Ab in die Höhe
Wenn der Garten fehlt, bietet sich vertikales Gärtnern an. Dabei werden die Beete übereinander angeordnet. Damit lässt sich die Grundfläche vervielfachen. Bei der Auswahl passender Behälter kann man kreativ improvisieren.
DÜSSELDORF Einfach mal die Perspektive ändern und nicht über Felder und Plantagen blicken, sondern vertikal: Gemüse- und Obstanbau von unten nach oben oder umgekehrt, Balkone und Terrassen als Anbauareale, Hauswände und flache Dächer als Basis für Grünes. In die Höhe zu gärtnern bringt viele Vorteile mit sich: Der Platzbedarf ist gering, bisher ungenützte Gartenecken oder Schuppenwände können begrünt werden, und die Pflege und Ernte sind einfacher.
Während die Gärten auf dem Land viel Platz für Gemüseanbau und Blumenpracht bieten, stehen Stadtbewohnern zum Gärtnern oft nur wenige Zentimeter zur Verfügung. Doch auf noch so kleinen Balkonen lassen sich in Töpfen und Kübeln Blumen und Gemüse ziehen. Mit Rankhilfen und Pflanzelementen kann der Mini-Garten in die Höhe wachsen, und die Raumausnutzung ist ideal: Bei einem senkrechten Beet über sechs Etagen versechsfacht sich die geringe Grundfläche. Ein vertikaler Garten ist Raumwunder, Blütenschmuck und Klimahelfer in einem.
Damit ein vertikales Beet auch sicher an der Innen- oder Außenwand befestigt werden kann, ist es wichtig, die einzelnen Pflanzen gekonnt zu drapieren und mit einer geeigneten Wandkonstruktion für den nötigen Halt zu sorgen. Dafür eignen sich verschiedenste Gitter- und Aufbewahrungssysteme (vieles gibt es in Baumärkten und Gartencentern). Einfache Varianten sind Etageren für Blumentöpfe, in die passende Kübel mit Blühpflanzen oder Gemüse einfach eingesteckt werden. Auf mehrstufigen Eckregalen oder Blumenbänken lassen sich bepflanzte Gefäße arrangieren. Auch Topfhalter zum Anschrauben an die Hauswand bieten Platz für mehrere Blumen. Für Kräuter eignen sich offene Regale aus Kübeln oder eben Vertikalbeete. Sie bestehen zumeist aus drei Ebenen, in die sich die üblichen Balkonkästen mit 80 Zentmetern Länge einsetzten lassen.
Bei der Auswahl passender Behälter sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt: Neben klassischen Pflanzkübeln und Balkonkästen kommen auch alte Konservendosen, Eimer, Paletten und Tetrapaks zum Einsatz. Selbstgebautes macht den Küchengarten auf dem Balkon nicht nur individuell und bunt, es ist zudem eine kostengünstige Alternative zu normalen Töpfen und Kübeln. Einige Gegenstände, die man sonst entsorgt, lassen sich aufpeppen
und bekommen dadurch einen neuen Verwendungszweck. So werden zum Beispiel aus Milchund Saftverpackungen Pflanzgefäße für Radieschen oder Salat: Den Boden abtrennen, die Tüten umgedreht aufhängen und mit Erde befüllen. Durch Öffnen des Schraubverschlusses kann dann das überschüssige Wasser ablaufen.
In Sachen Wasserversorgung ist eine manuelle oder eine automatische Bewässerung der mit Substrat gefüllten Behälter möglich. Der Landschaftsarchitekt Martin Schaffler empfiehlt in seinem Buch „Vertikal Gärtnern“(Kosmos Verlag) eine automatische Tröpfchenbewässerung. Diese leitet das Wasser von einem Speicher direkt in die Substrat-Schicht unter den Pflanzen, saugt sich voll und versorgt die Gewächse über eine längere Zeit mit Flüssigkeit. Die Bewässerung
des vertikalen Wandgartens sollte je nach Pflanzenart zwischen drei bis fünf Mal täglich erfolgen, so dass sich das Wasser im ständigen Kreislauf befindet.
Einer, der bereits vor Jahren Vertikalbeete zur Selbstversorgung entdeckt hat, ist der Biologe Jürgen Herler. Für alle diejenigen, die gerne eigene Kräuter oder Erdbeeren oder eigenes Gemüse und Salat ernten wollen, entwickelt der Wiener seit 2015 mit seinem Unternehmen „HerbBios“Lebensmittelanbausysteme, die den ökologischen Anbau von Salat und Schnittlauch, Thymian und Tomaten an Gebäuden möglich machen. „Salate überstehen schadlos Temperaturen unter minus zehn Grad Celcius. So kann mitten im Winter frisches Gemüse geerntet werden, ohne quer durch ganz Europa transportiert oder in regionalen High-Tech-Gewächshäusern völlig saisonfremd produziert werden zu müssen“, betont der 47-Jährige.
Seine senkrechten (nicht gerade preiswerten) Gärten – entwickelt aus heimischem Holz und Metall, Biokompost- und Perlit- (lockeres Gestein) Produktion - ermöglichen demnach viel weniger Gesamtvolumen als im Hochbeet trotz gleicher Substratmenge. Die Rückwand bildet ein durchgehender Erdkörper von der oberen bis zur unteren Etage bildet die Rückwand das Erdsubstrat. Zur Hausfassade ist Platz, so dass Luft zirkulieren kann. Die vertikalen Beete seien zudem geeignet für tiefwurzelnde Pflanzen, bieten optimalen Ausgleich des Wasserhaushalts, und das alles platzsparend an der Wand.
„So werden nicht nur Balkon, Terrasse und Garten schöner und praktischer, sondern die Beete schützen die Wände vor hoher Sonneneinstrahlung und gegen Überhitzung“, sagt Jürgen Herler und verbindet auf seine Art vertikalen Gartenbau und die klimatisch notwendige Stadtbegrünung.
Sein Buch „Hände in die Erde! Vertical Gardening – Für grüne, essbare Städte der Zukunft“(Ennsthaler Verlag) gilt als Leitfaden für alle, die sich ökologisch und gesund ernähren, selbst Obst und Gemüse anbauen, den natürlichen Ursprung der Nahrung wieder hautnah erfahren wollen – und sich über ihre eigenen Lebensmittel freuen.