470.000 Betriebe melden Kurzarbeit an
Für die Überbrückungsleistung stünden genügend Mittel zur Verfügung, verspricht der Arbeitsminister. Ein Viertel der betroffenen Firmen kommt aus NRW. Weitere soziale Erleichterungen lehnt die Bundesregierung vorerst ab.
BERLIN Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit (BA) rechnen in der Corona-Krise mit weit mehr Kurzarbeitern als während der Finanzkrise 2009, als bis zu 1,4 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit geschickt worden sind. Die Zahl der Anträge auf staatliches Kurzarbeitergeld sei in den vergangenen zwei Wochen so rasant gestiegen wie nie, sagte BA-Chef Detlef Scheele am Dienstag. Bisher hätten rund 470.000 Unternehmen Kurzarbeit beantragt. Im Februar seien es erst gut 2000 gewesen. In NRW haben bislang fast 100.000 Unternehmen Kurzarbeit angezeigt. Bis zum 26. März seien bei den Agenturen für Arbeit rund 96.000 Anmeldungen eingegangen, teilte die Regionaldirektion NRW mit.
Mit dem Kurzarbeitergeld sollen Mitarbeiter in den Unternehmen gehalten werden, bis die Krise vorüber ist. Es wird von der BA ausgezahlt und beträgt bei Kinderlosen 60 Prozent des Verdienstausfalls, bei Beschäftigten
mit Kindern 67 Prozent. Die BA übernimmt auch die Sozialbeiträge für bis zu 80 Prozent des regulären Gehalts. Betriebe müssen das Kurzarbeitergeld bei der BA anzeigen. Wie hoch die Zahl derer ist, die es dann beziehen, kann die BA erst nach drei Monaten feststellen, wenn die Betriebe ihre Abrechnungen vorlegen müssen. Zur Bewältigung der Antragsflut stockt die BA die Zahl der Mitarbeiter in diesem Bereich von 770 auf 4500 auf.
Unter den Antragstellern seien neben der Industrie viele Unternehmen aus dem Gastgewerbe und dem Handel, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Die Zahl der Kurzarbeiter werde höher sein als in der Finanzkrise. CDU-Arbeitsmarktexperte Peter Weiß hält über vier Millionen Kurzarbeiter für möglich. Allein die Modekette H&M beantragte am Dienstag Kurzarbeit für fast 20.000 Beschäftigte.
Angesichts der Krise werde die Arbeitslosenzahl erstmals seit Längerem wieder steigen, sagte Heil. „Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz, der gefährdet ist.“Es sei aber nicht jeder Arbeitsplatz zu retten. Bis zur ersten März-Hälfte – vor dem Ausbruch der Krise – war die Arbeitslosenzahl nach jüngsten Zahlen der BA noch einmal auf 2,335 Millionen gesunken.
Geld sei in dieser Krise „kein limitierender Faktor“, betonte BA-Chef Scheele. Auf Kurzarbeitergeld bestehe ein Rechtsanspruch. Die Bundesagentur verfüge über eine Rücklage von 26 Milliarden Euro. Bislang habe man ein Budget von zehn Milliarden Euro eingeplant. Das Kurzarbeitergeld in der Finanzkrise kostete rund fünf Milliarden Euro. Reiche das Geld nicht aus, könne man sich weiteres Geld vom Bund holen, so Scheele.
Heil lehnte weitere soziale Erleichterungen vorerst ab. Die Opposition hatte unter anderem gefordert, das Kurzarbeitergeld und die Hartz-IVSätze anzuheben. Zudem gibt es Forderungen aus der Wirtschaft, die BA solle bei Unternehmen, die das Gehalt der Kurzarbeiter aufstocken, die Sozialbeiträge für alle Aufstockungsbeträge übernehmen. Die Zusagen des Staates seien schon sehr weitgehend, sagte Heil. „Mit weiteren finanziellen Zusagen sollte ich daher außerordentlich vorsichtig sein.“
Der Minister verwies zudem darauf, dass die Grundsicherung, die er „soziales Bürgergeld“nannte, nun auch ohne Vermögensprüfung und ohne die Prüfung der Wohnungsgröße bezogen werden könne. Diese Regelung sei bis Ende Juni befristet, könne aber bis Ende des Jahres verlängert werden. Wer in Kurzarbeit sei, könne auch einfacher Geld hinzuverdienen, sagte Heil. Wer etwa in einer Wäscherei angestellt sei und Kurzarbeitergeld beziehe, könne jetzt für die Wäscherei eines Krankenhauses arbeiten und hinzuverdienen.
Im Februar 2020 lagen der BA erst 2031 Anzeigen von Betrieben über Kurzarbeit vor, wie aus Daten der Bundesagentur hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegen. Damals hatten die Betriebe mit 42.206 Kurzarbeitenden geplant. Endgültige Daten liegen erst für September 2019 vor. Demnach gab es 2815 Betriebe, in denen 75.249 Menschen in Kurzarbeit waren.