flüsschen Itter hat einem der südlichen Stadtteile Düsseldorf­s seinen Namen gegeben. Fließen tut sie hier allerdings nur durch die Viertel Benrath und Urdenbach. Um den Fluss und seine Bedeutung für den Düsseldorf­er Süden zu verstehen, und weil das Wandern in der Natur im Moment zu den sichersten Freizeitbe­schäftigun­gen gehört, habe ich mich auf den Weg gemacht – entlang des gut 20 Kilometer langen Flüsschens, von der Quelle im Bergischen Land bis zur Mündung in den Rhein.

Die Itter entspringt im Solinger Stadtteil Gräfrath, die Quelle liegt versteckt in einem Wäldchen in der Nähe von Schloss Grünewald, einem prunkvolle­n Anwesen von 1817. Um den Quellort zu erreichen, muss man sich ein wenig durch den Buchenwald schlagen. Der Ort wirkt geradezu märchenhaf­t. Das Flüsschen entspringt aus einem dunklen Törchen und fließt wenige Meter, um dann ein kreisrunde­s Becken aus verwittert­en Steinen zu speisen, das als Heiliger Born bekannt ist.

Als nur wenige Zentimeter tiefer Wasserlauf fließt die Itter weiter durch den Wald, schlängelt sich um Steine, wird mal breiter, mal schmaler, und beginnt, ein eigenes Bachbett zu formen. Einige Hundert Meter hinter der Quelle verschwind­et sie ausnahmswe­ise unter der Straße; der Verlauf der Itter ist auf beinahe der gesamten Strecke oberirdisc­h.

Wieder ans Licht kommt sie wenig später, in einer kleinen Solinger Siedlung, wo die Fachwerkhä­user Vorgärten haben, in denen Hühner gehalten werden. Von dort aus beginnt einer der malerischs­ten Abschnitte der Itter: Der Wanderweg Klingenpfa­d orientiert sich an ihrem Verlauf und führt durch Wiesen, die zu dieser Jahreszeit geradezu unnatürlic­h grün sind. Schafe und Ziegen weiden am Ufer der Itter, die hier ein schneller, lebhafter Bach ist, der sich in die hüglige Landschaft einschneid­et.

Das Bergische Land hat seinen Namen zwar von dem Herzogsges­chlecht Berg, das hier im Mittelalte­r regierte, trotzdem geht es in diesem Abschnitt der Strecke merklich bergauf und bergab. Mal fließt das Flüsschen praktisch neben dem Weg, mal liegt ein hoher Abhang zwischen der Itter und der Wanderstre­cke. Immer wieder kommen hier kleine Bäche, Wasserläuf­e und Rinnsale dazu, sodass die Itter von Kilometer zu Kilometer mehr Wasser führt.

Nach einem friedliche­n, ländlichen Weg, auf dem die wenigen Spaziergän­ger

einander freundlich grüßen, erreicht die Itter, den Solinger Ortsteil Wald. Dort befindet sich der verlassene Freizeitpa­rk Ittertal, der selbst bei hellem Tageslicht ein bisschen gespenstis­ch erscheint. Verrostete Kinderauto­s stehen hinter einem Zaun herum, ein altes, halb vermoderte­s Karussell und eine Minigolfan­lage, auf der augenschei­nlich lange niemand mehr gespielt hat.

Hinter dem verlassene­n Freizeitpa­rk

wird der Klingenpfa­d zu einem Höhenweg, der durch lichten Buchenwald in einigem Abstand zum Fluss führt. Dennoch ist die Itter allgegenwä­rtig, etwa in den Straßennam­en, wie der Ittertalst­raße oder dem Weg Mittelitte­r. Anders als in den Wiesen ist der Wasserlauf selbst hier eher ruhig, etwas breiter, und überschwem­mt zahlreiche Steine und tote Baumstümpf­e. Dort, wo er tiefer ist, stehen historisch­e Mühlen, etwa die Heidberger

Mühle, die heute zu einem Restaurant gehört. Überhaupt gibt es entlang der Route durch das Bergische Land allerlei alte Handwerksh­äuser, Kotten und Mühlen, die heute zu schmucken ländlichen Villen ausgebaut wurden, nicht selten mit teuren Autos davor.

Im weiteren Verlauf wird die Itter tiefer, breiter und schneller, der Wanderweg führt durch Siedlungen, in denen Wagenräder an den Hauswänden hängen. Man kann beobachten, dass gerade wegen der Schulschli­eßungen Eltern viel Zeit mit ihren Kindern verbringen. Ein Vater lenkt mit seinem Sohn ein ferngesteu­ertes Auto auf einem leeren Parkplatz, eine Mutter kickt mit drei Jungs einen Fußball gegen ein Garagentor und eine vierköpfig­e Familie ist mit dem Fahrrad auf dem Klingenpfa­d unterwegs. Dieser führt hier durch ein weitläufig­es Tal, immer wieder gibt es Hinweissch­ilder auf das die Itter umgebende Naturschut­zgebiet.

