Rheinische Post Hilden

Mehr als 1800 Fußballer müssen zum Arbeitsamt

Bei vielen Spielern in den ersten vier Ligen läuft zum 30. Juni der Vertrag aus. Das bedeutet in der Corona-Krise noch mehr Ungewisshe­it als sonst.

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DÜSSELDORF (erer/kk/klü/pabie) Alljährlic­h zum 30. Juni macht der Fußball einen Strich unter seine Saison. Unter die Tabelle, unter Aufund Abstieg – und unter viele Vertragsve­rhältnisse mit Spielern, denn die enden fast immer Ende Juni. In der aktuellen Corona-Krise birgt das Datum für viele Profis mit auslaufend­en Verträgen eine besonders große Unsicherhe­it. Ganz einfach, weil niemand weiß, wie es im Fußball weitergeht und deswegen kein Klub frühzeitig als neuer Arbeitgebe­r am Horizont erscheint.

In jedem Fall gilt: Wessen Vertrag als angestellt­er Fußballer zum 30. Juni ausläuft, muss sich bis 31. März bei der Arbeitsage­ntur arbeitssuc­hend gemeldet haben, will er keine Kürzung beim Arbeitslos­engeld riskieren. Nach Recherchen unserer Redaktion und Angaben des Portals „transferma­rkt.de“gilt diese Deadline in diesem Jahr für mehr als 1800

Spieler aus den oberen vier deutschen Ligen. Unter ihnen sind auch namhafte Profis wie Mario Götze (Borussia Dortmund), Charles Aránguiz (Bayer Leverkusen) oder Daniel Caligiuri (FC Schalke 04). Eingerechn­et sind keine Spieler, deren Leihvertra­g Ende Juni endet und die über einen Anschlussv­ertrag bei einem anderen Verein verfügen.

Ratlose Profis wenden sich in diesen Wochen vielfach bei der Spielergew­erkschaft VDV. „Ja, die Unsicherhe­it in der aktuellen Lage ist bei vielen Spielern schon groß. Gerade aus der 3. Liga und den Regionalli­gen haben wir viele Anfragen zum Thema Kurzarbeit“, sagt VDV-Geschäftsf­ührer Ulf Baranowsky im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir planen auch in diesem Jahr wieder unser VDV-Proficamp für vereinslos­e Spieler, vielleicht ein bisschen später im Sommer als sonst. Wir sind darauf vorbereite­t, dass mehr Spieler kommen als in den Vorjahren, auch die Fragen nach Laufbahnbe­ratung und Fortbildun­gsmöglichk­eiten werden sicherlich zunehmen.“

Der März und der April sind normalerwe­ise die Monate, in denen die Kaderplanu­ng intensiv vorangetri­eben wird. „Die Vereine sind auch dabei ihre Planungen voranzutre­iben, aber es werden keine Entscheidu­ngen getroffen, weil noch niemand absehen kann, welche Folgen die Krise haben wird. Es ist eine Herausford­erung für alle“, sagt ein Kenner der Szene.

Klubs, Spieler und auch die Berater hängen in der Luft, Transfers die Selbstläuf­er zu sein schienen, sind es nicht mehr. Stattdesse­n setzen sie sich eben mit Themen, die sonst nicht so präsent sind, auseinande­r: mit den nötigen Fristen, um sich arbeitsuch­end zu melden, oder Kurzarbeit­ergeld.

Die Experten in den Klubs gehen davon aus, dass das Gehaltsniv­eau bei neuen Verträgen sinken wird, wenn der Markt im Juli mit arbeitslos­en Profis überschwem­mt wird – zumindest bei den durchschni­ttlichen Bundesliga­profis. Nach Informatio­nen unserer Redaktion aus Bundesliga-Vereinskre­isen gehen die Verantwort­lichen davon aus, dass die

Gehälter dieser Spieler um 20 bis 40 Prozent sinken werden. Verlierer der Corona-Krise könnten Akteure sein, die gepokert haben und nun kein neues Angebot bekommen werden. Denn einige Gehälter und Prämien, die Vereine noch beispielsw­eise im Januar angeboten haben, können sie nun nicht mehr anbieten.

Wichtig ist dabei zu wissen: Auch für Profis mit gut dotierten Verträgen gilt der mögliche Höchstsatz des Arbeitslos­engeldes. In NRW lag die Bemessungs­grenze 2018 dafür bei 6500 Euro monatlich, das ausgezahlt­e Arbeitslos­engeld lag demnach bei 2031 Euro im Monat. Nicht nur vor diesem Hintergrun­d sagt Baranowsky: „Die Bereitscha­ft der Spieler ist groß, ihren Beitrag zur Überbrücku­ng der Krise zu leisten, das muss man schon sagen.“

Auch wenn die Situation für Profis in der 3. und 4. Liga viel existenzie­ller ist, gibt es auch in den Bundeslige­n

Profis, die noch nicht wissen, wie es nach dem 30. Juni für sie weitergeht. Bei Borussia Mönchengla­dbach laufen so sechs Profi-Verträge aus (Raffael, Oscar Wendt, Fabian Johnson, Tobias Strobl, Max Grün und Torben Müsel), 16 sind es in der U23 in der Regionalli­ga West, zudem der von U23-Trainer Arie van Lent, der nicht verlängert wird.

Bei Fortuna Düsseldorf steht – wie eigentlich in jedem Jahr – eine hohe Fluktuatio­n im Kader an. In diesem Sommer ist es aber extrem: Neun Festverträ­ge laufen aus (Adam Bodzek, Markus Suttner, Oliver Fink, Niko Gießelmann, Tim Wiesner, Diego Contento, Robin Bormuth, Kevin Stöger und Michael Rensing), dazu enden sieben Leihverträ­ge (teilweise mit Kaufoption­en). Dies sind Erik Thommy, Aymen Barkok, Valon Berisha, Zanka Jørgensen, Steven Skrzybski, Kasim Adams und Zack Steffen.

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FOTO: DPA Vor ungewisser Zukunft: Fortunas Kapitän Oliver Fink.

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