Rheinische Post Hilden

Ex-Kollegen verklagen Chefin von BBDO

Bei der Düsseldorf­er Agentur tobt ein Streit zwischen Gesellscha­ftern und der Chefin Marianne Heiß. Nun kommt das Ganze vor Gericht.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Marianne Heiß wurde unlängst gefragt, was nötig sei, damit Frauen es bis ganz nach oben an die Spitze eines Unternehme­ns schaffen können. „Die Persönlich­keitsstruk­tur alleine reicht definitiv nicht aus“, sagte Heiß: „Die Erfahrung sagt, dass auch verschiede­ne Verhaltens­weisen einen Karrierewe­g beeinfluss­en können.“Heiß dürfte diesen Satz anders gemeint haben, aber er beschreibt ziemlich gut, was einige der Deutschlan­d-Chefin einer der weltgrößte­n Werbeagent­uren unterstell­en. In ihren Augen hat sich Heiß nicht allein aufgrund ihrer Persönlich­keit nach oben gekämpft, sondern durch ein hinterhält­iges Manöver.

Momentan sind zwei Klagen von Minderheit­sgesellsch­aftern von BBDO vor dem Landgerich­t Düsseldorf gegen Marianne Heiß anhängig (Aktenzeich­en 41O78/19 und 41O51/19). „In beiden Verfahren geht es darum, dass Beschlüsse

der Gesellscha­fterversam­mlung für nichtig erklärt werden“, heißt es beim Landgerich­t. Pikant an der Sache ist jedoch, wer die Klagen eingereich­t hat – denn Udo Klein-Bölting und Wolfgang Schneider sind Mitgesells­chafter der Werbe- und Marketinga­gentur, Schneider sogar ein früherer Vorstandsk­ollege von Heiß.

Hinter den Kulissen tobt in Düsseldorf seit Monaten ein heftiger Streit. Es geht dabei um viel Geld. Im Mittelpunk­t des Streits steht eine ehemalige Callcenter-Tochter von BBDO, die Mitte 2018 an die französisc­he Webhelp-Gruppe verkauft wurde. Sellbytel, so der Name der Tochter, generierte damals zwar laut „Manager Magazin“rund die Hälfte des Umsatzes der deutschen BBDO von angeblich rund 554 Millionen Euro. Doch das Geschäft soll 2017 stagniert haben, grundsätzl­ich herrschte daher angeblich Einigkeit zwischen Führungsri­ege und Eigentümer­n, dass man den Geschäftsb­ereich abstoßen sollte. Wozu noch Call-Center betreiben, wenn in Zukunft

automatisi­erte Chat-Bots den Kundenkont­akt abwickeln können? „Den Verantwort­lichen war klar, dass das Geschäftsm­odell endlich ist“, sagt ein Kenner des Unternehme­ns. BBDO wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern.

Der Verkauf brachte Millionen, wie viel genau wurde nicht öffentlich kommunizie­rt. Im Geschäftsb­ericht von Omnicom, dem Mehrheitse­igentümer von BBDO heißt es, dass man allein im dritten Quartal 2018, in dem der Verkauf abgewickel­t wurde, einen Nettogewin­n von 178,4 Millionen US-Dollar gemacht habe. Kolportier­t wird sogar eine Summe von 450 Millionen Euro, die von den Franzosen für Sellbytel gezahlt worden sein soll – doch davon soll nur ein Bruchteil in Deutschlan­d angekommen sein.

Es heißt, die deutsche BBDO sei um 200 Millionen Euro geprellt worden. Das Geld soll über eine spanische Tochterges­ellschaft direkt an den amerikanis­chen Mutterkonz­ern Omnicom geflossen sein. „Das Geld wurde genutzt, um die Bilanz von Omnicom aufzupolie­ren“, heißt es im Umfeld des Unternehme­ns. Den Minderheit­sgesellsch­aftern, die zusammen knapp fünf Prozent an BBDO halten, entgingen hingegen Millionen. Entspreche­nd groß soll der Ärger über Omnicom sein – und über Marianne Heiß, der vorgeworfe­n wird, den Deal hinter dem Rücken der Minderheit­sgesellsch­after mit eingefädel­t bzw. diese nicht ausreichen­d informiert zu haben.

Bei einer Gesellscha­fterversam­mlung im vergangene­n Jahr eskalierte offenbar der Streit. Die vermeintli­ch geprellten Minderheit­sgesellsch­after sollen beantragt haben, Heiß abzuberufe­n. Denn die hatte inzwischen, nachdem im Februar 2019 BBDO-Chef Frank Lotze und Kreativche­f Wolfgang Schneider nach knapp zehn Jahren an der Spitze ihren Rücktritt bekannt gegeben hatten, den Chefposten in Düsseldorf übernommen. Der Antrag der Gesellscha­fter änderte daran nichts. Denn Omnicom, die mächtige amerikanis­che BBDO-Mutter, lehnte mit ihrer Mehrheit die Abberufung ab, wogegen sich Schneider und Klein-Bölting nun vor Gericht wehren wollen. Sollten sie Recht bekommen, könnte es nicht nur für Heiß ungemütlic­h werden. Denn dann könnte in einem nächsten Schritt auch die Frage nach möglichem Schadeners­atz im Raum stehen. Eine Anfrage über ihren Anwalt ließen Schneider und Klein-Bölting unbeantwor­tet.

Marianne Heiß, die auch Aufsichtsr­ätin im VW-Konzern ist, hingegen hat inzwischen einen Berater für Krisenkomm­unikation eingeschal­tet. Dieser sagt: „BBDO äußert sich grundsätzl­ich nicht zu einem laufenden Rechtsverf­ahren.“Es handele sich im Kern um eine Auseinande­rsetzung zwischen drei deutschen Minderheit­sgesellsch­aftern und dem amerikanis­chen Mutterkonz­ern Omnicom. Das erfolgreic­he operative Geschäft von BBDO werde durch dieses Randthema nicht beeinträch­tigt.

Ob die Entscheidu­ngen, die im Verlauf des Sellbytel-Verkaufs getroffen wurden, nur unpopulär oder auch unerlaubt waren, wird demnächst das Landgerich­t klären müssen. Die eigentlich für vergangene­n Freitag geplante Verhandlun­g wurde noch einmal auf Antrag von Heiß‘ Anwalt verschoben und soll nun am 7. April stattfinde­n. Die Begründung: Durch die Corona-Pandemie verzögere sich die Abstimmung.

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FOTO: BBDO Marianne Heiß

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