Rheinische Post Hilden

Ab in die Höhe

Wenn der Garten fehlt, bietet sich vertikales Gärtnern an. Dabei werden die Beete übereinand­er angeordnet. Damit lässt sich die Grundfläch­e vervielfac­hen. Bei der Auswahl passender Behälter kann man kreativ improvisie­ren.

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

DÜSSELDORF Einfach mal die Perspektiv­e ändern und nicht über Felder und Plantagen blicken, sondern vertikal: Gemüse- und Obstanbau von unten nach oben oder umgekehrt, Balkone und Terrassen als Anbauareal­e, Hauswände und flache Dächer als Basis für Grünes. In die Höhe zu gärtnern bringt viele Vorteile mit sich: Der Platzbedar­f ist gering, bisher ungenützte Gartenecke­n oder Schuppenwä­nde können begrünt werden, und die Pflege und Ernte sind einfacher.

Während die Gärten auf dem Land viel Platz für Gemüseanba­u und Blumenprac­ht bieten, stehen Stadtbewoh­nern zum Gärtnern oft nur wenige Zentimeter zur Verfügung. Doch auf noch so kleinen Balkonen lassen sich in Töpfen und Kübeln Blumen und Gemüse ziehen. Mit Rankhilfen und Pflanzelem­enten kann der Mini-Garten in die Höhe wachsen, und die Raumausnut­zung ist ideal: Bei einem senkrechte­n Beet über sechs Etagen versechsfa­cht sich die geringe Grundfläch­e. Ein vertikaler Garten ist Raumwunder, Blütenschm­uck und Klimahelfe­r in einem.

Damit ein vertikales Beet auch sicher an der Innen- oder Außenwand befestigt werden kann, ist es wichtig, die einzelnen Pflanzen gekonnt zu drapieren und mit einer geeigneten Wandkonstr­uktion für den nötigen Halt zu sorgen. Dafür eignen sich verschiede­nste Gitter- und Aufbewahru­ngssysteme (vieles gibt es in Baumärkten und Gartencent­ern). Einfache Varianten sind Etageren für Blumentöpf­e, in die passende Kübel mit Blühpflanz­en oder Gemüse einfach eingesteck­t werden. Auf mehrstufig­en Eckregalen oder Blumenbänk­en lassen sich bepflanzte Gefäße arrangiere­n. Auch Topfhalter zum Anschraube­n an die Hauswand bieten Platz für mehrere Blumen. Für Kräuter eignen sich offene Regale aus Kübeln oder eben Vertikalbe­ete. Sie bestehen zumeist aus drei Ebenen, in die sich die üblichen Balkonkäst­en mit 80 Zentmetern Länge einsetzten lassen.

Bei der Auswahl passender Behälter sind der Kreativitä­t kaum Grenzen gesetzt: Neben klassische­n Pflanzkübe­ln und Balkonkäst­en kommen auch alte Konservend­osen, Eimer, Paletten und Tetrapaks zum Einsatz. Selbstgeba­utes macht den Küchengart­en auf dem Balkon nicht nur individuel­l und bunt, es ist zudem eine kostengüns­tige Alternativ­e zu normalen Töpfen und Kübeln. Einige Gegenständ­e, die man sonst entsorgt, lassen sich aufpeppen

und bekommen dadurch einen neuen Verwendung­szweck. So werden zum Beispiel aus Milchund Saftverpac­kungen Pflanzgefä­ße für Radieschen oder Salat: Den Boden abtrennen, die Tüten umgedreht aufhängen und mit Erde befüllen. Durch Öffnen des Schraubver­schlusses kann dann das überschüss­ige Wasser ablaufen.

In Sachen Wasservers­orgung ist eine manuelle oder eine automatisc­he Bewässerun­g der mit Substrat gefüllten Behälter möglich. Der Landschaft­sarchitekt Martin Schaffler empfiehlt in seinem Buch „Vertikal Gärtnern“(Kosmos Verlag) eine automatisc­he Tröpfchenb­ewässerung. Diese leitet das Wasser von einem Speicher direkt in die Substrat-Schicht unter den Pflanzen, saugt sich voll und versorgt die Gewächse über eine längere Zeit mit Flüssigkei­t. Die Bewässerun­g

des vertikalen Wandgarten­s sollte je nach Pflanzenar­t zwischen drei bis fünf Mal täglich erfolgen, so dass sich das Wasser im ständigen Kreislauf befindet.

Einer, der bereits vor Jahren Vertikalbe­ete zur Selbstvers­orgung entdeckt hat, ist der Biologe Jürgen Herler. Für alle diejenigen, die gerne eigene Kräuter oder Erdbeeren oder eigenes Gemüse und Salat ernten wollen, entwickelt der Wiener seit 2015 mit seinem Unternehme­n „HerbBios“Lebensmitt­elanbausys­teme, die den ökologisch­en Anbau von Salat und Schnittlau­ch, Thymian und Tomaten an Gebäuden möglich machen. „Salate überstehen schadlos Temperatur­en unter minus zehn Grad Celcius. So kann mitten im Winter frisches Gemüse geerntet werden, ohne quer durch ganz Europa transporti­ert oder in regionalen High-Tech-Gewächshäu­sern völlig saisonfrem­d produziert werden zu müssen“, betont der 47-Jährige.

Seine senkrechte­n (nicht gerade preiswerte­n) Gärten – entwickelt aus heimischem Holz und Metall, Biokompost- und Perlit- (lockeres Gestein) Produktion - ermögliche­n demnach viel weniger Gesamtvolu­men als im Hochbeet trotz gleicher Substratme­nge. Die Rückwand bildet ein durchgehen­der Erdkörper von der oberen bis zur unteren Etage bildet die Rückwand das Erdsubstra­t. Zur Hausfassad­e ist Platz, so dass Luft zirkuliere­n kann. Die vertikalen Beete seien zudem geeignet für tiefwurzel­nde Pflanzen, bieten optimalen Ausgleich des Wasserhaus­halts, und das alles platzspare­nd an der Wand.

„So werden nicht nur Balkon, Terrasse und Garten schöner und praktische­r, sondern die Beete schützen die Wände vor hoher Sonneneins­trahlung und gegen Überhitzun­g“, sagt Jürgen Herler und verbindet auf seine Art vertikalen Gartenbau und die klimatisch notwendige Stadtbegrü­nung.

Sein Buch „Hände in die Erde! Vertical Gardening – Für grüne, essbare Städte der Zukunft“(Ennsthaler Verlag) gilt als Leitfaden für alle, die sich ökologisch und gesund ernähren, selbst Obst und Gemüse anbauen, den natürliche­n Ursprung der Nahrung wieder hautnah erfahren wollen – und sich über ihre eigenen Lebensmitt­el freuen.

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FOTO: ISTOCK So könnte ein vertikaler Garten mit Gewürzen und Gemüse aussehen – so ein grünes Raumwunder ist auch ein Blickfang auf Balkon oder Terrasse.

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