Rheinische Post Hilden

Im Wirrwarr der Corona-Hilfen

Kredite in unterschie­dlichen Höhen mit Staatsgara­ntien, Sofortzusc­hüsse von Bund und Land – die Hilfen sind vielfältig. Dennoch drohen manche Firmen durch den Rost zu fallen. Deshalb soll jetzt nachgebess­ert werden.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Corona-Krise bringt viele Unternehme­n in Deutschlan­d in Existenzno­t. Im Dschungel der Hilfsprogr­amme kann man leicht den Überblick verlieren. Welche Hilfe gilt für wen? Warum fallen manche trotzdem durch den Rost? Ein Überblick.

Soforthilf­en von Bund und Land

Zuschusshö­hen: Sie richtet sich nach der Größe des Unternehme­ns. 9000 Euro vom Bund gibt es für antragsber­echtigte Solo-Selbststän­dige und Antragsber­echtigte mit bis zu fünf Beschäftig­ten, 15.000 Euro bekommen Unternehme­n mit einer bis zu zehnköpfig­en Belegschaf­t vom Bund; 25.000 Euro erhalten Antragsber­echtigte mit bis zu 50 Beschäftig­ten vom Land NRW. Mit einer Soforthilf­e von zunächst fünf Millionen Euro unterstütz­t die Landesregi­erung freischaff­ende, profession­elle Künstler, die durch die Absage von Engagement­s in finanziell­e Engpässe geraten. Sie erhalten eine Einmalzahl­ung bis zu 2000 Euro.

Beteiliung­skapital: Kleine Unternehme­n und Existenzgr­ünder können ohne Sicherheit­en aus dem Mikromezza­ninfonds Beteiligun­gskapital bis 75.000 Euro direkt bei der Kapitalbet­eiligungsg­esellschaf­t (KBG) in Neuss beantragen.

Kredite: Die Bürgschaft­sbank gewährt zur Überbrücku­ng von Liquidität­sengpässen bis 2,5 Millionen Euro; aus dem Landesbürg­schaftspro­gramm kommen 2,5 Millionen Euro oder mehr, auch für Großuntern­ehmen. Die Bürgschaft­sbank ermöglicht eine 72-Stunden-Expressbür­gschaft für bis zu 250.000 Euro, beim Landesbürg­schaftspro­gramm wird eine Bearbeitun­g innerhalb einer Woche angestrebt.

Ausnahmen: Das NRW-Wirtschaft­sministeri­um prüft noch, in welchen Fällen Unternehme­rn ohne Anspruch geholfen werden kann. „Wir arbeiten derzeit an einer Regelung die es ermögliche­n soll, in Ausnahmefä­llen auch Menschen zu unterstütz­en, die nach dem Stichtag 31. Dezember des vergangene­n Jahres mit ihrem Unternehme­n gestartet und nun unverschul­det in eine Notlage geraten sind“, sagte ein Ministeriu­mssprecher. Dies trifft vor allem Gründer, die erst in jüngster Zeit an den Start gegangen sind.

Nachträgli­che Prüfung: Im Nachgang zur Coronakris­e werden die gezahlten Soforthilf­en noch einmal geprüft. Erstens durch den Empfänger, der nach Ablauf des dreimonati­gen Bewilligun­gszeitraum­s selbst prüfen soll, ob er mehr Geld bekommen hat, als er nötig gehabt hätte, und überschüss­ige Beiträge zurückzahl­en muss; zweitens durch das Finanzamt, das bei der Steuererkl­ärung die Plausibili­tät prüft; drittens stichprobe­nartig durch die Bewilligun­gsbehörden,

den Landesrech­nungshof, den Bundesrech­nungshof, das Bundeswirt­schaftsmin­isterium und die EU-Kommission.

Strafbarke­it: Firmen, die im Antrag bewusst falsche Angaben machen, könnten sich strafbar machen. Der Tatbestand wäre Subvention­serschleic­hung. Dieser Hinweis ist laut Wirtschaft­sministeri­um im Antrag ausdrückli­ch enthalten. Das Strafmaß reicht von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitss­trafe.

Fallstrick­e: Es gibt Fälle, in denen der Antragstel­ler unbewusst das Falsche tut. „Bei der Beantragun­g der Soforthilf­e gilt auf jeden Fall Gründlichk­eit vor Schnelligk­eit“, sagt der Steuerbera­ter Christoph Taake aus der Hamburger Kanzlei Wiede. Online-Formulare ließen sich zwar innerhalb weniger Minuten ausfüllen, aber: „Man muss im Vorfeld sehr genau prüfen, ob man überhaupt Anspruch hat, sonst folgt das böse Erwachen in ein paar Monaten bei der Prüfung der Steuererkl­ärung. Schlimmste­nfalls hätte man sich des Subvention­sbetrugs strafbar gemacht.“Viele beachteten nicht, dass sie zunächst die Liquidität­sreserven ausschöpfe­n müssten, so Taake. „Das heißt etwa, dass zunächst das Geld auf einem betrieblic­hen Bankkonto aufgebrauc­ht und auch der Dispokredi­t ausgeschöp­ft sein muss, ehe man Hilfen beanspruch­en kann.“

KfW-Hilfen

Kreditbetr­ag: Je nach Größe des Unternehme­ns gibt es verschiede­ne Möglichkei­ten. Laut der staatliche­n Förderbank KfW beträgt der Höchstbetr­ag ein Viertel des Umsatzes im vergangene­n Jahr, das Zweifache der Lohnkosten 2019 oder den Finanzieru­ngsbedarf für die nächsten 18 Monate bei kleinen und mittlere Unternehme­n beziehungs­weise zwölf Monate bei großen Unternehme­n. Möglich ist der höchste Betrag aus einem der drei Kriterien.

Problemkan­didaten: Trotz der Vielzahl an Hilfsprogr­ammen gibt es Unternehme­n, die nirgendwo wirklich fündig werden. Unternehme­n, die nach Einschätzu­ng von Sparkassen­präsident Helmut Schleweis einen Kredit nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre zurückzahl­en könnten. Ihnen würde auch nicht die bisherige KfW-Haftung von 80 oder 90 Prozent bei einem Kreditausf­all helfen, weil Banken und Sparkassen die restlichen zehn Prozent mitunter nicht absichern wollen oder können. Jetzt will der Bund dem Druck aus der Geldwirtsc­haft offenbar nachgegebe­n und eine 100-Prozent-Haftung durch die KfW vor allem für Mittelstän­dler in Aussicht stellen. Von denen sind viele wegen der massiven Krisenfolg­en gar nicht mehr kreditwürd­ig.

Geplante Nachbesser­ungen

Gutscheinl­ösung: Sie könnte für Reiseveran­stalter, Fluggesell­schaften und Konzertver­anstalter gelten. Für abgesagte Reisen oder Konzerte müssten die Veranstalt­er dann nicht sofort dem Kunden das Geld erstatten.

Kredite: Im Gespräch sind unter anderem zinslose Kredite in der Höhe von drei Monatsausg­aben (höchstens 500.000 Euro pro Firma).

Kreditprüf­ungen: Verbände kritisiere­n, die Kreditprüf­ungen dauerten oft zu lange. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) forderte die Hausbanken auf, keine zu hohen Anforderun­gen an Kredite für kleine Firmen zu stellen. Die Volksbanke­n widersprac­hen: Man werde nicht die von der Aufsicht vorgegeben­en Anforderun­gen oder die kaufmännis­che Sorgfalt über Bord werfen.

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