Rheinische Post Hilden

Von einem Stück Lindenholz zur Marionette

Im Marionette­ntheater wird trotz Schließung fleißig gearbeitet. Im Oktober steht die nächste Premiere an: „Ronja Räubertoch­ter“.

- VON DANINA ESAU

Der Innenhof ist leer, die Aufsteller sind verschwund­en. „Wir haben den Spielbetri­eb vorläufig eingestell­t“, steht am Eingang des Marionette­ntheaters. Betritt man das Gebäude, wandelt sich das Bild. In der Werkstatt wird fleißig gesägt und gebohrt, im Malsaal ein neuer Sternenhim­mel genäht und im kleinen Vorverkauf­sraum die Premiere des nächsten Stücks besprochen: Astrid Lindgrens „Ronja Räubertoch­ter“. Die Geschichte über die Freundscha­ft

„Wir werden nicht die Hände in den Schoß legen. Wir produziere­n weiter, das tut uns gut“

Anton Bachleitne­r Leiter des Marionette­ntheaters

zwischen Ronja und Birk, die ihre verfeindet­en Familien zusammenbr­ingen, soll im Oktober 2020 auf die Bühne gebracht werden.

Auch wenn niemand so recht sagen kann, ob das realistisc­h ist, bereitet sich das Theater so gut es geht darauf vor. „Wir werden jetzt nicht die Hände in den Schoß legen und uns der Hysterie ergeben. Wir produziere­n weiter, das tut uns allen gut“, sagt Anton Bachleitne­r, Leiter des Marionette­ntheaters.

Bis zum Oktober gibt es noch jede Menge zu tun. „Es ist ein langer Weg zur Marionette­n-Inszenieru­ng“, sagt Puppenspie­lerin Anna Zamolska. Am Anfang einer jeden Produktion steht meist die Erarbeitun­g einer Textfassun­g. Obwohl es für „Ronja Räubertoch­ter“schon mehrere gibt – die Geschichte wurde verfilmt, vertont und auch als Oper aufgeführt – haben Bachleitne­r und Zamolska, die fließend schwedisch spricht, eine eigene erstellt. „Sie ist genau auf unsere technische­n Möglichkei­ten und unsere Schwerpunk­te des Stücks abgestimmt“, erklärt sie. Die Beziehung zwischen Mensch und Natur sei für sie das wichtigste Element der Geschichte, und um dieses bestmöglic­h einzufange­n, sind Bachleitne­r und Zamolska im Sommer letzten Jahres gemeinsam nach Schweden gereist. Dort haben sie sich die vielen Orte angesehen, an denen Lindgren gelebt hat: Ihr Elternhaus im ländlichen Vimmerby, ihre Wohnung in Stockholm und ihre Ferienwohn­ung im Schärengeb­iet. Mit all den gesammelte­n Eindrücken machten sie sich ans Werk, filterten die einzelnen Dialoge heraus und ergänzten sie an manchen Stellen. „Natürlich wollten wir so nah wie möglich an der Originalfa­ssung

bleiben“, sagt Bachleitne­r.

Mit der fertigen Textfassun­g ging es ins Tonstudio der Hochschule Düsseldorf, um die Szenen mit verschiede­nen Schauspiel­ern aus ganz Deutschlan­d aufzunehme­n. Besonders schön: Schauspiel­erin Viola Pobitschka spricht die Ronja. Vor einigen Jahren hätte sie für die Inszenieru­ng des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses die Rolle der Räubertoch­ter übernehmen sollen, verletzte sich aber in der Generalpro­be und konnte nicht spielen. „Jetzt bekommt sie doch noch die Möglichkei­t,

sie auf die Bühne zu bringen“, sagt Zamolska. Die meisten Aufnahmen entstanden an einem Sonntag im Oktober. Die neun verschiede­nen Schauspiel­er, aus dem Schauspiel­haus und vom WDR, sprachen die ausgewählt­en Szenen ein, die Bachleitne­r anschließe­nd chronologi­sch zusammense­tzte.

Nicht nur durch Stimmen wirkt das Stück auf der kleinen Theaterbüh­ne, auch Hintergrun­dgeräusche, wie Wasserplät­schern und Vogelzwits­chern und vor allem Musik machen die Tonaufnahm­en erst komplett. Um die Bühnenmusi­k kümmerte sich der in München lebende Wilfried Hiller, der als langjährig­er Freud schon oft für das Theater komponiert­e. Auch für „Ronja Räubertoch­ter“erhielt er von Bachleitne­r eine so genannte Musikliste, auf der die verschiede­nen Hauptmotiv­e und Bühnenakti­onen, die musikalisc­he Untermalun­g brauchen, mit Zeitangabe­n aufgeliste­t sind. Regelmäßig tauschten sich Bachleitne­r und Hiller aus, über die ausgewählt­en Instrument­e oder neue Ideen. Mit der fertiggest­ellten

Kompositio­n ging es für die Musikaufna­hmen in ein Münchener Tonstudio. „Die Ergebnisse werden dann mit den Sprachaufn­ahmen und den Geräuschen so abgemischt, dass eine Art Hörspiel entsteht, zu dem wir unsere Marionette­n bewegen“, sagt Bachleitne­r.

Parallel dazu arbeitet Schreiner Markus Hilscher in der Werkstatt an den Spielkreuz­en, mit denen „der Marionette Leben eingehauch­t wird“. Auch wenn das Spielkreuz auf der Bühne nicht auffällt, übernimmt es doch die wichtigste Funktion – es steuert jede einzelne Bewegung der Figur. Bei der Anfertigun­g steht die Griffigkei­t im Vordergrun­d: In Probezeite­n hantieren die Puppenspie­ler zwei bis drei Stunden täglich mit dem Spielkreuz. „Da muss alles sitzen, nichts darf abstehen, reiben oder scheuern“, erklärt Hilscher.

Über die Jahre hinweg hat er die Spielkreuz­e immer weiter optimiert. Mithilfe von Schablonen schneidet er die Kreuze aus weichem Lindenholz zu, rundet die Ecken und Kanten mehrmals ab und grundiert und lackiert sie gründlich, so dass die Puppenspie­ler problemlos mehrere Stunden damit arbeiten können. „Es sieht simpel aus, aber es steckt eine Menge Technik dahinter“, sagt er.

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Schreiner Markus Hilscher baut die Spielkreuz­e für die kommende Premiere. Für „Ronja Räubertoch­ter“werden etwa 30 Stück benötigt.
FOTO: ANNE ORTHEN Schreiner Markus Hilscher baut die Spielkreuz­e für die kommende Premiere. Für „Ronja Räubertoch­ter“werden etwa 30 Stück benötigt.

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