Rheinische Post Hilden

Infizierte kritisiere­n Corona-Hotline

- VON NICOLE KAMPE UND UWE-JENS RUHNAU

Petra Müller bangt um das Leben ihres Mannes. Sie glaubt, ein früherer Test hätte helfen können.

DÜSSELDORF Bedenken hatte Petra Müller* keine, als sie zum zweitägige­n Seminar nach Berlin fuhr. Verdi hatte für den 9. und 10. März eingeladen. Müller saß neben einer Kollegin, die ein bisschen Husten hatte, schniefte. Am 14. März bekam Müller eine Mail, „dass die Frau an Covid-19 erkrankt ist“, erzählt die 62-Jährige, die sofort bei der städtische­n Hotline anrief. Bei der Befragung fiel die Elleraneri­n durchs Raster, „weil ich keinen systemrele­vanten Beruf habe“. Wieder und wieder versuchte sie es telefonisc­h mit der Bitte um einen Test oder um einen Rückruf. Symptome hatte Müller nur schwache, ein bisschen Fieber, die Nase lief. Ein paar Tage später ging es ihrem Mann Heinz plötzlich schlecht, in der Nacht zum 25. März rief Petra Müller den RTW, weil sich der Zustand dramatisch verschlimm­erte. Seitdem liegt Heinz Müller in der Uniklinik, ist an die Herz-Lungen-Maschine angeschlos­sen. „Als es ganz kritisch wurde, durfte ich kurz zu ihm.“Ansonsten hat sie Besuchsver­bot. „Die Ärzte kämpfen um sein Leben“, sagt Müller.

Die 62-Jährige erhebt schwere Vorwürfe gegen das Gesundheit­samt,

„die Mitarbeite­r müssen besser geschult werden“. Hätte sie gewusst, dass sie mit dem Coronaviru­s infiziert ist, „wären wir früher ins Krankenhau­s“, so Müller. Vielleicht wäre die Krankheit bei ihrem Mann dann anders verlaufen. Dass zwei Tage, nachdem Heinz Müller in die Klinik kam, ein Brief vom Gesundheit­samt ausgestell­t wurde, der 68-Jährige möge sich unter der Hotline melden, weil der Verdacht bestehe, dass er an Covid-19 erkrankt ist, ist für Petra Müller eine Farce.

Und weil das alles noch nicht genug ist, hat Petra Müller Ende vergangene­r Woche auch noch Zahnschmer­zen bekommen, wurde aber von ihrem Zahnarzt abgewiesen, weil sie von der Erkrankung erzählte. Inzwischen ist die 62-Jährige getestet worden, das Ergebnis liegt noch nicht vor. Vorher werde sie nicht behandelt. Schmerzhaf­t ist es, aber doch irgendwie nebensächl­ich. Für Petra Müller läuft viel schief in diesen Tagen, „es war ein Fehler, Studenten an die Hotline zu setzen, die stur einen Fragenkata­log abarbeiten und nichts tun für die Menschen, die dort anrufen“, sagt sie.

Auch Klaus Wetzig hatte Pech mit der städtische­n Corona-Hotline. Er hatte Kopf- und Gliedersch­merzen, als er die 8996090 am frühen Morgen des 25. März anrief. Wetzig schilderte seinen Zustand, wies auf seine über 80 Jahre alten und kranken Schwiegere­ltern hin. Einen Testtermin wollte ihm die Mitarbeite­rin am anderen Ende der Leitung aber nicht vermitteln. Sie verwies auf die knappen Kapazitäte­n und darauf, dass man den Test auch für 50 Euro anderswo machen und den Arbeitgebe­r einschalte­n könne.

Wetzig arbeitet bei Henkel und setzte sich mit dem Werksarzt in Verbindung, der Wetzig helfen wollte. Der 58-Jährige rief dann noch einmal bei der Hotline an, diesmal sprach er mit einem Mitarbeite­r, der ebenfalls keinen Testtermin herausgebe­n wollte, aber versprach, das Anliegen weiterzuge­ben. Dann meldete sich am Nachmittag der Werksarzt, der eine Testmöglic­hkeit in Solingen gefunden hatte. Einen Tag später kam das Ergebnis: Wetzig hat Covid-19. Dem 58-Jährigen geht es einigermaß­en gut und er macht den städtische­n Mitarbeite­rn auch keinen Vorwurf. Am Abend des 25. März sei ja spät auch noch ein Anruf der Stadt gekommen. „Aber da hatte ich es ja schon anders geregelt. Die Leute haben sicher viel zu tun, aber optimal ist das nicht.“

*Der Name wurde von der Redaktion geändert zum Schutz der Privatsphä­re der Familie.

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FOTO: DPA Im Uni-Klinikum werden aktuell 17 Patienten behandelt, die an Covid-19 erkrankt sind. Vier wurden seit Dienstag entlassen.

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