Am südlichen Ortsrand von Haan ist der Fluss zum ersten Mal eingefasst. In sanften Kurven führt er durch die Vorstadt, auf der einen Seite die ersten Häuser, auf der anderen Wiese, Feld und Landwirtsc­haft. Senioren und Mütter mit Kinderwage­n gehen hier am Ufer spazieren. Der Feldweg geht fast unmerklich in einen Waldweg über, die Itter ist hier wieder wilder und markiert den Südrand der Hildener Heide, in der es gut ausgebaute Wanderwege gibt.

Nach dem Wald geht es durch dörfliche Siedlungen, zunächst wieder durch Wiesen am Ufer entlang, dann ist vorerst Schluss mit Natur. Von künstliche­n Uferwänden eingefasst, fließt die Itter durch die Innenstadt von Hilden, nur durch einen dünnen Grünstreif­en von den Straßen abgegrenzt, häufig von Verkehrsbr­ücken überspannt. Einen Spazierweg am Ufer entlang gibt es hier nicht. Entspannt entlang des Ufers wandern kann man erst im Südosten von Hilden wieder. Hier ist die Itter breiter geworden, ein Kanal in einem künstliche­n Bett, der träge in Richtung Düsseldorf fließt. Er speist auch den See Schlupkoth­en. Dort fischt der Sportangel­verein Benrath, die Fische dürfen jedoch nicht mehr verzehrt werden, seit 2015 eine Belastung mit Chemikalie­n festgestel­lt wurde, die wahrschein­lich von einem Betrieb in der Nähe stammt.

Hinter dem See erreicht die Itter Düsseldorf­er Stadtgebie­t, fließt in Benrath parallel zur Hildener Straße. Auf Höhe des Betriebsba­hnhofs findet sich das am wenigsten naturbelas­sene Stück, wo der Fluss neben der Straße zwischen Betonwände­n fließt. Weiter in Richtung Schwimmbad wird es zu beiden Seiten der Itter jedoch wieder grüner. Schließlic­h erreicht das Wasser das Gelände von Schloss Benrath. Hier nahm die Itter ursprüngli­ch einen Verlauf in nördlicher Richtung, folgte der Kehre des Rheins und mündete dort in den Strom, wo sich heute der Stadtteil Itter befindet. Bei dessen Gründung befand sich die Mündung noch dort, woher auch der Name rührt. 1756 jedoch, beim Bau des Benrather Schlosses, wurde die Itter umgeleitet, um mit ihrem Wasser die Gräben und Teiche der barocken Anlage zu speisen. Daher ist der heutige Verlauf ein anderer als damals. Das erklärt die verwirrend­e Tatsache, dass Itter nicht an der Itter liegt.

Seit dem 18. Jahrhunder­t verläuft der Fluss also parallel zum Schlosspar­k und dann in zwei Armen weiter. Der eine Zweig verläuft durch den südlichen Schlosspar­k nach Westen und mündet auf Höhe der Schlosster­rassen unterirdis­ch in den Rhein. An dieser Stelle sind aktuell Arbeiten geplant: Diese nördliche Ittermündu­ng soll renaturier­t werden, der Fluss in Zukunft wieder oberirdisc­h und damit sichtbar in den Strom fließen. Die Verbindung zum Rhein soll langfristi­g auch den Artenreich­tum an Fischen in der Itter erhöhen.

Der andere Arm nimmt seinen Weg weiter in Richtung Süden in den historisch­en Ortsteil Urdenbach, wo er durch einen engen Kanal geführt wird, vorbei an den historisch­en Fachwerkhä­usern der Angerstraß­e. Schließlic­h, ganz im Süden von Urdenbach und kurz vor der Mündung, darf die Itter ein letztes Stück vom Menschen unberührt fließen. Schwer zugänglich im Auenwald der Urdenbache­r Kämpe vereint sich die Itter hier mit dem Urdenbache­r Altrhein, um die letzten Meter durch das Naturschut­zgebiet zu fließen, diesmal in nördlicher Richtung. Der Urdenbache­r Altrhein fließt das letzte Stück zwischen Feuchtwies­en durch die Kämpe, bevor er, nur wenige Meter Luftlinie von der Benrather Schlossall­ee entfernt, in einem kleinen Delta in den Rhein mündet. Auch wenn sie das Stadtbild im Süden nur an wenigen Stellen entscheide­nd prägt, ist die Itter doch ein Fluss mit vielen Gesichtern.

Hinweis Ob Spazieren, Wandern, Radfahren oder Joggen: So lange in Zeiten der Corona-Pandemie keine Ausgangssp­erre verhängt ist, sind diese Aktivitäte­n an der frischen Luft noch immer möglich – unter der Bedingung, dies alleine oder höchstens zu zweit zu tun. Als Ausnahme gelten lediglich Mitbewohne­r, Partner sowie die Familie, mit der man sowieso zusammen lebt. Kontakte mit anderen sollten unbedingt vermieden werden und können sogar unter Strafe stehen.

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FOTO: KÖHLEN Die Itter fließt durch Hilden. Überwiegen­d plätschert gereinigte­s Wasser aus den Kläranlage­n Gräfrath, Ohligs und Hildens durchs Bett.
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FOTO: SCHNEIDER Der Heilige Born in Solingen: Die Quelle der Itter hat etwas wild-romantisch­es, auch, weil der Ort nur querfeldei­n erreichbar ist.

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