„Die Sehnsucht nach den Familien ist natürlich groß“
KÖLN Die Bewohner von Seniorenheimen dürfen wegen der Corona-Krise keinen Kontakt zu ihren Angehörigen haben, weil das Virus vor allem Ältere gefährdet. Das Berliner Unternehmen Nepos ruft nun auf Facebook dazu auf, Postkarten an Heimbewohner zu verschicken. Die ersten Karten haben die 15 Mitarbeiter geschrieben und verschickt. „Es soll einfach eine nette Geste sein, die den älteren Menschen zeigt, dass man an sie denkt“, sagt Geschäftsführerin Alexandra Böhmer. Eine ältere Frau habe schon mit einem Brief geantwortet. Die Karten gingen auch an Einrichtungen in Düsseldorf und Ratingen. Die Kunden von Nepos sind vor allem Senioren: Die Firma hat als kleines Start-up-Unternehmen vor zwei Jahren eine Software samt Tablet entwickelt, die älteren Menschen die Nutzung des Internets erleichtert.
Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es einige Ideen für die Senioren, die ihre Familien zur Zeit nicht sehen dürfen. Der Caritasverband Düsseldorf betreibt acht Seniorenheime. Die Berliner Postkarten-Aktion bezeichnet Sprecherin Stephanie Agethen aber eher als „schwierig“. „Viele unserer Bewohner sind hochbetagt, zwischen 86 und 88 Jahre alt und haben Pflegegrad 2 oder 3“, sagt sie. Statt Postkarten von Menschen, die sie gar nicht kennen, sollen die Bewohner der Einrichtungen Ostergeschenke bekommen – gebastelt von Kita- und Schulkindern in der Notbetreuung. „Wir haben auch schon Blumengeschenke von einer Gärtnerei bekommen, über die sich die Senioren sehr gefreut haben“, sagt Agethen.
Die Einrichtungen zeigen den Bewohnern zum Beispiel, wie sie Videotelefonate mit Kindern und Enkeln führen oder E-Mails verschicken können. „Der soziale Dienst ist auch weiterhin im Einsatz, die älteren Menschen vereinsamen nicht – auch wenn die Sehnsucht nach den
Familien natürlich groß ist“, sagt Agethen. Die meisten Enkel würden aber auch fleißig Postkarten und Briefe schicken und anrufen.
„Ich finde jede Idee erstmal positiv“, sagt Bernd Gellrich, Vorstandsmitglied der Diakonie Rhein-Neuss Kreis. Das Antworten auf Post falle vielen Bewohner allerdings doch schwer. „Fast alle sind demenziell verändert.“In einem Seniorenheim in Grevenbroich gibt es nun im Innenhof kleine Konzerte einer Musikschule. „Unsere Bewohner können dann von ihren Balkonen aus zuschauen“, sagt Gellrich. Ihn freut, dass die Angehörigen der Senioren auch an die Pflegekräfte denken und ihnen Blumen vorbeibringen. Die Zeit sei für alle nicht einfach. „Aber wir müssen alles dafür tun, das Virus von den Einrichtungen fern zu
„Unsere Bewohner rufen jetzt schon die Enkel an und fragen, ob sie Skype haben“
Kirsten Jakubczyk Sozial-Betriebe Köln halten“, sagt er.
In Köln kam vor einigen Tagen ein riesiger bunter Brief im Altenzentrum St. Heribert in Deutz an. „Kinder aus der Nachbarschaft haben ihn für die Bewohner geschrieben“, sagt Marianne Jürgens vom Caritasverband Köln, der sechs Altenheime im Stadtgebiet unterhält. „Es gab auch schon Schokolade als Nervennahrung für die Bewohner“, sagt Jürgens.
Auch in den acht Pflegeheimen der Sozial-Betriebe Köln (SBK) gibt es verschiedene Initiativen. Im Seniorenzentrum Riehl gibt in dieser Woche ein Drehorgelspieler ein kleines Konzert im Hof, wie Kirsten Jakubczyk erzählt, die die soziale Betreuung im Haus leitet. „An einem anderen Tag singt ein Ehepaar aus der Nachbarschaft für unsere Senioren.“Mit der Initiative „Stift und Papier“wollen die SBK Brieffreundschaften vermitteln. „Wir müssen aber schauen, wie hoch der Bedarf ist – viele finden anonyme Briefe doch seltsam.“
Zudem zeigt man Bewohnern, wie Videotelefonate funktionieren. „Unsere Bewohner rufen jetzt schon die Enkel an und fragen, ob die Skype haben“, sagt Jakubczyk.