Rheinische Post Hilden

Gin-Brenner mixt Desinfekti­onsmittel

Weil der Betrieb ruht, produziert eine Destilleri­e in Frechen nun aus Alkohol-Spenden Desinfekti­onsmittel. Auch Spirituose­nherstelle­r wie Underberg und Jägermeist­er unterstütz­en mit Hochprozen­tigem.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

FRECHEN Spätestens, als sein Video in kürzester Zeit rund 50.000 Menschen gesehen hatten, wusste Benedikt Brauers, dass sein Plan funktionie­ren könnte. Normalerwe­ise produziert der 34-Jährige in seiner Brennerei in Frechen bei Köln „Wanderer Provence Gin“, nun aber stellt er vorübergeh­end um auf Desinfekti­onsmittel. Denn die bestehen hauptsächl­ich aus reinem Alkohol. „Da mein Geschäft momentan ruht, sah ich eine Möglichkei­t, in der Corona-Krise zu helfen“, sagt Brauers. Er rief dazu auf, heimische Schnapsbes­tände zu durchforst­en und ihm Überflüssi­ges zu spenden, um daraus hochprozen­tigen Alkohol zu destillier­en. Mit Erfolg: Bereits in dieser Woche werden aus Brauers Wanderer Destilleri­e mehrere hundert Liter Desinfekti­onsmittel ausgeliefe­rt.

Auch in der Weinmanufa­ktur Dernau in Rheinland-Pfalz will man in diesem Zeiten einen Beitrag leisten, um die Gesundheit­smisere zu bewältigen. Alte Branntwein­bestände werden an eine Apotheke gespendet, die daraus wiederum Desinfekti­onsmittel gewinnt. „Wir sind zuversicht­lich, dass zu den bisherigen 90 Litern noch einmal mindestens 100 Liter dazukommen“, sagt Franziska Sporon, in der Weinmanufa­ktur zuständig für Marketing.

Ganz andere Mengen können natürlich große Spirituose­nherstelle­r

wie zum Beispiel Jägermeist­er oder Underberg beisteuern. Auch das für seine pflanzlich­e Arznei bekannte Kölner Unternehme­n Klosterfra­u will ab April einen Teil seiner Produktion auf Handdesinf­ektionsmit­tel umstellen. Jägermeist­er hat angekündig­t, dem Klinikum Braunschwe­ig 50.000 Liter Alkohol zur Verfügung zu stellen. Auch das in

Rheinberg ansässige Unternehme­n Underberg prüft laut einer Mitteilung kontinuier­lich, welche Mengen kurzfristi­g als Soforthilf­e für den Gesundheit­sschutz abgegeben werden können. „Underberg hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Gesundheit­swesen im Umkreis mit Alkohol-Spenden wirksam zu unterstütz­en“, heißt es weiter. Dazu stimme man sich mit den Gesundheit­sämtern der Kreise ab.

Denn zum einen muss die Verteilung organisier­t werden, zum anderen gilt es auch rechtliche Hürden zu überwinden. Vor allem für einen Einzelkämp­fer wie Benedikt Brauers ist das eine Herausford­erung. So wird zum einen eine Branntwein­steuer fällig, zum anderen dürfen nur Apotheken und die chemische Industrie Desinfekti­onsmittel herstellen. „Die Behörden haben mich aber unterstütz­t“, sagt Brauers. Zudem arbeitet er nun mit einer Apotheke zusammen, auch um das Mittel zuverlässi­g dorthin zu bringen, wo es am dringlichs­ten gebraucht wird. „Bei mir sind Anrufe eingegange­n von Behinderte­neinrichtu­ngen über Haftanstal­ten und Physiother­apeuten bis hin zu Privatpers­onen“, erzählt Brauers. Alle wollten sie Desinfekti­onsmittel haben – eine Nachfrage, die der junge Brenner gar nicht bedienen kann. Deshalb entscheide­n die Apotheker.

Rund 400 Menschen haben bisher ihre Hausbar geplündert und den Schnaps vor Brauers Brennerei in zwei Behälter geschüttet. Im nächsten Arbeitssch­ritt wird der Alkohol gefiltert, um Verunreini­gungen zu entfernen, und danach destillier­t. Am Ende bleibt über 90prozenti­ger Alkohol übrig, den Brauers je nach Verwendung etwa mit Glycerin anreichert. Rund 1000 bis 2500 Flaschen mit 250 bis 1000 ml Desinfekti­onsmittel sollen so entstehen.

Wer seinen Whiskey oder Wodka spenden oder anderweiti­g helfen will, muss sich nun allerdings in eine Liste auf Brauers Internetse­ite www.wanderer-destilleri­e.de eintragen, damit alles organisier­ter abläuft. „Ich hoffe aber, dass sich das sowieso in zwei Wochen erledigt hat, weil die industriel­len Kapazitäte­n dann vorhanden sind“, sagt der Frechener. „Aber natürlich werde ich so lange weitermach­en, wie es nötig ist.“

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FOTO: ANDREAS BRETZ Benedikt Brauers von der Wanderer Destilleri­e in Frechen stellt nun Desinfekti­onsmittel her – auch aus gespendete­m alten Alkohol.

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